--> -->
21.01.2013 | (rsn) - Die ganze Radsportwelt diskutiert in diesen Tage über Lance Armstrongs Dopinggeständnis. Auch in Polen schlug das TV-Interview mit Oprah Winfrey hohe Wellen. Zu Wort meldeten sich viele tatsächlich oder auch sogenannte Experten – aber auch ein ehemaliger Teamkollege, der interessante Details zu berichten wusste.
Auf die Frage, ob er schockiert vom Ausmaß des Dopingsystems im Team US Postal gewesen sei, antwortete Cezary Zamana, der letzte polnische Sieger der Polen-Rundfahrt (2003): „Nein, das war ich nicht. Ich glaube, jeder hatte schon geahnt, was im Interview mit Oprah Winfrey ans Tageslicht kommt. Nach vielen Jahren haben wir die Wahrheit erfahren“, sagte Zamana, der Anfang der 1990er Jahre gemeinsam mit Armstrong in der amerikanischen Mannschaft Subaru fuhr.
„Ich kann mich noch erinnern, dass Lance kaum Rad fahren konnte“, fuhr Zamana fort. „In fast jeder Kurve ist er hingefallen. Erst der polnische Trainer Edward Borysewicz, der seit Jahren in den USA arbeitet, hat aus ihm einen echten Rennfahrer gemacht. Später, als ich bei Motorola unter Vertrag stand, teilte ich mit Armstrong ein Hotelzimmer. In einem Rennen haben uns die Fahrer der Gewiss-Mannschaft, wo Bjarne Riis fuhr, einfach kurz und klein geschlagen. Wir haben uns angestrengt, aber wir konnten ihnen nicht folgen. Heute wissen wir, was bei Gewiss damals vor sich ging. Nach dem Rennen, als wir zu zweit auf dem Zimmer waren, konnte Armstrong nicht verstehen, warum andere besser sind als er. Und vor allem: wie?“, berichtete Zamana.
1999 wurde Zamana positiv auf ein verbotenes Mittel getestet, das die Verbrennung von Fettzellen im Körper beschleunigte. „Es war ein Fehler von mir, das zu nehmen“, gestand der heute 45-Jährige ein. „Unser Arzt hat mir dieses Mittel gegeben, ohne zu sagen, dass es auf der schwarzen Liste steht. Wenn heute der Radsport so aussehen würde wie zu Armstrongs Zeiten, dann müssten wir ihn beerdigen. Aber es sieht besser aus“, zog Zamana ein optimistisches Fazit.
Einer der vermeintlichen Experten war Robert Korzeniowski, der in Polen schon während seiner Karriere, in der er vier Mal Olympisches Gold im Gehen gewann, zu einer sportlichen Moralinstanz avancierte. Immer wieder wird er um kurze oder längere Kommentare gebeten. Befragt vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen TVP äußerte sich Korzeniowski auch zum aktuellsten Thema des Radsports. „Heute hat Armstrong uns allen die Hoffnung genommen, dass der Sport insgesamt sauber sein kann. Armstrong hat die ganze Zeit betrogen und mit den Medien gespielt. Wir sollten ihm, dem, was er jetzt sagt, nicht glauben?“, sagte Korzeniowski.
Zbigniew Spruch, der 2000 im französischen Ploauy Vizeweltmeister im Straßenrennen wurde, war der Meinung, dass es zwei Schuldige an der ganzen Situation gäbe. Einerseits Armstrong - und andererseits das System. „Die Schuld liegt nicht nur bei Armstrong?“, sagte der ehemalige Klassikerspezialist. „Wir haben noch sein Team, seine Helfer und andere Menschen, die mit ihm zusammengearbeitet haben. Wir haben den Radsportweltverband und die Kontrolleure. Ich denke, dass jeder sich an die Brust schlagen und Schlüsse ziehen sollte.“
Sehr enttäuscht von Armstrongs Aussage war Zenon Jaskula, der einzige polnische Tour-Etappensieger, der 1993 in der Gesamtwertung Platz drei belegte. Bis vor Kurzem noch hatte Jaskula den Texaner vehement verteidigt, heute hegt er keine Zweifel mehr an dessen Unglaubwürdigkeit, verstieg sich aber zu gewagten Aussagen. „Ich glaube ihm kein Wort. Er hatte jahrelang gelogen und betrogen, wieso sollte er es jetzt anders machen? War er überhaupt am Krebs erkrankt? Ich habe keine Dokumente diesbezüglich gesehen... Man muss ihn zum Reden zwingen. Er hat bestimmt nicht allein betrogen, es gibt Hintermänner, diejenigen, die ihm dabei geholfen haben“, erklärte Jaskula. Ob Armstrong sein zerbröckeltes Image wieder aufbauen könne, wollte der Radiosender RMF von Jaskula wissen: „Das glaube ich nicht“, antwortete der. „Er kann Filme in Hollywood drehen oder in verschiedenen TV-Serien auftreten. Das war’s.“
Differenzierter als Jaskula reagierte Czeslaw Lang, Renndirektor der Polen-Rundfahrt. Nach Armstrongs Comeback 2009 liebäugelte Lang immer wieder mit einem Start des damaligen Astana bzw. RadioShack-Kapitäns bei der Tour de Pologne. Trotz einiger Bemühungen verliefen diese Pläne im Sand. „Ich bin empört, nicht aber wegen des Armstrong-Geständnisses, sondern wegen der Show, die um ihn gemacht wurde. Ich bin empört, dass man so lange ihm nichts nachweisen konnte. Wozu sind dann die Dopingtests da? Wofür zahlen wir, die Rennveranstalter?“, fragte Lang und zog ein gewagtes Fazit: „Das System hat sich vier zuschulden kommen lassen. Ich sehe nur zwei Möglichkeiten. Entweder verbessern wir die Antidoping-Prozeduren oder legalisieren Doping.“ Ohne Zuversicht wollte aber auch Lang seinen Kommentar nicht beenden: „Ich lege meine Hand ins Feuer: Der heutige Radsport ist sauberer als der Ende der 90er Jahre“, erklärte er.
In eine ähnliche Kerbe schlug auch Piotr Wadecki , der Manager der einzigen polnischen Pro-Continental-Mannschaft CCC Polsat. „Ich würde gerne wissen, warum man zwölf, dreizehn Jahre gewartet hat, bis man Armstrong sperren ließ? Wieso hat man das nicht früher gemacht? Wieso muss die heutige Generation von Rennfahrern die Zeche für die Sünden der älteren Generation zahlen?“, fragte Wadecki im Gespräch mit TVP .
„Ich kann zwar nicht pauschal sagen, dass alle Fahrer in Polen dopingfrei sind, aber im letzten Jahr führte man hier 160 Kontrollen durch, und es gab nur ein positives Ergebnis“, erklärte Wadecki, vergaß aber zu erwähnen, dass die einzige positive Dopingprobe Sylwester Janiszewski gehörte, der für... CCC Polsat in die Pedale tritt.