Größter Erfolg für jungen Deutschen

Steinhauser holt sich beim Giro Tagessieg am Passo Brocon

Von Sebastian Lindner

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Georg Steinhauser (EF Education - EasyPost | Foto: Cor Vos

22.05.2024  |  (rsn) – Es waren noch etwa 400 Meter bis ins Ziel der 17. Etappe des Giro d’Italia, da huschte Georg Steinhauser (EF Education – EasyPost) zum ersten Mal ein Lachen übers Gesicht. Vorher war es gekennzeichnet von Anstrengung und Konzentration. Schließlich war der 22 Jahre alte Deutsche fast den ganzen Tag in einer Spitzengruppe unterwegs gewesen. Am Ende konnte er aber jubeln. Am Passo Brocon fuhr er seinen ersten Sieg als Profi ein.

Zweiter wurde Tadej Pogacar (UAE Team Emirates), der zwei Kilometer vor dem Ende aus der Favoritengruppe heraus attackierte, um seinen Kontrahenten um den Gesamtsieg der Rundfahrt weitere Sekunden abzunehmen. Der Slowene, der erneut das Rosa Trikot verteidigte, kam rund anderthalb Minuten nach Steinhauser ins Ziel. 18 Sekunden hinter ihm erreichte Antonio Tiberi (Bahrain Victorious) das Ziel, Geraint Thomas (Ineos Grenadiers), Daniel Martinez (Bora – hansgrohe), Einer Rubio (Movistar) und Romain Bardet (dsm-firmenich – PostNL) an seiner Seite.

In den Top Ten tauschten lediglich Rubio und Filippo Zana (Jayco – AlUla), der nicht mit den Besten ankam, die Plätze. Der Kolumbianer ist nun Achter. Ebenfalls einen Platz nach vorne schob sich in der Gesamtwertung Simon Geschke (Cofidis), dafür reichte Platz 19 im Tagesergebnis.

Steinhauser schon am Start gut drauf

Auf den 159 Kilometern von Wolkenstein in Gröden mit 4.100 Höhenmetern hinauf zum Brocon, der gleich zweimal befahren wurde, allerdings von unterschiedlichen Seiten, zählte Steinhauser zu den ersten Angreifern. “Heute habe ich mir auf dem Weg zur Einschreibekontrolle schon gesagt: ‘Fuck, ich habe gute Beine! Vielleicht gewinne ich heute‘“, so der Allgäuer im Siegerinterview. “Ich bin gleich zum Beginn des Rennens weggefahren, aber danach war es etwas eigenartig“, schilderte er den Rennverlauf. Denn eine achtköpfige Spitzengruppe, die sich in der Abfahrt von der Cima Coppi am Passo Sella bildete, wurde nicht weit weggelassen und ließ sich dann in der Anfahrt zum Passo Gobbera (3. Kategorie) nach nicht ganz 100 Kilometern wieder einholen.

Weil es in der Favoritengruppe aber ruhig blieb, konnten die Ausreißer mitfahren und sogar erneut angreifen. Zunächst wagte sich Amanuel Ghebreigzabhier (Lidl – Trek) in die Offensive. Dann kam Steinhauser. “Ich hatte irgendwann beschlossen es einfach nochmal zu probieren. Das habe ich gemacht und es hat geklappt.“ Rund 35 Kilometer vor dem Ziel im Anstieg zur ersten Brocon-Überquerung ließ Steinhauser, der seine erste Grand Tour fährt, seinen Begleiter stehen und fuhr den Rest des Tages ein Solo.

Schon auf der 8. Etappe nach Prati di Tivo war Steinhauser lange in einer Fluchtgruppe unterwegs, ehe die Favoriten ihn und seine Begleiter noch einholten. “Da habe ich schon gemerkt, dass ich gute Beine hatte, vielleicht sogar gut genug, um eine Etappe zu gewinnen.“ Dann kam die Königsetappe vor drei Tagen nach Livigno, die er als Dritter beendete. “Allein damit wäre ich für diesen Giro schon zufrieden gewesen.“ Nun gab es noch das Sahnehäubchen einer bis dato schon gelungenen Grand-Tour-Premiere.

Nach Pogacar-Antritt “nervös“

Der Sieg gelang, obwohl von hinten auf den letzten Kilometern Pogacar Druck machte. Vielleicht etwas zu spät, doch dem Slowenen, der souverän seit Tag zwei des Giro nicht aus dem Maglia Rosa zu verdrängen ist, ist dieser Tage alles zuzutrauen. “Ich habe über Funk gehört, was hinten passiert. Ich war extrem nervös. Ich wusste, dass ich bis zum Ziel alles geben muss. Irgendwann hörte ich, dass er angegriffen hat. Aber das war erst zwei Kilometer vor dem Ziel. Da dachte ich mir schon, dass ich es schaffe.“

An der Spitze der Sonderwertungen hat sich nichts getan. Jonathan Milan (Lidl – Trek) wird einen weiteren Tag im Maglia Ciclamino für den besten Punktesammler starten. Die Nachwuchswertung liegt auf den Schultern von Tiberi, nachdem Thymen Arensman (Ineos Grenadiers) ein paar weitere Sekunden auf den Italiener verlor. Das Bergtrikot gehört weiter Pogacar, doch dieser hat einen neuen Vertreter, der es morgen tragen wird. Giulio Pellizzari (VF Group – Bardiani CSF Faizane) sammelte genug Punkte, um auf den zweiten Platz zu klettern.

So lief die 17. Etappe des Giro d’Italia 2024

Bei weitestgehend trockener Witterung setzten sich die 146 verbliebenen Fahrer direkt in den ersten Anstieg des Tages, den Passo Sella, in Bewegung. Da es oben auf 2.244 Metern um die neu gesetzte Cima Coppi ging, wurde von Beginn an auf Zug gefahren. Christian Scaroni (Astana Qazaqstan) oder Geschke, die dort aber vielleicht vorne zu erwarten gewesen wären, hielten sich aber zurück.

Stattdessen war es Pellizzari, der sich die Wertung im Fotofinish vor Nairo Quintana (Movistar) sicherte. Der jüngste Starter im Feld holte den prestigeträchtigen Titel damit zurück nach Italien. Im Vorjahr war es mit Santiago Buitrago ein Landsmann von Quintana, der sich an den Drei Zinnen diesen Titel sicherte. Aufgrund der Neugestaltung der 16. Etappe wurde die Cima Coppi nicht am Dach der diesjährigen Italien-Rundfahrt vergeben, da dieses durch den Wegfall von Stilfser Joch und Umbrail in Mottolino bei Livigno bereits absolviert wurde. Somit rückte der eigentlich als Kategorie zwei eingestufte Sellapass in die Ersatzrolle.

Mit wenigen Sekunden Vorsprung auf ein schon nach neun Kilometern auf 25 Fahrer zusammengeschrumpftes Feld ging das Duo in die Abfahrt, in der weitere Fahrer aufschlossen. So hatte sich kurz vor dem Zwischensprint in Predazzo, nach nicht ganz 50 Kilometern, eine achtköpfige Gruppe gebildet, zu der auch Steinhauser, Julian Alaphilippe (Soudal – Quick-Step), Damiano Caruso (Bahrain Victorious), Davide Ballerini (Astana Qazqastan), Marco Frigo (Israel – Premier Tech) und Ghebreigzabhier zählten. Auch Bardet oder Domenico Pozzovivo (VF Group – Bardiani CSF Faizane) hatten neben weiteren Profis den Sprung nach vorne versucht, wurden vom nun aber wieder deutlich angewachsenen Hauptfeld nicht weggelassen.

Gruppe vor dem Passo Gobbera gestellt

Den Anschluss schafften auf den ersten der knapp 20 Kilometer des Passo Rolle hingegen Attila Valter (Visma – Lease a Bike) und Nicola Conci (Alpecin – Deceuninck). Zweieinhalb Minuten fuhr die Gruppe auf das Feld maximal heraus, am Gipfel des Rolle war eine gute Minuten verblieben. Dahinter hatte dsm-firmenich im Feld die Tempoarbeit übernommen. Pellizzari sicherte sich nach den 50 Punkten am Sellapass nun weitere 40 am Passo Rolle, bevor es in die nächste lange Abfahrt ging. Gut 90 Kilometer waren es da noch bis ins Ziel.

Das Streckenprofil der 17. Etappe des Giro d‘Italia | Foto: Veranstalter

In der Abfahrt wurde es dann nass. Vor allem in der Spitzengruppe ging das Tempo zurück. weswegen sie am Passo Gobbera (3. Kategorie) gestellt wurde. DSM hielt das Tempo hoch, bloß 30 Fahrer blieben zusammen. Kurz vor der Bergwertung ging Ghebreigzabhier nochmal in die Offensive. Steinhauser folgte ihm, das Duo ging gemeinsam und mit einer knappen Minute Vorsprung in die erste Auffahrt zum Passo Brocon.

Arensman bringt Verfolger näher

Kurz vor dem Gipfel ließ Steinhauser den Eritreer dann stehen. 1:45 Minuten hatte er oben als Sieger der Bergwertung (2. Kategorie) Vorsprung auf das Feld. Nach einer sicheren Abfahrt ging er mit zweieinhalb Minuten Vorsprung in die letzten zwölf Kilometer, die nur mehr bergauf führten. Weil in der Favoritengruppe lange alles ruhig blieb, Ineos Grenadiers eher nur verhalten in der Tempoarbeit agierte, wuchs Steinhausers Vorsprung sieben Kilometer vor dem Ende sogar auf über drei Minuten an.

Dann übernahm Arensman bei den Verfolgern die Tempoarbeit, zudem wartete hinter der 5-Kilometer-Marke der steilste Abschnitt des Schlussanstieges. Der Abstand schrumpfte, aber nicht auf ein besorgniserregendes Maß aus Sicht des Deutschen. 3.000 Meter vor dem Ende musste mit Ben O’Connor (AG2R Decathlon La Mondiale) der erste Fahrer aus den Top fünf abreißen lassen. Martinez nutzte die Gelegenheit und beschleunigte nochmal, ehe Pogacar einen Kilometer später an die Spitze der Gruppe fuhr und sich absetzte. Doch der Slowene zog nicht voll durch, womit Steinhauser der Sieg nicht mehr zu nehmen war.

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