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24.10.2025 | (rsn) – Es war schon ein kurioses Ende des zehn Kilometer langen Scratch-Rennens der Männer im Velodromo Penalolen in Santiago de Chile. Denn als die letzte der 40 Runden angeläutet werde sollte und Moritz Augenstein in Führung lag, war nichts zu hören. Erst eine Runde später, bei der Zieleinfahrt, kam die Glocke. Der 28-Jährige, der erstmals bei Weltmeisterschaften am Start stand, zog weiter durch und jubelte erst nach Vollendung der wohl schnellsten Auslaufrunde der Geschichte.
Denn gewertet wurde eben die 40. Runde, womit der aus Pforzheim stammende Augenstein erst mit Verspätung zum Jubeln kam. Es schien aber ohnehin so, als hätte er sich den Sieg auch dann nicht mehr nehmen lassen, wenn das Rennen noch einmal 40 Runden gedauert hätte. Denn der Deutsche war am Donnerstagabend der eindeutig stärkste Fahrer des Rennens, wollte schon in der ersten Runde ausbüxen, ehe der Start abgebrochen und wiederholt wurde. ___STEADY_PAYWALL___
Der neue Weltmeister im Scratch: Moritz Augenstein | Foto: Arne Mill/Maloja Pushbikers
Doch auch im Verlauf der 40 Runden blieb er aktiv, initiierte die entscheidende Gruppe, die sich vom Feld absetzte und versuchte in dieser, seine Mitstreiter immer wieder zu motivieren. Als am Ende noch Fahrer um Fahrer aus dem Feld aufschloss, ließ sich Augenstein nicht mehr von der ersten Position abdrängen. Egal was passieren sollte, diesen Sieg wollte er unbedingt.
“Es ist unbeschreiblich“, grinste er stolz gegenüber RSN im ersten Interview nach seinem Titelgewinn. Voller Inbrunst zelebrierte er seinen Triumph in den Auslaufrunden und erhielt auch sehr viel Zuspruch von der Konkurrenz. Fast alle klopften dem WM-Debütanten auf die Schulter, die Konkurrenten wussten, dass es kein einfacher Weg für Augenstein war, ehe er endlich bei Weltmeisterschaften am Start stehen konnte.
Große Emotionen nach dem Titelgewinn | Foto: Arne Mill/Maloja Pushbikers
“Natürlich bin ich mit der Ambition angereist, eine Medaille zu gewinnen, aber erträumt hier zu gewinnen, das habe ich niemals“, fügte er an. Seit Jahren gehört Augenstein zu den besten Ausdauerfahrern in Deutschland, aber trotz guter Resultate im Nachwuchs entschied er sich zuerst für ein berufliches Standbein, übte den Bahnradsport neben dem Vollzeitjob als Verfahrenstechniker aus. Während der Corona-Zeit absolvierte Augenstein dann auch noch ein Studium und erst vor einem Jahr entschied er sich, noch einmal voll im Sport anzugreifen.
In Christian Grasmann fand er einen alten Bekannten, der ihn dabei unterstützte und ins Team der Maloja Pushbikers aufnahm, in deren Dienste er zehn Jahre zuvor seine ersten Bahnerfahrungen gesammelt hatte. Schon vor einem Jahr im Kopenhagen sollte Augenstein sein Debüt geben, doch ein Sturz und eine daraus resultierende Schulterverletzung verhinderten dies.
Auf Goldkurs am anderen Ende der Welt | Foto: Arne Mill/Maloja Pushbikers
Bei den Deutschen Meisterschaften im Kriterium war er einer Passantin, die die Straße überquerte ausgewichen und ins Gitter gekracht. Wenige Monate später erwischte es Augenstein noch schlimmer, als er zu den Fahrern des Bahnnationalteams gehörte, die im Trainingslager auf Mallorca von einem Auto angefahren wurden. Womit für ihn ein Start bei den Europameisterschaften in Heusden-Zolder hinfällig wurde.
Bundestrainer Lucas Schädlich, der in Mallorca das Trainingslager geleitet hatte, unterstrich die starke Leistung seines Debütanten: “Es ist einfach unbeschreiblich emotional. Ich bin so stolz auf ihn. Man hat die lange Vorfreude auf diesen Wettkampf gespürt, auch im Rennen.“ Am Samstag und am Sonntag warten dann auf den frischgebackenen Weltmeister noch die beiden Olympischen Bewerbe Omnium und Madison. Im letzteren startet er an der Seite von Titelverteidiger Roger Kluge.
Das Podium mit Yanne Dorenbos, Moritz Augenstein und Iuri Leitao | Foto: Arne Mill/Maloja Pushbikers