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13.07.2022 | (rsn) – Vor dem Start der 10. Tour-Etappe deutete nicht viel darauf hin, dass Team EF Education – EasyPost einige Stunden später würde jubeln können. In der Anfahrt nach Morzine, wo das Rennen gestartet wurde, setzte sich der Bus in einer Kurve fest und hielt einen Großteil der Karawane auf. Zahlreiche Fahrer mussten auf ihren Rädern die letzten Meter nach Morzine absolvieren, wo der Parkplatz mit den Teamfahrzeugen dann auch halbleer war.
“Beim Frühstück im Hotel auf der Terrasse hat sich ein Vogel über mir entleert und danach sind wir mit dem Bus noch in einer Kehre steckengeblieben. Da dachte ich, heute muss es ja klappen bei dem Pech am Morgen“, berichtete trocken Sportdirektor Tom Southam in Megéve, kurz nachdem dort nach 148 Kilometern sein Fahrer Magnus Cort den Australier Nick Schultz (BikeExchange) im Bergauf-Sprintduell regelrecht niedergerungen und den heiß ersehnten Etappensieg bei dieser 109. Frankreich-Rundfahrt errungen hatte.
Dabei deutete am Flugfeld von Megéve, wo das Rennen mit einem insgesamt 19 Kilometer langen Anstieg endete, bis wenige Meter vor dem Ziel nichts darauf hin, dass der Däne sich den zweiten Tour-Tagessieg seiner Karriere noch würde schnappen können. Cort hing am Ende einer Verfolgergruppe, während weiter vorn Schultz, Luis Leon Sanchez (Bahrain Victorious), Matteo Jorgenson (Movistar) und Paris-Roubaix-Sieger Dylan van Baarle (Ineos Grenadiers) um den Sieg kämpften.
Auf den letzten Metern wusste Cort, “dass der Sieg mir gehört“
Doch 400 Meter vor dem Ziel kam die Gruppe noch an das zaudernde Quartett heran, so dass Cort von letzter Stelle aus noch an allen seinen Konkurrenten vorbeisprinten und auch Schultz, mit Tigersprung bezwingen konnte. “Es ist unglaublich. Ich kann gar nicht glauben, was heute passiert ist. Ich war an diesem Anstieg so lange am Limit. (Alberto) Bettiol war wirklich stark und fuhr lange an der Spitze, darum konnte ich sitzenbleiben und Energie sparen. Ein paar Mal habe ich den Kontakt zur Gruppe auf den letzten Kilometern verloren. Zum Glück lief alles wieder zusammen. Als wir auf die letzten Meter kamen, sah ich die Tour-Schilder und wusste, dass der Sieg mir gehört“, beschrieb Cort das packende Finale, in dem ihm sein Teamkollege Alberto Bettiol indirekt den Weg geebnet hatte.
Nachdem sich der Italiener nämlich bereits im Tal aus der 25-köpfigen Gruppe des Tages abgesetzt hatte, dann aber im Schlussanstieg wieder gestellt worden war, griff er erneut an und profitierte dabei auch von der Uneinigkeit unter den Ausreißern, bei denen alle auf den um das Gelbe Trikot kämpfenden Lennard Kämna (Bora – hansgrohe) schauten. Der Bremer übernahm zwar die Verantwortung, doch davon profitierte eben auch der sprintstarke Cort, der sich nicht abschütteln ließ.
“Wenn die Gruppe so groß ist, ist man sich oft nicht einig. Darum habe ich immer wieder attackiert“, begründete Bettiol seine Angriffe. “Ich dachte, jemand würde sich mir im Anstieg anschließen, aber es kam niemand. Da habe ich mich entschlossen, so schnell zu fahren, wie ich konnte. Außerdem dachte ich mir, dass Magnus von meiner Arbeit profitieren könnte. Darum bin ich echt froh, dass wir uns für die Arbeit belohnt haben und sich meine Anstrengungen ausgezahlt haben. Magnus hat den Sieg verdient. Heute Abend muss er mir ein Bier ausgeben“, grinste der Gewinner der Flandern-Rundfahrt 2019 im Ziel in Megéves.
EF war froh, dass Cort das Bergtrikot los war
Das konnte sich auch Sportdirektor Southam für die clevere Team-Taktik genehmigen – schließlich ging der Rennplan auf der 10. Etappe voll auf. “Alberto und Magnus wollten wir heute unbedingt in der Gruppe haben, das wurde auch im Bus so besprochen. Ich denke, jedes Team hätte gerne solche Fahrer heute vorne gehabt. Mit ihnen hast du viele Optionen und für uns das hat super funktioniert“, sagte der 41-jährige Brite. “Und als Magnus (auf den letzten Metern) so knapp dran war, wusste ich, dass er das schaffen kann. Er ist ein Siegertyp und noch nicht geschlagen, auch wenn ihm auf dem letzten Kilometer noch einige Sekunden gefehlt haben.“
Schließlich sorgte Cort dann doch für großes Durchtamen bei seinem Team, für das es in der ersten Hälfte der Tour de France nicht nach Wunsch lief, auch wenn der Däne beim Grand Départ vor heimischem Publikum das Bergtrikot erobert hatte und es bis zum neunten Teilstück verteidigte. Dafür allerdings handelte sich Klassementfahrer Rigoberto Uran bereits frühzeitig Rückstand ein und spielt auch im Gesamtklassement mit 9:40 Minuten Rückstand auf das Gelbe Trikot nach der 10. Etappe keine Rolle mehr.
"Wir waren froh, dass wir Magnus aus dem Bergtrikot raus hatten und dass er nun endlich auf eine Etappe gehen konnte. Wenn du vor dem Ruhetag schon eine Etappe gewinnst, dann kannst du das viel gelassener angehen. Wir waren in der ersten Woche knapp dran, darum war es wichtig, gleich heute ein Zeichen zu setzen“, erklärte Southam, weshalb er sich über den Verlust des Gepunkteten Trikots sogar gefreut hatte.
Ähnliches galt für den Etappensieger, der endlich freie Fahrt hatte, nachdem Simon Geschke (Cofidis) ihm das Bergtrikot in Chatel abgenommen hatte. “Für einen Fahrer wie mich gibt es nichts Größeres als solch einen Sieg. Das ist das, was ich hier, beim größten Radrennen der Welt, erreichen kann“, sagte der 28-jährige Cort, der sich auf den beiden schweren Alpenetappen im Feld verstecken wird und dann auf weitere Ausreißerchancen hofft – etwa am Freitag, wenn die 13. Etappe über hügeliges Terrain nach Saint-Etienne führt.