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10.12.2025 | (rsn) – Nur wenige Fahrerinnen im Peloton erlebten in den vergangenen Jahren die rasante Entwicklung im internationalen Frauenradsport derart hautnah mit wie Romy Kasper (Human Powered Health). Die 37-Jährige bestritt ihre 18. Saison als Radprofi und zählte damit zu den Urgesteinen in den Reihen der WorldTeams.
Kaspers Karriere ist durch viele Teamwechsel gekennzeichnet, in den letzten sechs Jahren heuerte sie bei vier unterschiedlichen Rennställen an. Ein Indiz dafür, dass bei der tempofesten Fahrerin primär ihre wertvolle Erfahrung gefragt war, die sie im Aufbau oder Umbruch einzelner Teams miteinbringen sollte. ___STEADY_PAYWALL___
So auch wieder in der abgelaufenen Saison, in der Kasper überwiegend in der Rolle des Road Captains für den amerikanischen Rennstall unterwegs war. Bei den Frühjahrsklassikern erhielt Kasper allerdings auch durchaus ihre Chancen, auf eigene Rechnung zu fahren.
Dass sie noch zu Top-Resultaten fähig ist, bewies die 37-Jährige eindrucksvoll bei Paris-Roubaix (1.WWT), wo sie auf den Kopfsteinpflasterpassagen sowohl ihre Routine als auch Kraft voll ausspielen konnte. Dort war die gebürtige Lausitzerin bis zum letzten Pflastersektor in einer Spitzengruppe dabei und konnte sich berechtigte Hoffnungen auf einen Top-Ten Platz machen, ehe sie durch eine Tempoverschärfung doch noch abgehängt wurde.
“Paris-Roubaix ist ein optimales Rennen für meinen Fähigkeiten und war wie in den Jahren zuvor mein persönliches Highlight”, blickte Kasper voller Begeisterung zurück. “Ich war noch nie so gut vorbereitet wie in diesem Jahr, aber leider wurde mir im letzten Sektor kurzzeitig der Stecker gezogen. Wenn die dann vorne weiter drauftreten, fährst du im Finale auch ein Loch von ein paar Metern nicht mehr zu”, erklärte sie im Gespräch mit RSN die rennentscheidende Situation.
Dennoch erreichte sie im Vélodrome von Roubaix mit Platz 16 ihre bis dato beste Platzierung seit der Premiere des Rennens im Jahr 2021.
Romy Kasper (li.) hier noch in der Spitzengruppe bei Paris-Roubaix | Foto: Cor Vos
Obwohl Kasper immer noch als Athletin mit großem Motor im Peloton geschätzt wird, trat sie in diesem Jahr doch deutlich kürzer. Während 2024 noch rekordverdächtige 61 Renntage inklusive aller drei großen Rundfahrten in ihrem Programm standen, waren es in dieser Saison 15 weniger. “Ich hatte immer wieder kleine Pausen nach Stürzen, Krankheiten oder familiär bedingt”, erklärte Erklärung.
Im Vergleich zu den Vorjahren gelang ihr jedoch keine Top-Ten Platzierung mehr. Persönliche Ergebnisse auf der Straße schienen für die Frau, die in ihrer langen Karriere zwei Profisiege (Etappen bei der Tour de Feminin 2011 und Thüringen-Rundfahrt 2014) erlang, zur Nebensache geworden zu sein. “Genau!”, bestätigte sie auf Nachfrage. “Außer bei Roubaix sind mir eigene Erfolge schon seit Jahren nicht mehr wichtig. Ich weiß um meine Stärken und Aufgaben für die Mannschaft.“
Umso erfolgreicher war Kasper aber in ihrer neuen Leidenschaft, dem Gravel-Sport. Wie so viele (Ex-) Profis zog es die Allrounderin, die zum Saisonende gemeinsam mit Franziska Brauße noch beim Sechstagerennen in London in Madison Platz vier belegt hatte, mehr und mehr vom Asphalt auf den Schotter. Nachdem sie im Jahr 2024 bei der Gravel-WM im belgischen Leuven mit Rang fünf knapp das Podest verpasst hatte, war sie in dieser Saison vermehrt auf dem rauen Untergrund unterwegs.
Auch wenn ihr ein Sieg verwehrt blieb, sprangen gute Resultate wie Platz sechs bei der Gravel-EM oder aber ein zehnter Rang bei den Weltmeisterschaften in Limburg heraus, die Lust auf mehr machen. “Die Gravel-WM war definitiv eines meiner Saisonhighlights und wenn es da nicht Unstimmigkeiten mit meinem Team hinsichtlich meines Rennprogrammes gegeben hätte, wäre ich auch noch mehr Gravel-Rennen gefahren“, so Kasper.
Angesprochen auf ihren starken WM-Auftritt, bei dem sie über eine lange Phase den Rennverlauf in einer Spitzengruppe mit der späteren Siegerin Lorena Wiebes dominiert hatte, analysierte sie recht nüchtern, warum es dann letztendlich für ein Podium nicht gereicht hätte. “Für mich war die WM wie ein Amstel Gold Race, nur auf Schotter. Es ging ständig rechts, links und rauf und runter; man musste sich gut positionieren können“, beschrieb Kasper die Anforderungen des Kurses.
“Als ich in der Fünfergruppe mit den vier Holländerinnen vorne weg war, dachte ich: ok, da kommt keiner mehr von hinten und ich werde hier minimal Fünfte. Dass die Holländerinnen sich dann die Löcher gegenseitig zufahren, damit konnte man nicht unbedingt rechnen“, schmunzelte sie im Rückblick auf die dubiose Fahrweise der Oranjes.
Kasper bei der Gravel-WM in Limburg | Foto: Cor Vos
Am Gravel-Sport liebt Kasper die "Ehrlichkeit der Rennen" und zog auch einen Vergleich zu ihrem Lieblingsrennen Paris-Roubaix. “Bei den Schotterrennen stehst du permanent auf dem Gas. Das sind ehrliche Wettkämpfe, bei denen man nicht nur hinten draufliegen kann, um dann am Ende jemanden abzusprinten“, meinte sie.
Ihre Faszination ging so weit, dass sie schon zu Saisonmitte entschieden hatte, ihre Karriere als WorldTeam-Profi auf der Straße ausklingen zu lassen. Der Radsport wird im Jahr 2026 eine Transformation der Romy Kasper erleben: vom Fulltime-Straßenprofi hin zur Schwerpunktverlagerung auf Gravel-Events. “Ich habe bereits einen Vertrag bei einem Gravel-Team unterschrieben, für das ich beispielsweise auch so namenhafte Rennen wie Unbound oder The Traka fahren werde“, hob sie den Vorhang, wir es mit ihrer Zukunft weitergeht. An Angeboten anderer Straßenteams hatte es nicht gefehlt, doch die Zeit schien reif für etwas Neues.
Bei der Frage, wohin es sie in Zukunft zieht, wird sich die Öffentlichkeit noch ein wenig gedulden müssen. Erst Ende Dezember wird ihre Verpflichtung vom neuen Team offiziell in einer Pressemitteilung bekannt gegeben werden. Und so endgültig den Rücken kehren wird sie der Straße auch nicht, denn eines weiß sie nur zu gut: “Fürs Gravel kann ich mir auch die nötige Rennhärte auf der Straße holen.“