--> -->
04.12.2025 | (rsn) - Eine Art Hohepriestertreffen der Antidopingjäger ist der Kongress der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA. Nur alle sechs Jahre findet er statt. Bis Freitag versammeln sich in der südkoreanischen Hafenstadt Busan etwa 1.200 Delegierte, um den Antidopingkampf besser aufzustellen. Thema Nummer 1 war der neue Antidopingcode. Der soll im Januar 2027 in Kraft treten, also in etwa 13 Monaten.
Als wichtigste Neuerung zeichnet sich ab, dass in Zukunft auch Trainer, Physiotherapeuten, Agenten und Ärzte bei Dopingfällen ihrer Athleten zur Verantwortung gezogen werden können. IOC-Präsidentin Kirsty Coventry lobte dies als wichtigen Schritt. ___STEADY_PAYWALL___
“Zu oft konnten wir bisher diejenigen, die als Trainer, Ärzte, Agenten oder Funktionäre in Dopingfälle verwickelt waren, nicht verfolgen. Das ist nicht fair. Wir brauchen eine Nulltoleranzpolitik gegenüber allen, die Doping ermöglichen“, sagte sie auf dem Kongress. Die frühere Schwimmerin forderte zugleich die staatlichen Stellen auf, Sanktionen gegen Betreuungspersonal auch umzusetzen.
Die WADA will den Antidopingkampf auch auf das Betreuungspersonal ausweiten. | Foto: Cor Vos
Wird das in Zukunft konsequent praktiziert, dürfte es Versäumnisse wie etwa bei der Operation Aderlass‘, als gegen einen Betreuer des Teams Ineos Grenadiers nicht weiter ermittelt wurde, nicht mehr geben. Günter Younger, Chefermittler der WADA, gab gegenüber RSN in diesem Fall auch Versäumnisse zu. “Die Sportorganisationen sind es noch nicht so gewöhnt, eng mit den Strafverfolgungsbehörden zusammenzuarbeiten. Da müssen wir noch ein bisschen nachjustieren“, sagte er – und betonte: “Deshalb stecken wir zurzeit sehr viel Energie rein, um die Synergieeffekte, die durch die Zusammenarbeit zwischen den Strafverfolgungsbehörden und den nationalen Antidopingbehörden entstehen können, zu verbessern.“
Durch die neuen Möglichkeiten, direkt gegen Betreuer vorgehen und dabei mit staatlichen Polizeidienststellen kooperieren zu können, erhofft sich der frühere Ermittler des Bayerischen Landeskriminalamts LKA sowie bei Europol in Zukunft umfassendere Erfolge.
“Wenn wir die Sportorganisationen anschauen, dann sind wir ja keine Strafverfolgungsbehörde. Wir können keine Sicherstellungen durchführen, sondern lediglich freiwillige Vernehmungen machen. Rein von der polizeilichen Sicht - und ich bin ja noch immer Polizist - ist es schwierig, wenn man von unten nach oben ermittelt. Insbesondere, wenn das unterste Glied, in diesem Fall der Athlet, das schwächste Glied ist“, sagte Younger und fügte erklärend an: “Wir haben gerade durch Ermittlungen in den russischen Fällen gemerkt, dass Athleten unter Druck gesetzt werden, damit sie nicht preisgeben, wer die entsprechenden Mittel vergeben hat. Deswegen haben wir in den letzten Jahren Verbesserungen geschaffen, um mehr Strafverfolgungsbehörden einzubeziehen.“
Younger verwies auf derzeit 140 laufende Antidopingermittlungen, die gemeinsam mit Strafverfolgungsbehörden laufen. Zuletzt wurden etwa in Polen mehrere illegale Labore entdeckt. “Uns geht es darum, gemeinsam mit den Strafverfolgungsbehörden stärker von oben zu ermitteln, um Verteilerwege zielgerichtet zu attackieren, um deren Klienten zu bekommen, die vor allem Ärzte sind, und dann weiter an die Coaches und letztlich die Athleten zu geraten“, sagte er.
Beispiel für gelungene Kooperation der Testagentur ITA mit der italienischen Polizei: Andrea Piccolo wurde im Juni 2024 mit verbotenen Substanzen auf dem Flughafen Malpensa festgenommen. | Foto: Cor Vos
Das macht Hoffnung, dass Dopingnetzwerke tatsächlich zerschlagen werden. Bislang handelt es sich eher um Einzelfälle, etwa den früheren EF-Profi Andrea Piccolo, der mit verbotenen Substanzen auf dem Flughafen Malpensa festgenommen wurde. Dort arbeiteten Ermittler der Internationalen Test Agentur ITA mit der italienischen Polizei zusammen, bestätigte die ITA gegenüber RSN. Über das mögliche Netzwerk hinter dem italienischen Ex-Profi wollte aufgrund weiter laufender Ermittlungen aber niemand Auskunft geben.
Insgesamt stellten die Dopingjäger dem Radsport aber ein gutes Zeugnis aus. “Ich denke, die Zeiten, in denen Teambusse bei der Tour de France rausgezogen wurden, Fahrer Bluttransfusionen vornahmen oder ein bestimmter Fahrer einen Helikopter nutzte, um schnell in ein Land zu fliegen, in dem Bluttransfusionen nicht verboten waren, sind definitiv vorbei“, sagte Travis Tygart, der mit seiner US-Anti-Doping-Agentur USADA einst Lance Armstrong zu Fall brachte.
“Aber wir dürfen auch nicht naiv sein und aufhören, genau hinzugucken“, mahnte er gegenüber RSN. Er konstatierte immerhin einen kompletten Mentalitätswechsel: “Alles, was wir von unserem Informantennetzwerk, das wir vor Jahren schon aufgebaut haben, hören, besagt, dass die Lektion gelernt wurde. Die Führungsebene der UCI hat sich gewandelt, so dass die Tage eines nicht komplett, aber fast komplett korrupten Pelotons vorbei sind und auch saubere Athleten jetzt gewinnen können.“
Der Radsport hat nach WADA-Angaben seine Lektionen gelernt und ist nicht mehr länger das ‘Schwarze Dopingschaf.‘ | Foto: Cor Vos
Ähnlich argumentierte WADA-Generalsekretär Olivier Niggli. “Kein Sport ist immun gegen Doping. Es ist auch kein Geheimnis, dass es Disziplinen mit höherem Risiko gibt. Radsport gehört dazu. Das schlägt sich auch in unseren Testempfehlungen nieder. Aber das ist auch den Verantwortlichen der UCI bewusst. Und das ist eine sehr markante Änderung gegenüber der Vergangenheit“, meinte der Schweizer zu RSN. Er hob auch die unabhängige Testagentur ITA, die im Radsport das Antidopingprogramm verantwortet, als wichtigen Faktor hervor. “Jetzt gibt es keine interne Einflussnahme auf das Programm, was gut ist“, sagte er.
Gleichwohl mahnte Niggli vor den neuen Präparaten, die vor allem von Seiten der Anti-Aging- und Gewichtsabnahme-Industrie auf den Markt kommen. “Wir müssen aufmerksam sein. Aber das gilt für alle Sportarten“, meinte er. Den Ruf als schwärzestes Dopingschaf hat der Radsport, zumindest in den Augen der WADA, mittlerweile abgelegt. Es wird Zeit, dass die öffentliche Meinung das – bei aller Vorsicht natürlich - auch zur Kenntnis nimmt.