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28.09.2025 | (rsn) - Mit dem zweitlängsten Solo in der Geschichte der Straßenweltmeisterschaften hat Tadej Pogacar seinen Titel verteidigt und souverän Gold geholt. Ab Kilometer 67 vor dem Ziel in Kigali lag der Slowene allein an der Spitze und vollendete seinen Ritt schließlich mit 1:28 Minuten Vorsprung auf den Belgier Remco Evenepoel, der auf der vorletzten Runde ein Verfolger-Trio mit Mattias Skjelmose (Dänemark) und Ben Healy (Irland) gesprengt hatte. Somit revanchierte sich Poagacr eindrucksvoll für die Pleite im WM-Zeitfahren eine Woche zuvor.
Healy sicherte sich mit 2:16 Minuten Rückstand die Bronzemedaille. Während der Ire ausgelassen jubelte, hockte sich der Vizeweltmeister mehrere Minuten lang an den Straßenrand, weil er mit dem Rennverlauf offenbar nicht zufrieden war. Ebenfalls enttäuscht überquerte Skjelmose 2:53 Minuten nach dem Sieger die Ziellinie als Vierter.
Dahinter tat sich eine große Lücke auf. Mit einer späten Attacke fuhr Tom Skujins Platz fünf für Lettland heraus – 6:41 Minuten nach Pogacars Ankunft. Sechs Sekunden dahinter führte Giulio Ciccone (Italien) ein Trio ins Ziel. Hinter ihm landete Isaac Del Toro (Mexiko), der zwischenzeitlich Pogacars letzter Begleiter gewesen war, auf Rang acht vor Juan Ayuso (Spanien), der auch versucht hatte, mit dem Slowenen mitzugehen. Platz neun belegte überraschend Afonso Eulalio (Portugal, +7:06), Zehnter wurde Tom Pidcock (Großbritannien, +9:05).
Als möglicherweise rennentscheidend erwies sich ein technisches Problem bei Evenepoel ausgerechnet am Mont Kigali. Als Pogacar dort kurz vor der Kuppe angriff, musste der Belgier etliche Konkurrenten ziehen lassen und wechselte wenig später sein Rad. Das Ersatz-Arbeitsgerät, das er bekam, wechselte Evenepoel dann aber auch bald wieder. In beiden Fällen soll etwas mit der Sattelhöhe nicht gestimmt haben. Anschließend musste Evenepoel zeitweise allein wieder zu den Verfolgern hinfahren.
Der alte und neue Weltmeister räumte im Interview ein, dass der Kurs mit dem langen Anstieg zum Mont Kigali rund 100 Kilometer vor dem Ziel wie geschaffen war für ein Rennen, wie er es abgeliefert hatte. Ganz nach Plan war die Sache aber auch nicht gelaufen. Pogacar hatte gehofft, dass sich eine kleine Gruppe mit Ayuso und Del Toro bilden würde, die den längsten Berg an seinem Hinterrad überquerten.
"Juan hatte ziemlich früh Probleme auf dem Pflaster, und del Toro hatte Magenprobleme“, rekapitulierte Pogacar die Ereignisse in der entscheidenden Phase. Gegen Ende habe er kurzzeitig durchaus Zweifel gehabt. "Meine Reserven waren wirklich aufgebraucht, und es war auf den letzten Runden sehr hart“, betonte der Slowene.
Der letztlich klar geschlagene Evenepoel räumte ein, dass er mit dem Ziel ins Rennen gegangen sei, um nach Zeitfahr-Gold das Double zu schaffen. Lange habe er sich auch gut gefühlt. Doch wegen der Probleme mit dem Sattel habe er Schmerzen im unteren Rücken bekommen. Allzu lange haderte der Belgier dann allerdings nicht mit den Geschehnissen, die ihn während des Rennens zu Wutausbrüchen verleitet hatten. "Shit happens“, sagte Evenepoel mit einem angedeuteten Lächeln.
Das deutsche Team spielte keine Rolle. Ein Magen-Darm-Virus hatte beinahe die komplette Männerriege von German Cycling außer Gefecht gesetzt. Keiner der deutschen Starter beendete das 267,5 Kilometer lange und mit gut 5000 Höhenmetern ausgesprochen anspruchsvolle Rennen – doch das taten ohnehin nur 30 Fahrer. Somit war amtlich, was sich bereits vor dem Männerrennen angedeutet hatte: Die Titelkämpfe würden ohne Edelmetall fürs deutsche Team ausgehen.
Pogacars 67 Kilometer lange Solofahrt war die zweitlängste überhaupt bei einem WM-Straßenrennen. Noch früher war einst der Italiener Vittorio Adorni allein auf dem Weg zu Gold gewesen – nämlich 90 Kilometer. Dies trug sich allerdings im Jahr 1968 zu. Platz drei in dieser Statistik geht ebenfalls an Pogacar – seinen ersten WM-Titel hatte der Slowene 2024 mit einem 51,7 Kilometer langen Soloritt herausgefahren.
Schon während der ersten Runde auf dem 15,1 Kilometer langen Rundkurs, der insgesamt 16 Mal gefahren werden musste und nach neuneinhalb Runden durch eine große Zusatzschleife über den Mount Kigali sowie der Mur de Kigali unterbrochen wurde, bevor dann noch sechseinhalb Finalrunden folgten, bildete sich eine starke sechsköpfige Spitzengruppe mit Marius Mayrhofer (Deutschland), Menno Huising (Niederlande), Fabio Christen (Schweiz), Julien Bernard (Frankreich), Ivo Oliveira (Portugal) und Anders Foldager (Dänemark).
Das Sextett fuhr zwei Minuten Vorsprung heraus, bis schon in Runde zwei die nächsten Attacken im Hauptfeld erfolgten. Besonders aktiv war dabei das französische Team, das gleichzeitig aber auch früh einen Fahrer verlor: Julian Alaphilippe fiel zurück und gab am Ende der zweiten Runde auf. Das Feld lag da nur noch eine Minute hinter der Spitze.
Das Streckenprofil für das Straßenrennen der Männer bei der WM in Kigali. | Grafik: UCI
In Runde drei versuchte Raul Garcia Pierna (Spanien) zur Spitze vorzufahren, was ihm anfangs von Runde 4 auch gelang. Dann kam es im Hauptfeld zu einem Sturz, aufgrund dessen Marc Soler (Spanien) und Ilan Van Wilder (Belgien) aufgaben und der Vorsprung der Spitzenreiter bis zur vierten Zielpassage auf 2:50 Minuten anwuchs. In den Runden fünf und sechs passierte wenig, die Slowenen und Belgier kontrollierten das Rennen an der Spitze des Hauptfelds. Allerdings gab mit Felix Engelhardt nun der erste deutsche Starter die WM auf.
Zum Anfang der achten Runde stellten dann auch Georg Zimmermann und Jonas Rutsch das Rad ab. Weitere Aufgaben von Fahrern verschiedener Nationen prägten das Bild der nächsten zwei Runden. Nach dem neunten Umlauf gab es etwas Abwechslung. Mit anderthalb Minuten Vorsprung fuhr die Ausreißergruppe hinaus zum Mont Kigali. Unterwegs fiel die Gruppe auseinander. Mayrhofer zählte zu den Profis, die Bernard, Foldager und Oliveira nicht mehr folgen konnte.
500 Meter vor dem Gipfel des Mont Kigali drückte Pogacar aufs Tempo. Zunächst konnte nur Juan Ayuso (Spanien) mitgehen. Noch vor der Abfahrt war Bernard gestellt, das Duo ging als erstes in die Abfahrt zur Mur de Kigali. Dort angekommen, stieß Isaac Del Toro (Mexiko) dazu. Im Kopfsteinpflaster musste Ayuso dann reißen lassen. Er fiel in eine erste Verfolgergruppe zurück, zu der Evenepoel nicht gehörte. Erst auf dem Weg zurück zur Ziellinie lief hinter Pogacar und Del Toro, die mit 50 Sekunden in die Cote de Kimihurura gingen, vieles wieder zusammen.
Als das Spitzenduo wieder am Convention Center ankam, betrug der Abstand 46 Sekunden. Mehrere Fahrer probierten es mit Angriffen, unter anderem Healy und Harold Tejada (Kolumbien). Evenepoel musste zu der Zeit sein Rad wechseln, kam danach wieder zur Verfolgergruppe zurück. Doch als es wieder die Kimihurura hinauf ging, warf ein runtergerutschter Sattel den Zeitfahrweltmeister abermals zurück. Der erneute Wechsel des Arbeitsgerätes dauerte Evenpoel deutlich zu lange, anschließend musste er die Verfolgung aufnehmen.
67 Kilometer vor dem Ziel schüttelte Pogacar Del Toro an der Golf Kigali ab. Der Mexikaner wurde bald von Mikkel Honoré (Dänemark), Pavel Sivakov (Frankeich) und Healy eingeholt. Evenepoel kam noch einmal zu der dahinter befindlichen Gruppe zurück, die wiederum die Lücke zum Quartett um Healy schließen konnte. Pogacars Vorsprung betrug zu dem Zeitpunkt 55 Sekunden.
Als es erneut die Kimihurura hinauf ging, zerpflückte Evenepoel die Verfolgergruppe. Nur Skjelmose, Healy, Jai Hindley (Australien) und Tom Pidcock (Großbritannien) konnten folgen. Doch näher kam dieses Quintett nicht an den Solisten heran. Im Zielanstieg der viertletzten Runde mussten zunächst Hindley und dann Pidcock abreißen lassen. Das Trio lag da gut eine Minute hinter dem Mann an der Spitze. In der darauffolgenden Runde kamen weitere 20 Sekunden hinzu.
20 Kilometer vor dem Ziel setzte sich Evenepoel mit einer satten Attacke von Healy und Skjelmose ab. Sein Vorsprung zu den beiden Ex-Begleitern wuchs rasch auf 15 Sekunden an, womit auch die zweite Medaille praktisch vergeben war. Die Schlussrunde nahm der Belgier mit 1:27 Minuten Rückstand zu Pogacar und 24 Sekunden Vorsprung zu den beiden Verfolgern in Angriff.
Pogacar genoss seine Triumphfahrt auf dem letzten Kilometer. Mit dem rechten Arm in die Höhe gereckt, beendete der Slowene sein eindrucksvolles Solo. Evenepoel kam mit 1:28 Minuten hinter ihm an – ohne Jubelgeste. Healy hatte eingangs der letzten 5 Kilometer den entkräftet wirkenden Skjelmose distanziert. Der Ire kam mit rund zweieinhalb Minuten Rückstand jubelnd auf dem Bronzerang ins Ziel. Skjelmose wurde mit 2:53 Minuten Abstand Vierter.
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