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01.07.2017 | (rsn) – Mit 14 Kilometern ist das Auftaktzeitfahren der 104. Tour de France zu lang für einen Prolog, deswegen ist es offiziell als die 1. Etappe dieser Frankreich-Rundfahrt klassifiziert. Gestartet wird in Düsseldorf, womit die Rheinmetropole nach Köln (1965), Frankfurt (1980) und West-Berlin (1987) den vierten Grand Départ auf deutschem Boden ausrichtet.
Als Zentrum der deutschen Modeindustrie wird die 620.000-Einwohner-Stadt auch "Little Paris“ genannt, bietet also auch in dieser Hinsicht den perfekten Startort für das größte Radrennen der Welt, das 22 Tage später im "echten“ Paris zu Ende geht. Die deutschen Fans an der Strecke werden ihre Hoffnungen vor allem auf einen Mann fokussieren: Tony Martin (Katusha-Alpecin). Der viermalige Zeitfahr-Weltmeister hat seine gesamte Saisonplanung auf diesen Tag ausgerichtet und will an der Messe Düsseldorf ins Gelbe Trikot fahren und den Fans und sich einen traumhaften Grand Départ bescheren.
TagesTour: Der Parcours im Norden Düsseldorfs ist topfeben. Gestartet wird an der Messe, von wo es in südlicher Richtung den Rhein entlanggeht. Bis zur Tonhalle folgen rund vier Kilometer schnurstracks geradeaus. Von dort führt die Strecke dann über die Oberkasseler Brücke auf die andere Rhein-Seite, die jedoch über die Rheinkniebrücke schnell wieder verlassen wird. Dieser Abschnitt ist kurvig und die beiden Brücken sorgen dafür, dass der Rhythmus gebrochen wird – hier kann viel Zeit gutgemacht oder auch eingebüßt werden. Über die Haroldstraße jagen die Profis zur berühmten Köningsallee, wo nach 8,1 Kilometern die Zwischenzeit abgenommen wird. Nach drei weiteren, engen Kurven sind die Fahrer wieder am Rheinufer und die letzten vier Kilometer sind identisch mit dem Beginn des Zeitfahrens. Nach 14 Kilometern ist alles vorbei, der erste Träger des Gelben Trikots wird in der Stockumer Kirchstraße neben der Messe gekürt.
KulTour: Die Landeshauptstadt von Nordrhein-Westfalen ist auch das Zentrum der Metropolenregion Rhein-Ruhr, einem der wichtigsten Wirtschaftszentren der Europäischen Union. Insbesondere in der Mode- und Kunstwelt ist Düsseldorf weit über Deutschlands Grenzen hinaus bekannt. Um diesen Tatsachen Rechnung zu tragen, haben sich die Organisatoren etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Am Abend der 1. Etappe werden die Elektronik-Pioniere Kraftwerk eines ihrer berühmten 3D-Konzerte spielen - und zwar im Ehrenhof direkt an der Strecke der 1. Etappe der 104. Tour de France! Tour-Chef Christian Prudhomme selbst hatte Kontakt mit Kraftwerk-Gründer Ralf Hütter aufgenommen. Die einflussreiche Band gilt seit jeher als Fans der Tour und wird ihr 2003 veröffentlichtes Album "Tour de France“ spielen.
HisTourie: Als die Tour de France 1980 in Frankfurt am Main startete, schien alles seinen geregelten Weg zu gehen. Der Sieger der beiden vergangenen Austragungen, der schier übermächtige Franzose Bernhard Hinault, gewann den 7,6 Kilometer langen Prolog. Während Sprinter Rudy Pevenage neun Tage lang das Gelbe Trikot trug, holte sich Hinault zwei weitere Etappensiege, einen im Zeitfahren von Spa und einen bei einer schweren Ankunft in Lille. Nach dem langen Zeitfahren auf der 11. Etappe, das der Niederländer Joop Zoetemelk gewann, übernahm der "Dachs“ wiederum das Maillot Jaune und schien auf dem Weg zum dritten Tour-Sieg. Doch in den Pyrenäen schwächelte der französische Superstar und Zoetemelk war zur Stelle. Mit 33 Jahren sicherte er sich endlich den lang ersehnten Tour-Sieg, nachdem er bereits fünf Mal auf Rang zwei gefahren war – es sollte sein einziger bleiben, bei insgesamt 16 Frankreich-Rundfahrten, die er allesamt beendete. Hinault dagegen gewann insgesamt fünf Mal das Gelbe Trikot und stieg zum Nationalhelden auf. Er ist auch heute noch omnipräsent bei der Tour, die er 1985 als letzter Franzose gewann.
RSN-Prognose: Der Kurs ist zweifelsohne gemacht für die Spezialisten im Kampf gegen dir Uhr. Die Länge von lediglich 14 Kilometern sorgt jedoch dafür, dass auch Prologspezialisten oder sogar der eine oder andere Sprinter ein Wörtchen im Kampf um das Gelbe Trikot mitreden können. Martin geht als Top-Favorit ins Rennen, da er seine gesamte Saison auf diesen einen Tag ausgerichtet hat und zudem Weltklassezeitfahrer wie Rohan Dennis (BMC) oder Tom Dumoulin (Sunweb) nicht am Start stehen. Stefan Küng (BMC), Primoz Roglic (LottoNL-Jumbo) und Luke Durbridge (Orica-Scott) sollten die größten Kontrahenten des 32-Jährigen sein.
Vielleicht kann auch Jasha Sütterlin (Movistar) nach seiner starken Vorstellung im Zeitfahren der Deutschen Meisterschaften, in dem er sich Martin nur um 15 Sekunden geschlagen geben musste, für eine Überraschung sorgen. Aber auch Marcel Kittel (Quick-Step Floors) oder Weltmeister Peter Sagan (Bora-hansgrohe) sind zu beachten. Kittel zeigte sich in seiner ehemaligen Spezialdisziplin zuletzt wieder stark verbessert und will in Schlagdistanz bleiben, um auf der 2. Etappe eventuell Gelb übernehmen zu können. Von den Klassementfahrern am stärksten einzuschätzen sind Chris Froome (Sky) und Richie Porte (BMC), allzu große Zeitabstände sind jedoch nicht zu erwarten.