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10.02.2024 | (rsn) – K.o., aber mit einem Lächeln im Gesicht rollte Ricarda Bauernfeind bei der Bergankunft am 1.025 Meter hohen Jebel Hafeet am Ende der 3. Etappe der UAE Tour Women (2.WWT) durch den Zielbereich. Auch wenn die Eichstätterin mit ihrem eigenen Ergebnis, dem zehnten Platz, nicht ganz zufrieden war, so konnte sie sich sehr über das Ergebnis ihrer 21-jährigen Teamkollegin aus Australien freuen:
Neve Bradbury hätte an der 10,8 Kilometer langen und im Schnitt 5,4 Prozent steilen Schlussrampe beinahe ihren ersten Profisieg gefeiert und dabei sehr prominente Konkurrenz bezwungen – beinahe. Am Ende musste sich der Youngster vom deutschen Team Canyon – SRAM doch noch Weltmeisterin Lotte Kopecky (SD Worx – Protime) geschlagen geben.
"Im ersten Moment ist man natürlich ein bisschen enttäuscht, wenn man es mit letztem Jahr vergleicht und wenn man sieht, welche Leute noch vorne waren und wie man letztes Jahr gefahren ist. Aber ich denke es ist erst Februar und insgesamt kann ich mit dem zehnten Platz trotzdem zufrieden sein – und auch mit Neve auf dem Podium ist das natürlich ein super Ergebnis und ein super Tag fürs Team", fasste Bauernfeind im Gespräch mit radsport-news.com zusammen. ___STEADY_PAYWALL___
Da nach Bradbury und Bauernfeind auch die Polin Agnieszka Skalniak-Sojka noch als 19. ins Ziel kam, war Canyon – SRAM das beste Team des Tages und übernahm auch die Führung in der Teamwertung der viertägigen WorldTour-Rundfahrt in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Doch das war nur eine Randnotiz. Die Geschichte des Tages war der Auftritt des Youngsters aus Down Under, der 2020 die Zwift Academy gewann und daraufhin in der Saison 2021 Radprofi bei Canyon - SRAM wurde.
Neve Bradbury während ihrem Solo am Jebel Hafeet. | Foto: Cor Vos
Die 21-jährige Bradbury hatte knapp drei Kilometer vor dem Ziel in einer der steilsten Rampen des Jebel Hafeet eine harte Attacke aus der da schon nur noch vier Frauen umfassenden Spitzengruppe geritten und sehr schnell knapp 15 Sekunden Vorsprung herausgefahren. Als es dann aber flacher wurde, setzte Kopecky von hinten nach und knabberte Sekunde um Sekunde wieder ab, um 700 Meter vor Schluss – noch gerade so kurz vor der kurzen Abfahrt am Gipfel – doch noch zu Bradbury aufzuschließen.
Die Australierin reagierte sofort, nahm Tempo heraus und schwenkte nach rechts rüber, um Kopecky in die Führung zu zwingen – eine Entscheidung übrigens, die der Youngster wie ein alter Hase intuitiv selbst traf, ohne Ansage über den Teamfunk.
"Ich hatte es erwartet, um ehrlich zu sein. Ich dachte vielleicht würde sie warten, um dann auf dem flacheren Teil loszulegen und zu mir vor zu kommen", sagte Bradbury radsport-news.com im Ziel und schilderte den Moment, als ihr der mögliche erste Profisieg doch noch aus den Händen glitt. "Als sie dann da war hätte ich auch einfach weiterfahren können, aber ich sah, dass die Dritte eine ordentliche Lücke hatte. Also dachte ich mir, dass ich mich auch ans Hinterrad setzen kann. Sie ist die stärkste Fahrerin, sie sollte auch vorne fahren."
Das tat die Belgierin auch und so fuhr Bradbury im Windschatten die kurze Abfahrt hinunter, um anschließend im letzten kurzen Stich in Richtung Ziel vielleicht doch nochmal vom Hinterrad aus attackieren und zum Sieg sprinten zu können. Doch gegen Kopeckys Punch hatte sie dort dann nichts mehr entgegenzusetzen. Mit drei Sekunden Rückstand wurde sie Zweite. Unglücklich war Bradbury aber im Ziel trotzdem nicht – im Gegenteil: Immerhin war auch das noch ihr bis dato bestes Karriereergebnis und sie strahlte wie ein Honigkuchenpferd.
"Ich bin superglücklich. Ich könnte nicht begeisterter sein über Platz zwei. Ich habe es versucht und am Ende war Lotte einfach zu stark", so Bradbury, der Bauernfeind vorher aus der Distanz die Daumen gedrückt hatte. "Ich konnte natürlich ein bisschen was im Radio hören und man sieht auch immer ein bisschen was von hinten auf den langen Geraden. Ich war sozusagen live dabei", erzählte die deutsche Tour-de-France-Etappensiegerin aus dem vergangenen Jahr.
Bauernfeind selbst hatte schon früh im Schlussanstieg abreißen lassen müssen, als die leichtgewichtige Italienerin Gaia Realini (Lidl – Trek) in den ersten richtig steilen Rampen das Tempo erhöhte und nur noch sechs Frauen vorne beisammen blieben. "Es war superwarm und ich glaube man sieht es auch an meinem Kopf: Heute bin ich ein bisschen überhitzt schon in den Berg rein, was man hinten raus natürlich total merkt", erzählte Bauernfeind mit auch nach dem Umziehen noch sehr roten Wangen.
"Der erste Teil des Rennens war super entspannt, richtig langsam eigentlich. Aber dann muss man den Körper von 0 auf 100 hochfahren und irgendwie hatte ich da heute ein bisschen Probleme. Ich konnte mich irgendwie nicht mehr so regenerieren. Normalerweise, wenn ich meine Pace gefunden habe, kann ich so weiterfahren. Aber das ging heute irgendwie nicht", so die Deutsche, die schon vor der Etappe gegenüber radsport-news.com gesagt hatte, dass sie nicht zu viel erwarten wolle, weil eben erst Februar sei.
Bauernfeinds wahre Ziele in dieser Saison kommen erst viel später. Auch wenn Anfang März mit Strade Bianche bereits ein ganz großes Rennen auf ihrem Programm steht, so will sich die 23-Jährige dort in erster Linie in den Dienst von Kapitänin Kasia Niewiadoma und dem Rest des Teams stellen. "Mein Fokus ist mehr auf den Rundfahrten", erklärte Bauernfeind. Die Vuelta im Mai und die Tour im August sind wie im Vorjahr erneut die großen Ziele.
Vorher aber ist kurzfristig nun doch noch ein anderes hinzugekommen: Am Sonntag auf der flachen Schlussetappe der UAE Tour will Canyon – SRAM nun alles daran setzen, dass Bradbury auch am Rundfahrtende auf dem Podest steht und ihren zweiten Platz sowie das Weiße Trikot der besten Nachwuchsfahrerin nicht noch verliert. Die Vorzeichen dafür stehen gut: Wind ist kaum angekündigt für den Tag in Abu Dhabi. Es sollte eine ganz normale Sprintetappe werden. Und dann dürften wohl auch alle sechs von Canyon – SRAM noch aufs Podium, um sich als Siegerinnen der Teamwertung feiern zu lassen.