RSNplusSieben Antworten der Ardennen-Woche

Jumbo verblasst, Vollering dominiert und Evenepoel rettet das Frühjahr

Von Felix Mattis

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Tadej Pogacar (UAE Team Emirates, links) und Remco Evenepoel (Soudal - Quick-Step, rechts) dominierten in den Ardennen. | Foto: Cor Vos

24.04.2023  |  (rsn) – Mit den Ardennenklassikern standen in der vergangenen Woche die letzten drei großen Eintagesrennen des Frühjahrs auf dem Programm, bevor sich der Fokus der Radsportwelt auf die Rundfahrten richtet. Das Amstel Gold Race, der Flèche Wallonne und Lüttich-Bastogne-Lüttich (alle 1.UWT bzw. 1.WWT) wurden allesamt von klaren Siegen durch Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) und Remco Evenepoel (Soudal - Quick-Step) sowie Demi Vollering (SD Worx) geprägt.

Doch sie boten noch weitere interessante Geschichten. Beispielsweise verblasste das bei den flämischen Rennen so dominante Jumbo - Visma in den wallonischen Hügeln total, dagegen rettete Evenepoel Soudal - Quick-Step das Frühjahr und die Deutschen vielen in erster Linie als Ausreißer sowie durch Liane Lippert (Movistar) auf.

radsport-news.com hatte zu Wochenbeginn sieben Fragen an die Ardennen-Rennen gestellt - hier sind die Antworten:

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1. Kann Pogacar das Ardennen-Triple gewinnen?

Ja, kann er bestimmt. Nur eben nicht in diesem Jahr. Die Explosion beider Reifen von Mikkel Honoré (EF Education - EasyPost) machte den Traum vom Ardennen-Triple für Tadej Pogacar rund 170 Kilometer vor dem Ziel von Lüttich-Bastogne-Lüttich zunichte.

Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) gewann das Amstel Gold Race und den Flèche Wallonne dominant, bevor er sich bei Lüttich-Bastogne-Lüttich das Handgelenk brach. | Foto: Cor Vos

Bis dahin aber schien sich der Slowene durchaus in die Reihe mit Davide Rebellin (2004) und Philippe Gilbert (2011) als Triple-Gewinner einreihen zu können. Denn seine Siege beim Amstel Gold Race und dem Flèche Wallonne waren ähnlich überlegen, wie der von Evenepoel schließlich in Lüttich. Das direkte Duell bekamen die Fans nicht zu sehen und so weiß niemand, wie es ausgegangen wäre. Aber es wäre wohl sehr spannend geworden.

2. Ohne Van Aert, Roglic und Vingegaard: Wer holt für Jumbo – Visma die Kohlen aus dem Feuer?

Niemand so wirklich. Denn das überragende Team des Frühjahrs und vor allem der flämischen Klassiker reist aus den Ardennen mit einer sehr mageren Ausbeute ab: Zwei siebte Plätze von Tiesj Benoot beim Flèche und in Lüttich sowie sein 15. Platz beim Amstel Gold Race und Rang elf von Attila Valter beim Flèche waren alles, was die Gelbschwarzen mitnehmen konnten. Für viele Teams wäre das ordentlich gewesen, für Jumbo - Visma aber eine Enttäuschung – auch wenn man in Abwesenheit von van Aert, Roglic und Vingegaard sowie eben auch Dylan van Baarle oder Fahrern wie Sepp Kuss oder Tobias Foss, die Roglic beim Giro unterstützen sollen, schon damit rechnen musste.

Tiesj Benoot (Jumbo - Visma) war in den Ardennen auf ziemlich verlorenem Posten, nachdem sein Team bei den flämischen Rennen so dominierte. | Foto: Cor Vos

3. Nach blassen Kopfsteinpflaster-Auftritten: Kann Soudal – Quick-Step wenigstens noch in den Ardennen glänzen?

Ende gut, alles gut: Um um Remco Evenepoel ein Rundfahrt-Team zu formen, hat sich Patrick Lefeveres Mannschaft in den vergangenen Jahren etwas von seiner alten Identität als Team für die Kopfsteinpflaster-Klassiker wegorientiert. Im März und Anfang April fehlten daher schon 2022 die großen Siege und so ging es auch 2023 weiter. Doch mit der Triumphfahrt von Evenepoel am Sonntag bei Lüttich-Bastogne-Lüttich konnte man diese Wunden – genau wie im Vorjahr – auf einen Schlag heilen.

Gefallen musste Lefevere dabei auch, wie dominant seine ganze Mannschaft den Tag gestaltete und das Peloton kontrollierte. Besonders stark war dabei Youngster Ilan van Wilder, der am Mittwoch bereits 14. des Flèche Wallonne wurde. Hinzu kam ein siebter Platz von Andrea Bagioli beim Amstel Gold Race. Etwas mehr hätte man sich vor 'La Doyenne' aber wohl schon gewünscht.

Deshalb: Ja, Evenepoel hat das Frühjahr für Lefevere gerettet, doch das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass das 'Wolfpack' inzwischen deutlich abhängiger von einem Superstar ist als zu seinen besten Zeiten als Rudel aus lauter Siegfahrern.

Ilan van Wilder (rechts) und das ganze Team Soudal - Quick-Step dominierten Lüttich-Bastogne-Lüttich bevor Remco Evenepoel zum Solo ansetzte und die Vorarbeit vergoldete. | Foto: Cor Vos

4. Haben die Sprinter in den Ardennen eine Chance?

Die Frage war kühn - schien es. Und die Antwort ist eindeutig - scheint es: Nein! Doch das gilt nur für die Männer. Denn während bei ihnen niemand auch nur in die Nähe der Top 10 bei Amstel, Flèche oder in Lüttich gekommen ist, der im Verdacht stünde, bei einem Massensprint Siegchancen zu haben, so sah das bei den Frauen beim Amstel Gold Race doch etwas anders aus. Sicher: Lotte Kopecky (SD Worx), die dort Zweite wurde, ist keine lupenreine Sprinterin, sondern mehr und mehr Klassiker-Spezialistin. Doch die Belgierin kann durchaus Massensprints gewinnen, wenn ihre Teamkollegin Lorena Wiebes nicht am Start steht.

Ganz so eindeutig mit 'Nein' zu beantworten, wie man wohl meinen würde, ist die Frage also doch nicht. Trotzdem ist klar: Sprinter machen zurecht einen großen Bogen um die Ardennen, denn die meisten von ihnen haben hier tatsächlich nichts zu melden.

5. Können die Deutschen vordere Platzierungen einfahren?

Das Drama um Maximilian Schachmann (Bora - hansgrohe) geht weiter: Auf Amstel Gold Race und Flèche Wallonne verzichtete der ehemalige Amstel- und Lüttich-Dritte zugunsten der Tour of the Alps, um dann bei Lüttich-Bastogne-Lüttich stärker zu sein. Doch anstatt bei 'La Doyenne' aufzutrumpfen, musste Schachmann dann die nächste gesundheitsbedingte Zwangspause einlegen. Wie lange er ausfällt, ist noch ungewiss.

In seiner Abwesenheit war, wie erwartet, Georg Zimmermann (Intermarché - Circus - Wanty) in den Ardennen der stärkste Deutsche. Doch der 25-jährige Augsburger glänzte weniger durch gute Ergebnisse als durch wiederholte Auftritte in den Ausreißergruppen. In der Endabrechnung kam bei allen drei Männerrennen kein Deutscher unter die Top 40: Beim Amstel Gold Race war Zimmermann 49., beim Flèche Wallonne Jason Osborne (Alpecin - Deceuninck) 41. und bei Lüttich-Bastogne-Lüttich, wo Zimmermann und Osborne in der Ausreißergruppe fuhren, kam Michel Heßmann (Jumbo - Visma) am Ende auf den 41. Platz.

Liane Lippert (Movistar) fuhr beim Flèche Wallonne hinter Demi Vollering (SD Worx) auf den zweiten Platz. | Foto: Cor Vos

Viel besser lief es da, wie ebenfalls nicht anders zu erwarten, bei den Frauen. Liane Lippert (Movistar) wurde 15. beim Amstel, Zweite beim Flèche und Achte in Lüttich. Dabei präsentierte sie sich gerade beim Amstel Gold Race, als sie am Cauberg die Stärkste war, bis Siegerin Demi Vollering (SD Worx) über die Kuppe attackierte und davonflog, sogar deutlich besser, als der 15. Rang erahnen ließ. In Lüttich hatte sie an La Redoute zwar etwas Probleme, machte danach aber nochmal sehr gute und wichtige Arbeit für Titelverteidigerin Annemiek van Vleuten.

6. Kommt van Vleuten in ihrem letzten Profi-Jahr nochmal in die Gänge?

Einem Sieg läuft Annemiek van Vleuten im Jahr 2023 noch immer hinterher. Auch in der Ardennen-Woche gelang ihr das nicht. In den Augen vieler hat die 40-jährige Weltmeisterin ihren Zenit im Winter überschritten. Sie selbst, und das betonte sie auch im Vorjahr nach den großen Klassikern bereits, als sie noch regelmäßig auf dem Podium stand, aber nur in Lüttich siegte, erklärt sich das eher mit der immer höher werdenden Leistungsdichte an der Weltspitze.

Gerade in den explosiveren Klassikerrennen tut sich die an langen Anstiegen bislang unschlagbare van Vleuten gegen die junge Garde zunehmend schwerer. Doch im Winter hatte die Niederländerin auch klar gemacht: Ihr großes Ziel in ihrer letzten Profi-Saison ist erneut das 2022 gelungene Triple aus Vuelta a Espana, Giro d'Italia und Tour de France. Da die Vuelta vom September in den Mai vorgerückt ist, bedeutet das einen etwas anderen Formaufbau im Frühjahr: Van Vleuten braucht Top-Form im Mai und im Juli, denn in diesen zwei Monaten werden alle drei großen Rundfahrten absolviert.

Über ihre Leistungsfähigkeit zu richten, sollte man sich also nicht vor der ersten Mai-Woche erlauben. Mit den Plätzen elf, sieben und sechs in der Ardennen-Woche zeigt die Formkurve jedenfalls auch rein ergebnistechnisch in die richtige Richtung.

Annemiek van Vleuten (Movistar) und ihre Generation Ü35 darf man nach den Ardennen noch immer nicht abschreiben. | Foto: Cor Vos

7. Übernimmt die jüngere Generation endgültig das Kommando?

Für die Männer ist diese Frage klar mit einem 'Ja' zu beantworten. Mikel Landa (Bahrain Victorious) war als Dritter beim Flèche am Mittwoch mit seinen 33 Jahren der einzige Fahrer, der in den Ardennen einen Podestplatz erkämpfte und älter als 24 ist. Der Generationswechsel, der inzwischen seit drei bis vier Jahren zu beobachten ist, hat auch bei den schweren Klassikern endgültig stattgefunden.

Doch wir stellten die Frage vor einer Woche vor allem mit Blick auf die Frauen und da fällt die Antwort weniger eindeutig aus. Denn auch wenn auch dort von den neun Podestplatzierten lediglich Elisa Longo Borghini (Trek - Segafredo) und Marlen Reusser (SD Worx) als Zweite und Dritte in Lüttich über 30 sind, waren auch nur zwei echte Youngster auf den Podien: Shirin van Anrooij (Trek - Segafredo) als Dritte beim Amstel und ihre Teamkollegin Gaia Realini als Dritte beim Flèche – beide 21 Jahre alt. Der Großteil der Spitzenfahrerinnen in den Ardennen war zwischen 25 und 30 Jahre alt, aber mit van Vleuten (40), Ashleigh Moolman-Pasio (AG Insurance - Soudal - Quick-Step / 37) und Mavi Garcia (UAE Team ADQ / 39) fuhren auch die Oldies noch Top-Resultate ein.

Das Frauen-Peloton ist in der Altersstruktur an seiner Spitze also deutlich heterogener als das der Männer.

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