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29.06.2022 | Es kann eigentlich nur einen geben. Der Sieger der vergangenen beiden Jahre ist auch der große Favorit auf den Tourgewinn 2022. Oder gibt es doch jemanden, der Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) gefährden kann. Wer sind die schärfsten Kontrahenten des Slowenen und auf welche Fahrer muss man noch achten. Radsport-News.com hat die Favoriten der diesjährigen Frankreich-Rundfahrt beleuchtet und in Sternekategorien eingeordnet - vom Fünf-Stern-Titelverteidiger bis hin zu den Ein-Stern-Außenseitern, alles kurz zusammengefasst.
Fünf Sterne *****
Tadej Pogacar (UAE Team Emirates / 23 Jahre / 3. Teilnahme)
Zwei Mal nahm der Slowene an der Frankreich-Rundfahrt teil, zwei Mal beendete er sie als Sieger. Beim ersten Mal noch etwas überraschend und nur knapp vor seinem Landsmann Primoz Rogic (Jumbo – Visma), waren die Abstände im letzten Jahr schon deutlicher. Auch in diesem Jahr verspricht die Tour zu einer eindeutigen Angelegenheit zu werden. Zu überzeugend waren die Auftritte von Pogacar in diesem Jahr. Die Generalprobe bei der Slowenien-Rundfahrt gewann er souverän, auch wenn die Konkurrenz dort eher zweitklassig war. Auch sein Team für die Berge dürfte eines der stärksten sein mit Rafal Majka, George Bennett, Marc Soler und Brandon McNulty. Auf der Kopfsteinpflasteretappe wird ihn Matteo Trentin beschützen - wenn dies überhaupt nötig ist. Denn Pogacar kann alles – auch Kopfsteinpflaster, wie er in diesem Frühjahr eindrucksvoll zeigte. Alles andere als ein Gesamtsieg wäre eine große Überraschung
Vier Sterne ****
Primoz Roglic (Jumbo – Visma / 32 Jahre / 5. Teilnahme)
Wie in den vergangenen Jahren auch wird Roglic der große Rivale seines Landsmanns sein. Der Slowene war 2020 nur eine Etappe vom Toursieg entfernt, der ihm dann noch von Pogacar entrissen wurde. Im letzten Jahr musste er nach Stürzen früh die Segel streichen. In diesem Jahr will der dreifache Vueltasieger endlich auch bei der Frankreich-Rundfahrt ganz oben stehen, doch nicht nur gegen Pogacar wird es schwer werden sich durchzusetzen. Denn mit dem Vorjahreszweiten Jonas Vingegaard sitzt dem Jumbo-Kapitän auch noch teaminterne Konkurrenz im Nacken. Das Critérium du Dauphiné gewann Roglic zwar von seinem Teamkollegen, doch gerade auf den Bergetappen hatte man den Eindruck, dass der Däne eigentlich schneller fahren könnte. Der Team-Support wird bei Jumbo – Visma definitiv passen. Für das Hochgebirge stehen neben Vingegaard noch Sepp Kuss und Steven Kruijswijk parat, auch Wout Van Aert könnte hier gegebenenfalls aushelfen. Van Aert wird neben Christophe Laporte und Nathan Van Hooydonck auch auf der Kopfsteinpflasteretappe gefragt sein.
Jonas Vingegaard (Jumbo – Visma / 25 Jahre / 2. Teilnahme)
Der Däne war im letzten Jahr mit seinem zweiten Gesamtrang die große Überraschung der Tour. Damals bekam er nach dem Aus von Roglic freie Fahrt, in diesem Jahr darf man gespannt sein, ob sich Vingegaard für seinen erfahrenen Kapitän aufopfern muss oder ob die Teamleitung ihm eine komplett freie Rolle zuteilt. Seine starke Form hat Vingegaard mit Platz zwei beim Critérium du Dauphiné unter Beweis gestellt, als er als Edelhelfer noch souveräner Gesamtzweiter wurde. Wichtig dürfte es für den Dänen gut durch die ersten hektischen Etappen zu kommen, auch in den beiden Zeitfahren muss er seinen Rückstand in Grenzen halten. In den Bergen dürfte dann viel möglich sein.
Drei Sterne ***
Aleksander Vlasov (Bora – hansgrohe / 26 Jahre / 1. Teilnahme)
Der Russe hat seinem Wechsel zu Bora – hansgrohe einen großen Entwicklungssprung hingelegt und sich zu einem der besten Rundfahrer im Peloton entwickelt. Wenn der 26-Jährige seine Corona-Erkrankung, die ihn bei der Tour de Suisse als Gesamtführender zur Aufgabe zwang, gut überstanden hat, ist er ein ernsthafter Anwärter auf das Tour-Podium. Im Zeitfahren kommt der 26-Jährige noch nicht an Pogacar und Roglic ran, hat sich aber auch dort verbessert. Mit Felix Großschartner, Lennard Kämna, Maximilian Schachmann und Patrick Konrad hat er ein starkes Helferquartett an seiner Seite, über das Kopfsteinpflaster werden ihn Nils Politt, Marco Haller und Danny van Poppel pilotieren. Die große Frage blei Vlasov wird indes sein: Kann er sich auch über drei Wochen konstant an der Spitze behaupten. Bisher zeigt er vor allem bei einwöchigen Rundfahrten auf – bei seinen vier Grandtour-Starts verpasste er bisher immer den Sprung auf das Podium, auch wenn er im letzten Jahr beim Giro zumindest als Vierter nahe dran war.
Geraint Thomas (Ineos – Grenadiers / 36 Jahre / 12. Teilnahme)
Der Waliser ist der Routinier unter den Podiumskandidaten. Nach seinem Toursieg 2018 und dem zweiten Rang im Jahr darauf wurde es ruhig um den 36-Jährigen, doch in diesem Jahr erlebte Thomas seinen zweiten Frühling. Vor allem zur Tour de Suisse hin legte der langjährige Ineos-Profi nochmal eine Schippe drauf und sicherte sich – auch bedingt durch zahlreiche Corona-Ausstiege – nach einer konstanten Fahrweise in den Bergen und einem starken Abschlusszeitfahren den Gesamtsieg. Neben der Erfahrung und der guten Form sprechen einige Punkte für Thomas. So hat er seinen Tour-Sieg in der Tasche, niemand erwartet von ihm, dass er zwingend bei der Tour auf das Podium muss, entsprechend kann er ganz ohne Druck ins Rennen gehen. Dazu ist er ein starker Zeitfahrer und auch über das Kopfsteinpflaster bewegt er sich ordentlich. Mit Daniel Martinez hat er einen Helfer, der aber auch selbst die Kapitänsrolle in Anspruch nehmen könnte und Adam Yates, Dylan van Baarle, Filippo Ganna und Tom Pidcock sind große Namen, die als Domestiken an seiner Seite fungieren könnten.
Daniel Martinez (Ineos – Grenadiers / 26 Jahre / 3. Teilnahme)
Der Kolumbianer fuhr in diesem Jahr äußerst konstant bei den Rundfahrten Spitzenresultate ein. Bei der Algarve-Rundfahrt und Paris-Nizza landete er auf dem Podium, bei der Baskenland-Rundfahrt feierte er den Gesamtsieg und die Tour de Suisse schloss er zuletzt auf Rang acht ab. Auch wenn es in der Schweiz hätte besser laufen können, so wird Martinez bei der Tour einer der besten Bergfahrer sein. Was ihm Sorgen machen könnte, ist die stressige erste Tourwoche mit möglichen Windkanten und Kopfsteinpflasterpassagen. Das ist nicht die Welt des 26-Jährigen. Und auch in den Zeitfahren steht er etwas hinter seinen Rivalen zurück. Dass er gute Leistungen auch über drei Wochen bringen kann, bewies Martinez indes erstmals im letzten Jahr, als er Fünfter beim Giro wurde.
Enric Mas (Movistar / 27 Jahre / 4. Teilnahme)
Nach zwei zweiten Plätzen bei der Vuelta soll es für den Spanier nun auch erstmals bei der Tour auf das Podium gehen. In den letzten beiden Jahren belegte er die Plätze fünf und sechs, war also in Schlagdistanz. Angesichts der starken Konkurrenz und der Streckenführung wird es allerdings ein hartes Unterfangen, das Ziel zu erreichen. Mas selbst dürfte zu den schlechteren Zeitfahrern unter den Klassementaspiranten gehören und auch die hektische erste Woche mit Wind und Kopfsteinpflaster dürfte nicht nach seinem Geschmack sein. Am Berg ist er keiner der, den anderen mit seinen Antritten davon fährt, dafür fährt er sehr konstant und hat praktisch nie einen schlechten Tag. Mit dieser Konstant und einem ordentlichen Team an seiner Seite könnte es am Ende auf eine ähnliche Platzierung wie in den Vorjahren hinauslaufen. Die Generalprobe beim Criterium du Dauphiné, wo er ohne Top-Platzierung vorzeitig ausstieg, gab jedenfalls keinen Anlass zur Euphorie.
Zwei Sterne **:
Jack Haig (Bahrain Victorious), Ben O`Connor (AG2R Citroen), David Gaudu (Groupama – FDJ), Nairo Quintana (Arkéa Samsic), Rigoberto Uran (EF Education – Easy Post), Adam Yates (Ineos – Grenadiers)
Ein Stern *:
Damiano Caruso (Bahrain Victorious), Romain Bardet (DSM), Guillaume Martin (Cofidis), Jakob Fuglsang (Israel – PremierTech), Louis Meintjes (Intermarché – Wanty Gobert), Pierre Latour (TotalEnergies), Giulio Ciccone (Trek – Segafredo)