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20.05.2025 | (rsn) - Primoz Roglic (Red Bull – Bora – hansgrohe) hat sich beim 108. Giro d’Italia wieder stark zurückgemeldet. Im verregneten Zeitfahren von Lucca nach Pisa rückte er vom zehnten auf den fünften Platz der Gesamtwertung vor. Sein Rückstand aufs Podium beträgt nur noch 17 Sekunden und 1:18 Minuten auf den Mann in Rosa, den Mexikaner Isaac Del Toro (UAE Team Emirates - XRG). Auf seinen vermeintlichen Hauptkonkurrenten, den zweitplatzierten Juan Ayuso (UAE – Emirates – XRG), machte der Slowene 19 Sekunden gut.
Große Champions verstehen es, Rückschläge zu verdauen. Roglic verlor bereits seinen wichtigsten Berghelfer Jai Hindley nach einem Sturz. Sein nominell zweitwichtigster Helfer Dani Martinez, im letzten Jahr immerhin Gesamtzweiter beim Giro, ist diesmal nur ein Schatten seiner selbst. Dann stürzte Roglic auch noch auf der Schotteretappe am Sonntag und fiel im Klassement übe zwei Minuten zurück. Auf der Piazza del Campoi in Siena sah man ihn am Sonntag aber recht aufgeräumt. Er umarmte seine Helfer, bedankte sich bei ihnen und verbreitete gute Laune.
___STEADY_PAYWALL___ Das war nach dem nächsten Rückschlag auch nicht anders. Bei der Streckenerkundung des Zeitfahrens stürzte der 35-Jährige am Morgen auf Regen nasser Straße. "Nichts Schlimmes, nicht einmal ein Kratzer“, verbreitete sein Team schnell Optimismus.
Immer im Bild: Primoz Roglic | Foto: Cor Vos
In einer Art ausgleichender Gerechtigkeit durfte Roglic sich im Zeitfahren dann einer teilweise weniger nassen Strecke erfreuen, während seine etwas später gestarteten direkten Konkurrenten vom Regen mehr behindert wurden. "Sicherlich verlor Ayuso insgesamt 40 Sekunden wegen des Regens auf Roglic“, mutmaßte Italiens früherer Nationaltrainer Davide Cassani in der RAI. Das verblüffte, selbst wenn Ayuso vor dem Giro-Start große Fortschritte im Zeitfahren angekündigt hatte. Aber bei der zweiten Zwischenzeit war Ayuso zwölf Sekunden schneller als Roglic gewesen, doch im Ziel lag er 19 zurück. Die Zeit hatte er im strömenden Regen bis ins Ziel liegen gelassen.
Auf alle anderen Rivalen machte Roglic noch mehr Zeit gut. Del Toro, dem überraschenden Gesamtführenden aus dem Pogacar- und Ayuso-Rennstall UAE Team Emirates XRG, nahm er mehr als eine Minute ab. Gleiches galt im Fall von Adam Yates, einem weiteren starken UAE-Fahrer. Italiens Hoffnung Antonio Tiberi (Bahrain Victorious) wurde um 38 Sekunden distanziert. Natürlich versprach man sich im Lager von Red Bull – Bora – hansgrohe bei der Vorstellung des Parcours noch mehr. Auch Landsmann Jan Tratnik meinte zu RSN: "Auf dem Papier liegt der Kurs Primoz sicher und er könnte viel Boden gut machen.“
Auf dem Papier ist aber nicht dasselbe wie bei einer Grand Tour, wenn Stürze nicht nur den Körper, sondern auch das Selbstbewusstsein in Mitleidenschaft ziehen. Umso bemerkenswerter Roglics Performance nur wenige Stunden nach dem Trainingssturz. Er dosierte Vorsicht und Aggressivität gut, stellte eine Balance her, die ihn sicher und trotzdem recht schnell ins Ziel brachte.
Juan Ayuso wurde nach der zweiten Zwischenzeit vom Regen behindert. | Foto: Cor Vos
Daher war auch bei seinem Team der Optimismus weiterhin recht groß. "Ich sehe, dass Primoz ruhig und gelassen ist. Insgesamt hätte es kaum schlimmer kommen können. Aber am Sonntag haben wir die Schäden in Grenzen gehalten. Hier beim Zeitfahren kann er etwas reparieren. Und dann dauert der Giro ja noch eine ganze Weile. Eigentlich hat er gerade jetzt erst begonnen“, meinte Teamkollege Gianni Moscon zu RSN. Der Italiener bewunderte sogar ein wenig die Ruhe, die Roglic ausstrahlt. "Er ist ein Champion, ein großer Profi. Er lässt sich von einem schlechten Tag nicht runterziehen. Er weiß, wie man große Rundfahrten gewinnt.“
Auch Roglics Landsmann Jan Tratnik sah keinen Anlass zur Verzweiflung, freilich wählte er die sarkastisch-pragmatische Variante. "Natürlich sind wir guter Stimmung, Was sollten wir auch anderes tun? Wir sind ein gutes Team, sind gut in Form. Und die Koffer packen und abreisen werden wir sicher nicht. Es liegt jetzt an uns, das Ganze weiterhin positiv anzugehen. Ich denke, wir können noch viel gewinnen. Und der härteste Teil des Giro kommt erst noch", sagte der Red-Bull-Neuzugang im Ziel zu RSN
Am wenigsten gut unter den Favoriten kam Spitzenreiter Isaac del Toro mit den glatten Straßen zu recht. | Foto: Cor Vos
Für diesen härtesten Teil wirkt allerdings Hauptrivale Ayuso am besten gerüstet. Sein Zeitfahren in Pisa war ein Meisterstück in Sachen Risikoabwägung und Schnelligkeit. Er ließ sich auch von einem wegrutschenden Rad gleich zu Beginn des Zeitfahrens nicht aus dem Konzept bringen. Der 22-Jährige scheint momentan in einer Verfassung, die auch die beste Version von Roglic ins Grübeln bringen könnte. Zudem hat der UAE-Kapitän das am besten besetzte Team an seiner Seite.
Roglic muss die nächsten Tage ohne weitere Rückschläge über die Bühne bringen und sich dann für die dritte Woche ein paar Überraschungen einfallen lassen. Ihm kommt entgegen, dass er sich als Persönlichkeit weiterentwickelt hat. Vom Quereinsteiger aus dem Skispringen, der anfangs bei Fehlern leicht nervös wurde, hat er sich zu einem elastischen Altmeister entwickelt. Bei diesem Giro ist es definitiv zu früh, ihn abzuschreiben.