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06.07.2024 | (rsn) - Diesen Sonntag fürchten die Topstars der 111. Tour de France. Knapp 33 Kilometer Schotterwege sind auf den 199 Kilometern der 9. Etappe rund um Troyes zu bewältigen. Auf den insgesamt 14 Sektoren mit bis zu vier Kilometern Länge gilt der altbekannte Spruch: Hier kann man das Rennen zwar nicht gewinnen, aber verlieren.
Um möglichst viele Unwägbarkeiten wägbar zu machen, haben sich die 22 Mannschaften mit einem riesigen Aufwand und großer Akribie auf diese 9. Etappe vorbereitet. “Ich war hier im März, um mir die Graveletappe anzugucken. Anfang April waren die Techniker und Mechaniker hier. Nach Lüttich-Bastogne kamen wir mit den Rennfahrern. Gestern war unser Techniker da und hat nochmal alles angeschaut und gefilmt“, verriet Ralf Aldag, Sportchef von Red Bull – Bora – hansgrohe, im Gespräch mit RSN.
___STEADY_PAYWALL___Doch es ging nicht nur um die Streckenbesichtigung für seinen Kapitän Primoz Roglic. “Als wir hier waren, haben wir alles ausprobiert: verschiedene Reifentypen, unterschiedlichen Luftdruck. Wir wollten lernen“, meinte Aldag, der nun fürchtet, dass doch alles ganz anders werden könnte: “Aber jetzt haben sie frischen Schotter draufgekippt, hoffentlich walzen sie es noch platt. Gestern sah es katastrophal aus. So wäre das ein reines Glücksspiel. Hoffentlich machen sie noch irgendwas Schlaues draus.“
Um Defekte möglichst schnell beheben zu können, hat Red Bull – Bora - hansgrohe an Personal alles aufgeboten, was erreichbar war. “An jedem Sektor haben wir jemanden stehen – darunter auch Bekannte und Freunde von Primoz. Es gibt 14 Sektoren, wir haben also 30 Leute, die mit Trinkflachen, Laufrädern und Ersatzmaterial am Ende jedes Sektors stehen. Wenn etwas passiert, sollen sie den Schaden möglichst in Grenzen halten“, erklärte Aldag.
Red-Bull-Sportchef Rolf Aldag (li., hier mit Jai Hindley) fürchtet die Gravel-Passagen der 9. Tour-Etappe. | Foto: Cor Vos
Da die scharfkantigen Schottersteine schnell die Reifen zerstören können, müssen die Mechaniker von Red Bull – Bora – hansgrohe Sonderschichten schieben. Aldag: “Wir bereiten 51 Satz vor, das heißt 102 mal Reifen runter, Milch und Pannenschutz rein, Reifen wieder drauf. Und am nächsten Tag wird alles wieder runtergerissen und dann kommen wieder andere Reifen drauf – wieder 102.“
Alles, damit die Fahrer sicher das Ziel erreichen. John Degenkolb (dsm – firmenich – PostNL) sollte nach seinen Siegen bei Paris – Roubaix und der in Roubaix endenden Tour-Etappe von 2018 die Sektoren liegen. Doch auch er zeigte großen Respekt. “Die Etappe ist enorm schwer. Dort geht es gerade im mittleren Teil bergauf und bergrunter. Wenn ich den Teil gut überlebe, glaube ich, dass ich im Finale eine gute Rolle spielen kann“, erklärte Degenkolb gegenüber RSN.
Er räumte aber auch ein: “Solche Tage sind immer schwer einzuschätzen. Es kann auch sein, dass sich eine Spitzengruppe am Anfang bildet und alle GC-Mannschaften keine Gefahren sehen. Dann ist der Tag wie letztes oder vorletztes Jahr auf dem Pflaster eigentlich schon gegessen.“ Das heißt, man hat keine Chance, um den Sieg zu fahren. Es sei denn, man sitzt in der Fluchtgruppe.
John Degenkolb (dsm-firmenich – PostNL, Mi, bei Paris-Roubaix) freut sich dagegen wie Tadej Pogacar auf die Schottersektoren rund um Troyes. | Foto: Cor Vos
Anders als viele andere hat Degenkolb aber gegen Streckenexperimente nichts einzuwenden. “Es ist immer gefährlich und für die Klassementfahrer gibt es wenig zu gewinnen, aber viel zu verlieren. Man kann es nicht allen recht machen. Zum Image der Tour de France gehört es aber dazu – und es ist ein Teil des Radsports und der Radsportgeschichte“, meinte Degenkolb. “Genauso wie es auch immer wieder schön ist eine Kopfsteinpflaster- oder eine richtig schöne Windkanten-Etappe dabei zu haben. Das sind Bereiche, die zum Radsport gehören. Wenn man im Klassement vorn dabei sein möchte, muss man die auch meistern; wie auch ein Zeitfahren.“
Aldag sieht der Graveletappe mit einigen Sorgen entgegen: “Ich bin mir gar nicht so sicher, ob Gravel wirklich ein Wettkampf ist. Es ist eher ein Glücksspiel. Das mag ich nicht wirklich.“
Geradezu begeistert nimmt Tour-Spitzenreiter Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) die neue Herausforderung an: “Ich freue mich auf die Gravel-Etappe. Ich habe sie mir angeguckt, ich weiß als, was uns erwartet“, erklärte der Slowene, der sich wohl auf allen Belegen zuhause fühlt und Anfang März schon die ebenfalls über unbefestigte Wege führende Strade Bianche mit einem langen Solo überlegen gewann.
Allerdings räumte Pogacar auch ein: “Es ist nicht die Etappe, die am meisten Spaß machen wird. Aber es kommt darauf an, wie wir fahren. Auch der Wind und das Wetter spielen da eine Rolle. Es kann unterschiedlich ablaufen. Ich bin aber gut vorbereitet. Normalerweise mag ich solche Etappen – aber man weiß nie, was passieren kann.“