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16.07.2013 | (rsn) - Der Col de Manse ist, wenn es um die Tour de France geht, ein geschichtsträchtiger Berg - allerdings nicht wegen seines Anstiegs, sondern vielmehr wegen der Abfahrt hinunter nach Gap.
Hier stürzte 2003 Joseba Beloki so schwer, dass er anschließend nie wieder zu dem Top-Fahrer wurde, der er zuvor war, und hier verlor Andy Schleck vor zwei Jahren im Regen 1:06 Minute auf den späteren Tour-Sieger Cadel Evans, weil er sich auf der unebenen und nassen Straße vor einem Sturz fürchtete.
Nun kehrte die Tour erneut hierher zurück, und auch wenn das Wetter eher dem von 2003 als dem von 2011 glich - die Manse-Abfahrt hätte um ein Haar erneut weitreichende Folgen für das Gesamtklassement gehabt. Denn nach einem eigenen Angriff stürzte Alberto Contador (Saxo-Tinkoff) in einer Kurve, und hinter ihm wäre auch Chris Froome (Sky) beinahe zu Fall gekommen.
Letztlich kamen beide zwar zeitgleich mit den anderen Favoriten im Ziel in Gap an, doch die Schrecksekunde brannte sich im Kopf von Froome ein. „Das Rennen ist längst noch nicht entschieden“, erinnerte der Gesamtführende sich und alle Zuschauer nach der Etappe daran, dass bei der Tour in jeder Sekunde etwas passieren kann.
Anschließend schoss sich der Brite auf die hohe Risikobereitschaft seiner Konkurrenz ein. „Kreuziger und Contador kamen von hinten und haben beschleunigt. Sie haben ein kleines Loch gerissen und wohl gehofft, dass sie sich absetzen können", schilderte das Gelbe Trikot die Situation aus seiner Sicht.
„Dann ist Contador diese Kurve sehr schnell angegangen und bekam Probleme, sein Rad unter Kontrolle zu behalten. Er ist direkt vor mir gestürzt. Ich bin nach links ausgewichen und aufs Gras gekommen. Um auf die Straße zurückzukehren, musste ich dann kurz aus dem Pedal“, so Froome, der dann auch seinen spanischen Kontrahenten direkt kritisierte: „Ich persönlich denke, dass er zu viel Risiko eingegangen ist. Letztendlich hat man ja gesehen, dass er seine Geschwindigkeit nicht mehr unter Kontrolle hatte.“
Contador selbst sah nicht sein hohes Tempo, sondern die Straße als problematisch an. „Der Untergrund war uneben und ich bin auf Geröll ausgerutscht“, erklärte er und betonte, auch weiterhin nicht aufgeben zu wollen: „Ich habe ja angekündigt, Froome weiter zu attackieren - auch wenn er souverän in Führung liegt.“
Froome ist trotzdem wenig begeistert darüber, sich auch gesundheitlichen Gefahren auszusetzen, weil er sich gezwungen sieht, das Tempo der Konkurrenz in der Abfahrt mitzugehen. „Wahrscheinlich hätte ich ihn fahren lassen und ihm das Gelbe Trikot schenken sollen?“, antwortete er auf die etwas ketzerische, aber nicht unangebrachte Frage, warum er Contadors riskantem Ritt denn gefolgt sei. Einen möglichen Zeitverlust von 20 Sekunden in Kauf zu nehmen, dafür aber selbst sicherer den Berg hinunterzukommen, das steht für Froome derzeit wohl außer Frage.
Nun fürchtet der 28-Jährige, dass seine Kontrahenten auch an den kommenden Tagen in riskanten Abfahrts-Attacken ihre Chance suchen könnten, ihn aus dem Trikot zu fahren. „Definitiv. Ich habe das Gefühl, dass einige Teams etwas verzweifelt sind und deshalb jetzt unkalkulierte Risiken eingehen“, setzte der im Anstieg und Zeitfahren bislang unantastbare Froome einen Seitenhieb gegen Contador.
Besonders am Donnerstag auf dem Weg nach L’Alpe d’Huez könnte das Thema Risiko eine große Rolle spielen. Dann nämlich geht es zwischen den beiden Kletterpartien am „Berg der Holländer" den Col de Sarenne hinunter - auf einer schmalen, unebenen Straße ohne Leitplanken oder Auslaufzonen.
Nach Tony Martin, Jens Voigt und Andy Schleck äußerte sich auch Froome nun mit besorgtem Gesicht zur Sarenne-Abfahrt: „Ich habe die Abfahrt im Training und bei der Dauphiné gesehen - und sie ist sehr gefährlich. Wenn man eine Kurve verpasst, dann kann man weit hinunterfallen. Ich hoffe, die anderen werden dieser Tatsache Tribut zollen und nicht so viel Risiko eingehen wie heute.“
Wenn sie das doch tun, dann ist Froome aber selbst in der Verantwortung zu entscheiden, ob er folgt oder nicht.