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16.07.2013 | (rsn) - Der zweite Ruhetag ist Geschichte, von nun an geht es von einem Höhepunkt zum nächsten dem Ziel in Paris entgegen. Die Alpen stehen bevor, und auch die Etappe, die die Fahrer heute aus der Provence dorthin nach Gap bringt, hat es schon in sich. Dass der Col de Manse rund zwölf Kilometer vor dem Ziel für Abstände sorgen kann, hat er jedenfalls schon bewiesen. Andy Schleck etwa kann ein Lied davon singen.
Die Strecke: 168 km, Mittelgebirge, 1 Berg der 3. Kategorie, 2 Berge der 2. Kategorie
Auch wenn es heute noch nicht über die ganz großen Alpenpässe geht - die Etappe in Richtung Gap hat es in sich. Immerhin führt die Strecke beinahe den ganzen Tag lang bergauf. Los geht es nordwestlich des Mont Ventoux und somit quasi in dessen morgendlichem Schatten in Vaison-la-Romaine, wo die Fahrer kaum Zeit zum Einrollen haben. Schon bei Kilometer 11 beginnt der 5,7 Kilometer lange und im Schnitt 5,6 Prozent steile Anstieg zur ersten Bergwertung am Cote de la Montagne de Bluye (2. Kat.).
Dort wird sich voraussichtlich eine große Ausreißergruppe davon machen, die aber wohl noch bis zum Col de Macuègne (7,6 km, 5,2 %, 2. Kat.) bei Kilometer 48 darum wird kämpfen müssen, sich endgültig vom Feld absetzen zu dürfen. Zu viele Fahrer werden an diesem Tag, an dem die Ausreißer gute Chancen auf den Sieg haben, in die Gruppe wollen. Nach dem zweiten Gipfel geht es lange Zeit bis Kilometer 84 leicht abwärts, doch ab Chateauneuf-de-Chabre steigt die Straße dann 55 Kilometer lang ständig leicht an.
Der Parcours führt am Buech entlang durch Serres (Kilometer 105), von wo aus die Streckenführung bis zum Zielstrich identisch mit der von der 16. Etappe des Jahres 2011 ist, zum Zwischensprint in Veynes (Kilometer 123). Anschließend geht es noch ein Stück weiter bergan, bis kurz hinter La Roche-des-Arnauds eine fünf Kilometer lange Abfahrt in den Zielort Gap beginnt. Dort erreichen die Fahrer beinahe schon die Zielgerade, müssen dann aber noch eine 23 Kilometer lange Schlussrunde über den berüchtigten Col de Manse (9,5 km, 5,2 %, 2. Kat.) absolvieren, bevor in Gap der Etappensieger gekürt werden kann.
KulTour - Die Region: Röhrende Motoren statt surrender Ketten
Gap ist nicht nur für die Tour ein wichtiger Anlaufpunkt. Auch die Rallye Monte Carlo kommt hier regelmäßig durch, und selbst der Col de Manse ist dort eine berühmte Sonderprüfung. Bei so viel Rallye-Sport ist es kaum verwunderlich, dass auch einer der momentan stärksten Fahrer der Welt dort herkommt: Sebastien Ogier. Der Franzose führt die Rallye-WM derzeit mit großem Vorsprung an und könnte nicht nur zum Nachfolger des Serien-Weltmeisters Sebastien Loeb werden, sondern auch zum ersten Weltmeister in einem Volkswagen.
ReTour - Tour-Historie: Böse Erinnerungen für Andy Schleck
Gap ist in den vergangenen Jahren zu einem der regelmäßigsten Etappenorte der Tour geworden. Allein 21 Ankünfte gab es in der Stadt, die in gewisser Weise das Tor zu den Alpen darstellt. Zuletzt kamen die Fahrer vor zwei Jahren vorbei, und dieser Tag wird vor allem einem Mann höchst negativ in Erinnerung geblieben sein: Andy Schleck. Er verlor auf nasser Straße in der Abfahrt vom Col de Manse 1:09 Minute auf Cadel Evans, der am Ende der Tour in Paris mit 1:34 Minute Vorsprung vor dem Luxemburger Gesamtsieger wurde. Wie auf Eiern waren Andy und auch Fränk Schleck damals die technisch schwierige und damals zusätzlich sehr glatte Abfahrt hinuntergerollt, während Evans und auch Alberto Contador an der Spitze Vollgas gaben.
Doch nicht nur von dieser 16. Etappe des Jahres 2011 haben die Tour-Fans bleibende Erinnerungen im Kopf, wenn sie an Zielankünfte in Gap denken. Noch spektakulärer nämlich waren die Aufnahmen, die im Jahr 2003 entstanden, als eine große Spitzengruppe der Favoriten dieselbe Abfahrt hinunterschoss, Joseba Beloki plötzlich stürzte und hinter ihm Lance Armstrong geistesgegenwärtig auf eine Wiese auswich.
Unvergessen sind die Aufnahmen seiner anschließenden Mountainbiker-Einlage über Stock und Stein hinunter auf die Straße, wo Armstrong wieder zum Rest der Gruppe stieß, um das Rennen unbeschadet fortzusetzen - anders als Beloki, der die Tour hier schwer verletzt aufgeben musste und nie wieder ähnlich stark zurückkam.
Die Radsport-News-Prognose: Ausreißersieg und „Chance“ zum Zeit verlieren
So geschichtsträchtig vor allem die Abfahrt vom Col de Manse hinunter nach Gap auch ist, angesichts des morgigen Zeitfahrens und der darauf folgenden drei schweren Bergetappen werden die Favoriten auf den Gesamtsieg heute nicht alle Körner raushauen. Klar, wenn ein Kontrahent anzieht, müssen alle mit, doch auf Biegen und Brechen wird niemand versuchen sich abzusetzen.
Wie die vergangenen Jahre gezeigt haben, ist die Ankunft in Gap daher prädestiniert für Ausreißer. 2011 gewann Thor Hushovd vor seinem norwegischen Landsmann Edvald Boasson Hagen aus einer großen Gruppe heraus, 2010 gelang dasselbe Sergio Paulinho und 2006 Pierrick Fédrigo. Kletterer, die in der Gesamtwertung schon weit zurückliegen, könnten daher heute ihre Chance suchen und dafür auch belohnt werden.
Trotzdem sollte man ein Auge auf die Klassementfahrer haben. Denn nach dem zweiten Ruhetag ist es gut möglich, dass einer von ihnen nicht sofort wieder richtig in Tritt kommt. Zumindest mit einer Attacke werden diejenigen, die gut aufgelegt sind, diesen schwächelnden Kontrahenten zu entlarven versuchen - und wenn ihnen das gelingt, dann werden sie ihn trotz der anstehenden schweren Tage mit voller Wucht attackieren.