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28.11.2025 | (rsn) – Für Lennart Jasch stellte das Jahr 2025 nichts weniger als eine sportliche Zeitenwende dar. Die Saison war die erste, in der sich der seit kurzem 25-Jährige komplett dem Radsport widmen konnte – inklusive einer Wintervorbereitung. Noch Anfang 2024 war Jasch Eisschnellläufer und Teil der Nationalmannschaft. Auf dem Rad saß er nur zu Trainingszwecken.
Da passte es ganz gut, dass auch das Team, dem er sich für diese Saison angeschlossen hatte, neu aus dem Boden gestampft wurde. “Es kam mir schon auch ein bisschen entgegen, denn so mussten sich alle erst in ihre Rolle finden“, sagte der Newbie aus den Reihen der Red Bull – Bora – hansgrohe Rookies, der gleichwohl der älteste Fahrer seiner Mannschaft war.
Gegenüber RSN bekundete Jasch weiter: “Es war alles auf Augenhöhe. Keiner hat sich als Vorreiter gesehen und auch im Rennen gab es die klassischen hierarchischen Strukturen, von denen man immer hört, `nur der Leader sagt an, was gemacht wird`, eher selten.“ ___STEADY_PAYWALL___
Eine muskuläre Dysbalance war es, die den Mann vom Chiemsee letztlich aus dem Eisschnelllauf und in den Radsport brachte. “Das beeinträchtigt mich jetzt überhaupt nicht. Ohnehin hatte ich die Probleme nur auf dem Eis. Woran das lag, weiß bis heute keiner wirklich“, so Jasch, der sich trotz Kufenhistorie mittlerweile gut mit seinem Rad identifizieren kann. “Beide Sportarten sind von Grund auf unterschiedlich. Ich bin mit dem Eisschnelllauf aufgewachsen, da hängen viele Erinnerungen dran. Aber der Radsport ist schon sehr vielfältig. An 140 Reisetagen sieht man deutlich mehr als immer nur die gleichen drei Eisbahnen in Deutschland.“
Los ging Jaschs Reise in Spanien und direkt als Leihgabe für die WorldTour-Mannschaft. Allerdings mit einem unverschuldeten Fehlstart, denn die Trofeo Andratx als Teil der Mallorca Challenge wurde aufgrund schmieriger Straßen schon nach wenigen Kilometern abgebrochen. Umso besser lief es zwei Wochen später an seinem zweiten Renntag, den er wieder mit den Profis absolvierte.
“Bei der Ruta del Sol (2.Pro) bin ich zum ersten Mal richtig als Helfer gefahren. Und dann haben wir die 1. Etappe gleich mit Maxim Van Gils gewonnen. Luke (Tuckwell, ebenfalls von den Rookies) und ich haben da am Ende viel Arbeit für ihn gemacht. Und da habe ich dann erlebt, dass man als Helfer fast genau so viel Freude daran haben kann, wenn ein anderer gewinnt, dass sich das fast wie ein eigener Sieg anfühlt. Das war ein Gefühl, dass ich vorher nicht kannte“, so Jasch, der jenen Tag auch im Rückblick noch zu den Highlights seiner Saison zählt.
2025 war die erste komplette Radsportsaison für Lennart Jasch, der Anfang 2024 noch als Eisschnellläufer unterwegs war. | Foto: Cor Vos
Die nächste Rundfahrt, die Istrian Spring Trophy (2.2), absolvierte er dann in seinem Stammteam. Wieder gab es etwas zu feiern, Adrien Boichis gewann die Gesamtwertung, Jasch selbst belegte Rang 14. “Es ist schon ein Unterschied, ob man .2-Rennen, .1-Rennen oder auf Pro-Level unterwegs ist, das Niveau im Feld ist schon deutlich anders“, zog er mit frischen Erfahrungen den Vergleich. Und: “Wenn man mit dem WorldTeam unterwegs ist, merkt man schon, dass alles vielleicht eine Spur ernster ist, wenn dir am Tisch Leute gegenübersitzen, die mit dem Sport vielleicht Millionen verdienen.“
Abschrecken ließ sich Jasch davon aber keinesfalls. Schließlich ist es auch seine Zielstellung, irgendwann einen Profivertrag zu unterschreiben und vom Sport leben zu können. “Am Ende investieren wir doch ähnlich viel wie die Millionäre, sind ähnlich viel unterwegs und quälen uns genauso auf dem Rad. Ich denke nur, dass es wichtig ist, dass man es nicht nur fürs Geld macht. Man kann zufrieden sein, wenn man gut verdient, aber das darf nicht der Hauptansporn sein. Der Radsport ist zu hart und fordert zu viele Opfer im Alltag, um weit zu kommen, wenn die intrinsische Motivation und der Spaß fehlen.“
Im Verlauf der Saison absolvierte Jasch noch weitere Einsätze im WorldTeam, unter anderem bei Tour oft he Alps (2.Pro). Auch diesen Einsatz hob Jasch als einen Höhepunkt seiner Saison hervor. “Allein bei diesem tollen Rennen am Start zu stehen, war schon cool. Und dann noch sagen zu können, dass ich Jai Hindley so gut es geht unterstützen konnte, war ein tolles Gefühl. Auch wenn es dort nicht so gelaufen ist, wie wir uns das vorgestellt haben, ist es eine schöne Erinnerung.“
Lennart Jasch als Hindley-Heöfer bei der Tour of the Alps | Foto: Cor Vos
Gleiches gilt für seine Erlebnisse bei der Deutschland Tour (2.Pro). “Das ist zwar weniger sportlich, aber da zu sehen, wie krass der Radsport-Hype in Deutschland gerade ist, war beeindruckend. Jeden Tag kamen 200 Leute vor und nach der Etappe an den Bus und haben nach einem Autogramm von `Lipo‘ gefragt. Und da einfach nur im Bus zu sitzen und nach draußen zu schauen, das hatte schon was.“
Mit seinen eigenen sportlichen Leistungen hat Jasch zwar noch nicht die ganze Bundesrepublik auf sich aufmerksam gemacht, aber zumindest in der Szene an seinem Namen gearbeitet. Nachdem er Anfang Juni bei der Trofeo Alcide De Gasperi (1.2) als Zweiter sein bis dato bestes Ergebnis in einem UCI-Rennen lieferte, hinterließ er auch bei den Deutschen Meisterschaften als Zehnter seine Visitenkarte. Gemeinsam mit den etablierten Profis Nils Politt (UAE – Emirates – XRG), Jonas Rutsch (Intermarché – Wanty) und seinem Teamkollegen Ben Zwiehoff rollte er ins Ziel.
Aus einem weiteren vermeintlichen Highlight wurde nichts. Die Sibiu Tour (2.1) sollte Jaschs erstes Rennen als Leader werden. “Ich war zuvor in der Höhe und hatte mich richtig gut vorbereitet. Aber schon nach 30 Kilometern auf der 1. Etappe hat mir einer das Vorderrad weggefahren. Und damit war es im Grunde vorbei.“ Die Rundfahrt beendete er zwar noch. “Aber alles tat weh und ich war dick einbandagiert bei 40 Grad unterwegs. Das war eine Zähe Erfahrung.“
Es folgten die Tour Alsace (2.2) und die Czech Tour (2.1), die er jeweils in den Top 10 der Gesamtwertung beendete, ehe Anfang September der Giro della Regione Friuli Venezia Giulia (2.2). Dort gewann Jasch die Schlussetappe und damit auch die Rundfahrt. “Dort zu gewinnen und auch noch als Solist anzukommen, war echt ein krasses Gefühl“, erinnert er sich an den größten Erfolg seiner noch jungen Karriere zurück.
Bei der Deutschland Tour erlebte Lennart Jasch (r.) den neu entfachten Radsport-Hype um Florian Lipowitz hautnah. | Foto: Cor Vos
Dass er in der Lage sein würde ein UCI-Rennen zu gewinnen, hielt Jasch selbst schon länger für möglich. “Vor der Saison war das mein Ziel, weil ich ja irgendetwas aufschreiben musste“, witzelte er, um dann etwas ernsthafter nachzulegen: “Ich dachte schon, dass es theoretisch möglich ist, aber auch, dass die Chance, dass es wirklich klappt, eher gering ist. Ich hatte in den Wochen vor Friuli gute Ergebnisse eingefahren und gesagt. Aber es gibt im Radsport so viele Einflussfaktoren. Man ist selten so überlegen, dass fünf Dinge schieflaufen können und man trotzdem gewinnt.“
Aber Ausnahmen bestätigen die Regel. “Glück, richtige Entscheidungen im Rennen, natürlich auch die Form – es muss schon passen. Aber ich habe mich auch zurückerinnert an 2024 und mein erstes UCI-Rennen überhaupt. Das war die Oberösterreich-Rundfahrt (2.2). Und da war ich auf Anhieb Zehnter in der Gesamtwertung", erklärte Jasch. "Wenn ich jetzt überlege, wie ich da Rennen gefahren bin und das allein mit dem Saisonende ein paar Monate später verglichen habe - das war ein Riesenunterschied. Und da war mir klar: Wenn ich mit den ganzen Fehlern, die ich da noch gemacht habe, so ein Resultat einfahren kann, dann ist zumindest theoretisch das Potenzial da, dass es auch mal für ganz vorne reichen kann.“
Der Theorie weitere praktische Siege folgen lassen will Jasch künftig beim Development Team von Tudor. Dort hat er für die Saison 2026 unterschrieben. “Ich will vor allem mehr Erfahrungen sammeln und konstanter werden, mich mehr auf mich selbst verlassen können“, formulierte der Student für Sport- und Trainingswissenschaften an der DHGS in Ismaning als Zielstellung und äußerte als Wunsch: "Ich würde gerne nochmal Friuli fahren, um mit der Startnummer 1 antreten und vielleicht den Sieg verteidigen zu können, was aber nochmal deutlich schwieriger wird, weil einen alle anschauen.“