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08.09.2023 | (rsn) – Auf dem großen Markt in Leuven, zwischen der Sint-Pieterskerk und dem alten Rathaus herrschte allerbeste Stimmung: Die belgischen Fans feierten den Triumph ihrer Straßen-Weltmeisterin Lotte Kopecky (SD Worx) im 7,2 Kilometer langen Einzelzeitfahren auf der 2. Etappe der Simac Ladies Tour (2.WWT). Bestens besucht war der Platz inmitten beeindruckender, historischer Gebäude im Zentrum der WM-Stadt von 2021. Und mit der Zeitfahrmeisterin hatte nach dem Geschmack der Einheimischen natürlich genau die Richtige den Sieg davongetragen.
Doch nicht nur die Fans, auch Rundfahrtchef Thijs Rondhuis freute der Erfolg der 27-jährigen Belgierin. Denn für den Niederländer war das Gastspiel seines Rennens, das einst Holland Ladies Tour hieß, im Nachbarland Belgien möglicherweise der erste Schritt in die Zukunft.
Informationen von radsport-news.com zufolge könnte aus dem einst niederländischen Etappenrennen in nicht allzu ferner Zukunft eine Rundfahrt durch die gesamte BeNeLux-Region werden. Und was könnte die Entscheidungsträger in Leuven von einer Rückkehr des Rennens besser überzeugen als ein durch Kopeckys Erfolg in bester Stimmung ausklingender Nachmittag?
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So viele Zuschauer wie in Leuven gibt es bei der Simac Ladies Tour bei der Siegerehrung nur selten. | Foto: Imago
Dass es Radrennen in der Niederlande durch neue Gesetzgebungen und strengere Richtlinien der Behörden zunehmend schwerer haben, ist kein Geheimnis. Beispielsweise wurde unlängst der Anspruch auf Polizei-Motorräder bei Radrennen heruntergeschraubt. In Belgien dagegen ist die Öffentliche Hand großzügiger.
Für das mittelfristige Ziel, mehr Etappen im Nachbarland Belgien und vielleicht sogar bald eine in Luxemburg abhalten zu können, war der Ausflug nach Leuven am Donnerstag ein wichtiger Schritt. Dem musste logistisch viel untergeordnet werden, wie vor allem der Tour-Tross dieser Tage schmerzlich zu spüren bekommt.
"Wenn man mit dem Sieg heimfährt, ist es das natürlich wert. Aber ja, man muss schon sagen, dass die Transfers diese Woche ziemlich verrückt sind. Wir fahren vom Rand Hollands nach Belgien und zurück – es ist viel Reiserei…", bestätigte Kopecky in Leuven, dass die Anstrengungen abseits des Rennfahrens bei der 25. Auflage der Ladies Tour besonders hoch sind – und das nicht nur wegen der hohen Temperaturen von über 30 Grad.
Knapp 1.000 Kilometer sind in dieser Woche allein zwischen den Zielorten der Etappen und dem jeweils nächsten Startort zurückzulegen. Wer die Deutschland Tour der Männer im August bereits anstrengend fand, der sollte besser nicht in die Niederlande gereist sein.
Vom Prolog in Ede bei Arnheim ging es für die 1. Etappe ins 65 Kilometer entfernte Gennep – soweit so angenehm. Doch für das 7-km-Zeitfahren von Leuven folgten 190 Kilometer gen Süden und zur 3. Etappe am Ijsselmeer am Freitag stehen nochmal 275 Kilometer an – nach Norden. Danach geht es wieder gen Süden zurück in die Region Limburg nach Valkenburg (270 Kilometer) und schließlich am Sonntag nochmal 170 Kilometer nach Norden nach Arnheim zum Start der Schlussetappe – nur 15 Kilometer entfernt von Ede, dem Austragungsort des Prologs fünf Tage zuvor.
Einen Tag vor dem Zeitfahrsieg von Straßen-Weltmeisterin Lotte Kopecky gewann in Gennep die Straßen-Weltmeisterin von 2021, Elisa Balsamo (Lidl - Trek, 2. von links) | Foto: Imago
Das aber sind nur die Kilometer auf direktem Weg zwischen den Etappenorten. Für die Teams wurde es in den vergangenen Tagen regelrecht aberwitzig: Sie reisten, auch dank Stau, bis zu drei Stunden zum Zeitfahren nach Leuven an, um danach nochmal zwei Stunden zurück zu fahren. Doch nicht nur der Donnerstag war speziell: Teilweise passen die Hotels in dieser Woche absolut nicht zu den Etappenorten.
So schlief etwa das Team Canyon – SRAM vor dem Prolog von Ede ganz in der Nähe vom Start- und Zielort der 1. Etappe, Gennep, musste nach dem Prolog dann aber eine gute Stunde weiter gen Süden nach Leende reisen, nur um tagsdrauf wieder zur Etappe nach Gennep zu fahren. Das ist nur eines von zahlreichen Beispielen.
Für die Teams kommen im Verlauf der Woche durch die Lage der vom Veranstalter zu stellenden Hotels also deutlich mehr als die oben erwähnten und ohnehin schon verrückten 1.000 Kilometer zusammen. Das sorgte an den ersten Tagen der Rundfahrt bereits für schweren Unmut und großes Unverständnis.
Rennchef Rondhuis erklärte radsport-news.com nun aber, wie die schwer nachvollziehbare Aneinanderreihung der kreuz und quer durch die Niederlande führenden Verbindungsstücke zwischen den Etappen und auch die Hotelanordnungen zustande kamen.
Annemiek van Vleuten (Movistar) gibt bei der Simac Ladies Tour ihre Abschiedsvorstellung als Radprofi - und auch sonst ist das Rennen 2023 mit Tour-Siegerin Demi Vollering (SD Worx), den drei besten Sprinterinnen der Welt und Weltmeisterin Lotte Kopecky bestens besetzt. | Foto: Imago
"Eigentlich wollten wir in Leuven starten", so der 46-Jährige. Demnach sei der Ursprungsplan gewesen, in der belgischen Stadt mit einem Zeitfahren zu beginnen, danach nach Valkenburg für die schwere Etappe durch die Limburger Hügel zu reisen, dann Gennep anzusteuern und anschließend die am Freitag anstehende Ijselmeer-Etappe nach Lelystad sowie am Schlusswochenende Ede und Arnheim zu besuchen. Dementsprechend wurden die Hotels gebucht.
"Hotels, die die Anforderungen für unser Rennen erfüllen, mit den nötigen Parkmöglichkeiten, Zimmern mit zwei Einzelbetten und genug Platz, muss man bei uns in den Niederlanden acht oder neun Monate im voraus buchen – gerade jetzt, wo noch Urlaubszeit bei uns ist", erklärte er. Der Plan stand, die Hotels waren gebucht und dann kam aus Leuven eine Änderung: Die Etappe in der WM-Stadt von 2021 konnte nicht am angedachten Dienstag, sondern nur am Donnerstag ausgetragen werden, so Rondhuis. So kam ein Domino-Effekt zustande und der gesamte Etappenplan musste neu zusammengesetzt werden.
Für das kommende Jahr, das versprach der Niederländer bereits, sei die Situation besser. Da die Simac Ladies Tour dann in den Oktober (8.-13.) rückt, geht man den niederländischen Hotel-Engpässen im Sommer aus dem Weg. Außerdem stünden bereits vier Etappenorte für 2024 fest, mit weiteren sei Rondhuis bereits im engen Gespräch.
Spannend wird im kommenden Jahr aber, wie viele Spitzenfahrerinnen nach einer langen Olympia-Saison und der WM von Zürich Ende September noch zur Traditionsrundfahrt in die Niederlande reisen. Bislang war die ein wichtiger Bestandteil der WM- oder in diesem Jahr der EM-Vorbereitung. Das wird sich dann ebenfalls ändern.