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30.07.2015 | (rsn) – Vor vier Jahren nahm an der Polen-Rundfahrt ein junger, talentierter deutscher Sprinter teil, der damals kurz vor seinem Durchbruch stand. Quasi als Nobody gestartet, verabschiedete sich Marcel Kittel von der Tour de Pologne 2011 mit nicht weniger als vier Etappensiegen. 2015 kehrt der Erfurter wieder an die Weichsel zurück, um seine Ausbeute zu steigern.
Die 72. Auflage des einzigen polnischen WorldTour-Rennens, das in diesem Jahr unter dem Motto „Wir verbinden die Hauptstädte“ verläuft, beginnt am 2. August in der Warschauer Innenstadt. Das Starterfeld, das obligatorisch aus 17 Mannschaften aus der ersten Division und nur zwei Wildcard-Teams (der heimische Zweitdivisionär CCC Sprandi und die polnische Nationalmannschaft) besteht, wird zehn je 12,2 Kilometer lange Runden in Angriff nehmen. Da die Schleife durch Warschau ein flaches Profil aufweist sind, wird es am Theaterplatz wahrscheinlich zu einem Sprint Royal kommen, in dem Kittel keine so schlechten Karten haben sollte.
Nach dem Auftakt in der polnischen Hauptstadt wird das Peloton nach Czestochowa transferiert. Vor der prächtigen Kulisse des Stifts auf dem Klarenberg/Jasna Gora, an dessen Fuß sich die Polen im 16. Jahrhundert harte Kämpfe mit der heranrückenden schwedischen Armee lieferten, wird der Startschuss zu der 2. Etappe fallen, die Rennfahrer werden sich auf den Weg nach Bedzin machen. Traditionellerweise planen die Organisatoren zum Schluss des Tagesabschnitts fünf Runden ein (à 10 Kilometer). Obwohl das Feld unterwegs die anspruchsvolle Krakauer Jura passieren wird, darf erneut mit einem Massenspurt gerechnet werden.
Dieses Szenario wird sich wohl auch auf der 3. Etappe von Zawiercie nach Kattowitz (166 Km) wiederholen. An Spannung wird es sicher nicht fehlen, weil die Zielgerade am berühmten Konzertsaal Spodek – dem Wahrzeichen der schlesischen Hauptstadt – leicht bergab führt. Die Sprinterteams riskieren dort Kopf und Kragen und erzielen Topgeschwindigkeiten von über 70 Km/h. Im Vorjahr wurde der alte Rekord von Kittel durch Jonas Vangenechten verbessert (81 km/h).
Erste schwerere Anstiege tauchen erst auf der 4. Etappe auf (220 Km). Das Feld wird in Jaworzno die schlesische Region verlassen, um sich in Richtung Wadowice – den Geburtsort des Papst Johannes II. - und Zegartowice, wo der diesmal fehlende Vorjahressieger Rafal Majka (Tinkoff-Saxo) zur Welt kam, aufzumachen. Gegen Ende der Etappe wird es hügeliger: Auf dem Programm stehen zwei Anstiege der höchsten Kategorie in Wysokie und Trzetrzewina und eine Kletterpartie der 2. Kategorie in Gruszowiec. In Nowy Sacz – natürlicher wieder nach zuvor absolvierten Zielrunden – wird die Etappe zu Ende gehen.
In einer der ältesten Städte der Provinz Kleinpolen beginnt am darauffolgenden Tag die 5. Etappe, die mit 223 Kilometern die längste der diesjährigen Austragung der Polen-Rundfahrt ist. Bespickt ist sie mit insgesamt acht Anstiegen der 1. Kategorie. Je drei Mal werden die Fahrer auf der 50 Kilometer langen Runde um Zakopane die bekannte Zab-Passage (961 Höhenmeter) und die Bergstraße zu Gubalowka (1090 Höhenmeter), die ihr „Comeback“ gibt, erklimmen müssen. Das Dach der Tour de Pologne bildet Glodowka mit 1137 Höhenmeter, die zwei Mal bewältigt werden muss.
Der zweite Tag im Tatra-Gebirge ist zugleich der schwerste im gesamten Rennen. Seit einigen Jahren schon ist die Polen-Rundfahrt ohne die Bergetappe rund um Bukowina Tatrz. (174 km) kaum vorstellbar. Erneut werden die Fahrer den Zab-Anstieg „verspeisen“ müssen (vier Mal), dann wartet auf das Peloton der Gliczarow-Anstieg mit der maximalen Steigung von 23% (vier Mal). Die Gesamtwertung der Rundfahrt wird in der Regel an der „Wand von Bukovina“ auf den Kopf gestellt, allerdings vielmehr eher der rasanten und gefährlichen Abfahrt als im schweren Anstieg. Trotzdem werden die Zeitunterschiede vermutlich nicht allzu groß sein.
Erst im abschließenden Zeitfahren (25 Km) in Krakau wird der Deckel drauf gemacht. So konnte sich 2013 Pieter Weening den Gesamtsieg freuen als Sechster des Kampfes gegen die Uhr sichern. Majka war überraschend 2014 in der Lage, sein Gelbes Trikot gegen die besseren Zeitfahrer Ion Izagirre und Benat Intxausti (Movistar) zu verteidigen.
Die beiden Spanier werden auch in diesem Jahr bei der Polen-Rundfahrt starten, sie gehören zum erweiterten Favoritenkreis. Gemacht ist die Tour de Pologne allerdings eher auf Klassiker-Spezialisten, die auch im Zeitfahren gut über die Runden kommen: Seit 2005, als das von Czeslaw Lang organisierte Rennen in die ProTour/WorldTour-Familie aufgenommen wurde, konnte mit Majka nur ein echter Kletterspezialist eins belegen.
Die italienische Equipe Lampre-Merida kommt mit Przemyslaw Niemiec und Diego Ulissi, der zuletzt eine Etappe beim Giro d’Italia für sich entschied, angereist, die französische Mannschaft Ag2r setzt auf Christophe Riblon und Carlos Betancur, und Cannondale-Garmin vertraut Moreno Moser, der 2012 vor Michal Kwiatkowski (Etixx-Quick Step) durchsetzte und den Sieg davontrug. Der Weltmeister wird ebenfalls mit von der Partie sein und - wie man es aus seinem Teams so hört - hätte Kwiatkowski nichts dagegen, an das Vorjahresergebnis seines Landsmanns Majka anzuknüpfen. Wie es um die Form von Fabio Aru (Astana), dem Gesamtzweiten der Italien-Rundfahrt, bestellt ist, bleibt abzuwarten. Theoretisch sind auch Robert Kiserlovski (TinkoffSaxo), Riccardo Zoidl (Trek) Kandidaten fürs Podium.
Im nächsten Jahr soll die Polen-Rundfahrt in Kroatien zu Gast sein. Eines steht jedoch schon jetzt fest: Weder Gliczarow oder Zakopane, noch Bukowina Tatrz. und Krakau werden der neuen Streckenführung zum Opfer fallen, da der Rennveranstalter verträglich gebunden ist, bis 2018 etwa Krakau zu besuchen. Somit wird aus der Polen-Rundfahrt eine Schlesien- bzw. Kleinpolen-Rundfahrt, die über dieselben Strecken führt.
Die Etappen:
1. Etappe, 2. Aug.: Warschau – Warschau (122 km)
2. Etappe, 3. Aug.: Czestochowa – Dabrowa Gornicza (146 km)
3. Etappe, 4. Aug.: Zawiercie – Kattowitz (166 km)
4. Etappe, 5. Aug.: Jaworzno – Nowy Sacz (220 km)
5. Etappe, 6. Aug.: Nowy Sacz – Zakopane (223 km)
6. Etappe, 7. Aug.: Bukovina Terma Hotel Spa – Bukowina Tatrz. (174 km)
7. Etappe, 8. Aug.: Krakau – Krakau (Zeitfahren, 25 km)