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05.07.2024 | (rsn) - Nachdem Primoz Roglic (Red Bull – Bora – hansgrohe) über die Ziellinie des ersten Zeitfahrens dieser 111. Tour de France gerast war, schoss er weiter durch die Journalistenmeute die Straße hoch. Erst 100 Meter weiter konnte der Slowene eingefangen werden. Man sah, dass er im Kampf gegen die Uhr bis an seine Grenzen gegangen war, und wohl auch ein bisschen darüber hinaus.
“Ich habe getan, was ich konnte. Deswegen bin ich sehr zufrieden mit meiner Leistung", sagte der 34-Jährige, nachdem er wieder zu Atem gekommen war. "Ich kann optimistisch sein. Es ist lange her, dass ich so eine schwere 7. Etappe bei der Tour gefahren bin. Die anderen Favoriten haben etwas besser abgeschnitten, aber ich bin optimistisch, froh und schaue voraus."
Optimistisch macht ihn besonders der zweite Teil des 25,3 Kilometer langen Einzelzeitfahrens. Dabei muss er in der Abfahrt nach dem Anstieg etwa zur Hälfte der Distanz alles riskiert haben. Denn oben lag Roglic 38 Sekunden hinter dem späteren Sieger Remco Evenepoel (Soudal – Quick-Step), 28 hinter Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) Pogacar und 15 hinter Jonas Vingegaard (Visma – Lease a Bike).
Unten im Tal angekommen war der Rückstand zu den direkten Konkurrenten um den Toursieg geschrumpft, auf 32 zu Evenepoel, 26 zu Pogacar und vier zu Vingegaard. In der Abfahrt waren nur Stefan Küng (Groupama – FDJ) und Nelson Oliveira (Movistar) schneller gewesen als der Red Bull-Bora-hansgrohe-Kapitän. ___STEADY_PAYWALL___
Auf den letzten 5,4 flachen Kilometern von der dritten Zwischenzeit bis ins Ziel von Gevrey-Chambertin zündete der Gewinner des Critérium du Dauphine dann nochmal den Turbo. Er verlor dort zwar zwei Sekunden gegenüber dem Tagessieger, der in einer eigenen Liga fuhr, gegen seinen Landsmann Pogacar machte er aber nochmal vier Sekunden gut und Vingegaard knöpfte er dort sogar sieben Sekunden ab. Damit überholte er den Dänen noch und wurde Etappendritter.
Am Anfang des Zeitfahrens hatte Roglic mehr zu beißen, als am Ende. | Foto: Cor Vos
Dementsprechend waren die Verantwortlichen bei Red Bull – Bora – hansgrohe zufrieden. "Diese Zeitfahrleistung war mehr als okay. Primoz musste etwas reinkommen, aber der zweite Teil war supergut. Es ist menschenunmöglich noch schneller abzufahren als er", lobte Boras Sportchef Rolf Aldag seinen Kapitän gegenüber radsport-news.com. "Er hat die Grenzen der Physik ausgelotet. Aber auch im letzten Teil hat er noch Zeit auf Vingegaard rausgeholt. Es war ein sehr gutes Finish, das lässt uns für die letzten beiden Wochen hoffen."
Der Ex-Profi sieht Roglic auf Kurs, obwohl der seit dem Start in Florenz schon dreimal Zeit auf die direkten Konkurrenten verlor. "Ja, aber das wird nicht entscheidend gewesen sein, wenn wir in Nizza angekommen sind", meinte Aldag ab.
"Ein weiter Weg liegt noch vor uns. Wenn ich mir ansehe, wie die Tour entworfen wurde, sorge ich mich nicht um diese Rückstände. Jeder will gewinnen. Wenn wir heute mit drei Minuten Vorsprung gewonnen hätten, hätten wir das auch gern genommen. Aber Remco (Evenepoel) hatte schon bei der Dauphiné gezeigt, wie stark er im Zeitfahren ist. Seitdem hat er am Berg richtig Form gewonnen. Dass er der Favorit für heute war, war für niemanden eine Überraschung."
Für Aldag ist die Zeit der Entscheidungen noch nicht angebrochen. "Wir werden mit ihnen kämpfen, wenn es so weit ist. Bis jetzt ging es nicht so sehr ums Kämpfen, eher ums Vermeiden." Der erneute Rückstand und die bereits 1:36 Minuten zum Gelben Trikot sowie 21 Sekunden zum Podium schocken ihn deshalb auch nicht. "Wir hatten erwartet, dass heute alles relativ dicht beisammenbleibt. Wir wären überrascht gewesen, wenn heute jemand zweieinhalb Minuten rausgefahren hätte. Wenn einer so überragend gewesen wäre wie Vingegaard letztes Jahr im Zeitfahren, könnte man nichts machen", meinte Aldag, um dann bemerkenswert fortzufahren:
Auch das Gelbe Trikot von Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) sieht Rolf Aldag für Primoz Roglic (Red Bull – Bora – hansgrohe) noch in Reichweite. | Foto: Cor Vos
"Da guckt man sich die Werte an und merkt, dass wir dem nie im Leben nahekommen könnten. Jetzt war alles recht normal. Der eine fuhr schneller bergab, der andere bergauf, der Dritte hatte einen besseren Start. Alles war heute im Bereich des Normalen."
Für Aldag ist die Tour noch völlig offen. "Ich weiß nicht, was man von den anderen erwarten kann. Wie viel kann sich Jonas (Vingegaard) noch steigern? Wie wird es ihm ergehen? Hat Remco noch seinen schlechten Tag? Wie verkraftet Pogacar die Kombination aus Giro und Tour? Wir wissen es nicht, wir konzentrieren uns auf uns und wissen, dass das Finale sehr, sehr schwer werden wird. Bis dahin wollen wir vorn dabeibleiben, sodass wir eine Chance auf Gelb haben."