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06.09.2020 | (rsn) - Nach neun, teils sehr schweren Tagen ist der erste Teil der Tour de France 2020 in Laruns spektakulär zu Ende gegangen. Im Gegensatz zu den Vorjahren gab es auch aufgrund des Streckenplans nur wenig Abtasten zwischen den Favoriten, vor allem am Pyrenäen-Wochenende lieferten sich die Kapitäne einen spannenden Schlagabtausch. An dessen Ende schlüpfte Primoz Roglic, erster Anwärter auf den Gesamtsieg, in das Gelbe Trikot.
"Es ist unglaublich, dieses Gelbe Trikot zu tragen. Es ist der Traum von allen, die mit Radsport beginnen. Seit ein paar Tagen musste ich meine Teamkollegen beinahe ein bisschen bremsen. Aber ich habe ihnen gesagt, dass wie dieses Mal um den Etappensieg fahren würden", sagte der Kapitän von Jumbo - Visma nach der 9. Etappe, die er hinter seinem Landsmann Tadej Pogacar (UAE - Team Emirates) auf dem zweiten Platz beendete.
"Am Ende hat zwar Tadej gewonnen, aber es ist dennoch ein sehr schöner Tag für uns. Wir sind erst am Anfang der Tour. Ich bin nur daran interessiert, auch in Paris in Gelb zu sein. Es gibt nicht jeden Tag so eine Möglichkeit wie heute, daher mussten wir sie ergreifen", erzählte der 30-Jährige, der nun mit einem Vorsprung von 21 Sekunden auf den Vorjahressieger Egan Bernal (Ineos Grenadiers) in den ersten Ruhetag geht. Aber klare Abstände brachten die Pyrenäen noch nicht: Die ersten sieben Fahrer des Gesamtklassements liegen innerhalb von 42 Sekunden.
Ein interessanter Fakt dabei ist, dass sie aus gerade einmal drei Nationen stammen. Slowenien mit Roglic und Pogacar, der mit knapp 22 Jahren seine erste Etappe bei der Frankreich-Rundfahrt gewann. Damit verbesserte sich Pogacar auf Rang sieben, wobei er an den beiden vergangenen Tagen die meisten Zeit herausholen, nachdem er auf der Windkante von Castres am Freitag noch 1:21 Minuten verloren hatte.
Auch deshalb war ihm der Tagessieg extrem wichtig: "Das ist echt verrückt. Dieser Sieg kommt nach einem schweren Tag. Ich danke meinen Teamkollegen. Sie haben den ganzen Tag gut gearbeitet. Am Ende wollte ich so viel Zeit für die Gesamtwertung rausholen wie möglich. Auf den letzten 100 Metern habe ich an die zehn Bonussekunden für den Sieger gedacht. Ich habe mich dann voll auf den Sprint konzentriert. Was da genau passiert ist, weiß ich auch nicht. Ich bin einfach Vollgas gefahren“, sagte Pogacar. Mit zwei starken Auftritten in den Pyrenäen könnte er den Rückstand schon halbieren. Gemeinsam mit Roglic und Bernal scheint der Tour-Debütant am Berg der stärkste Fahrer zu sein.
Auch Franzosen und Kolumbianer mischen voll mit
Die überragende Rolle von Ineos hat in diesem Jahr aber Jumbo – Visma übernommen. Wohl auch deshalb gab sich Bernal eher verhalten und stapelte tief: "Die anderen waren schneller als ich. Sie hatten mehr Kraft. Ich bin aber sehr zufrieden mit meinem Resultat. Es gilt zu akzeptieren, dass andere Fahrer schneller sind“, sagte der Ineso-Kapitän, der am Sonntag hinter den beiden Slowenen und Marc Hirschi (Sunweb) zeitgleich Vierter wurde.
Doch Bernal weiß, dass es im Kampf um das Gelbe Trikot nicht nur gilt, Etappen zu gewinnen. "Alles in allem habe ich Selbstvertrauen für die zweite Rennhälfte, vor allem die Alpen, getankt. Im Finale wollte ich unbedingt Zeit auf die Gruppe hinter uns gutmachen, denn da waren sehr starke Fahrer drin. Aber am wichtigsten zu diesem Zeitpunkt des Rennens ist es, ruhig und motiviert zu bleiben und sich gut zu erholen. Ich will das Rennen gewinnen, aber ich muss mit beiden Beinen auf dem Boden bleiben", erklärte der 23-Jährige aus Bogota. Das gelang Bernal gemeinsam mit Pogacar, Roglic und Mikel Landa (Bahrain - McLaren), der Etappenfünfter wurde.
Mit Rigoberto Uran (EF) und Nairo Quintana (Arkèa – Samsic) mischen auch noch zwei erfahrene Bergspezialisten im Kampf um das Gelbe Trikot voll mit. Zwar büßte das Duo heute elf Sekunden auf die Schnellsten ein, aber der Abstand auf das Gelbe Trikot ist äußerst gering. Quintana ist 32 Sekunden hinter Roglic Fünfter vor dem zeitgleichen Uran.
Die beiden Überraschungen in den Top Sieben kommen aus Frankreich. Nach den Rückschlägen für Thibaut Pinot (Groupama – FDJ) und Julian Alaphilippe (Deceuninck – Quick Step), die sich beide schon am ersten Pyrenäentag aus dem Kreis der Favoriten verabschieden mussten, tragen Guillaume Martin (Cofidis) und Romain Bardet (AG2R – La Mondiale) die Hoffnungen der heimischen Fans.
Guillaume Martin und Bardet überraschen
"Ich bin nicht zur Tour gekommen, um hier um das Podium zu kämpfen. Zehn Sekunden hinter diesen großen Namen zu sein, das ist eine gute Leistung. Am letzten Berg war ich nahe dran an den Favoriten", freute sich Martin, der am Vortag sogar einen Angriff auf das Gelbe Trikot versuchte und in Laruns mit elf Sekunden Rückstand Siebter. Gerade einmal 28 Sekunden liegt der Cofidis-Neuzugang als Gesamtdritter hinter Roglic.
Am Sonntag verlor er ein paar Sekunden am Col du Marie-Blanque und fuhr in der zweiten Gruppe mit Quintana, Bardet, Uran sowie dem Trek-Segafredo-Duo Bauke Mollema und Richie Porte über die Ziellinie. "Es ist wahrlich keine Schande, mit diesen Jungs auf einem Level zu sein", kommentierte Martin die Situation. Ein wenig kritischer sah es sein Landsmann Bardet, der selbst schon zweimal auf dem Podium in Paris stand, aber in den letzten Jahren in der Gesamtwertung nicht mehr in den Kampf um das Gelbe Trikot eingreifen konnte.
"Ich war am Limit und hatte nicht das richtige Timing. Deshalb fühle ich mich schulding, aber im Ziel waren es dann nur elf Sekunden, die wir verloren haben. Es wäre gut für die Moral gewesen, vorne dabei zu sein. Aber es war mein bester Tag diese Woche und das stimmt mich optimistisch“, sagte Bardet, der im Gesamtklassement auf Rang vier ist, nur zwei Sekunden von seinem Landsmann getrennt.