Harte Kritik an Jens Voigt

Jaksche verrät, warum er Fuentes kennt

Von Matthias Seng

13.12.2006  |  Jörg Jaksche trainiert derzeit in der Toskana. Er will sich zusammen mit ambitionierten Hobbyfahrern, Amateuren und anderen Profis fit halten. Fit für eine Zukunft, von der er nicht weiß, wie sie aussehen wird. Der deutsche Profi zählt zu den 58 Fahrern, denen im Zusammenhang mit der Operation Puerto Doping vorgeworfen wird.

Sein Fall lässt Zweifel an den Ermittlungsergebnissen der Guardia Civil aufkommen!

Jaksche bestätigt im Gespräch mit Radsport aktiv, den ihm Zentrum des Skandals stehenden spanischen Arzt Eufemiano Fuentes zu kennen – allerdings nicht im Zusammenhang mit Doping. „Ich kam mit Dr. Fuentes in Kontakt, als er mich um Hilfe für seine zweijährige Tochter bat, die an Augenkrebs leidet“ sagt Jaksche. „Sie hatte schon ein Auge verloren. Um das zweite zu retten, sollte ich mich bei meinem Vater, der selber Augenarzt ist, nach einer renommierten Klinik in Deutschland erkundigen. Mit Doping hatte ich nichts zu tun.“

Dann bezieht der 30-jährige Franke ausführlich Stellung zu den Vorwürfen gegen ihn. „Ich weiß nicht, wie die auf mich kommen“, so Jaksche zu den Meldungen, wonach auch er auf der ominösen Fuentes-Liste stünde. „Das müssen Sie die Leute von der Guardia Civil fragen. Ich werde dort unter sieben verschiedenen Spitznamen geführt, u.a. als Bella und Jorge. Mal davon abgesehen, dass es in Spanien einige Millionen Männer mit Namen Jorge gibt: Dieser Jorge, also ich, soll während der Malaysia-Rundfahrt 2005 von Kuala Lumpur nach Madrid geflogen sein, dort Blut verabreicht bekommen haben und am Abend wieder in Kuala Lumpur gewesen sein. Entschuldigung: Aber das ist kompletter Schwachsinn!“

Jaksche ist überzeugt davon, die gegen ihn gerichteten Indizien entkräften zu können. Dabei sollen ihm zweifelsfreie Belege helfen, anhand derer er nachweisen will, dass er sich oftmals gar nicht an den ihm unterstellten Orten aufgehalten haben kann. Jaksche: „Natürlich vermag ich nicht, die letzten Jahre lückenlos zu rekapitulieren, aber 98 Prozent der Vorwürfe kann ich allein durch Telefonrechnungen, Visa-Card-Abbuchungen oder ähnliches widerlegen. Nur zwei weitere Beispiele: 2004 soll ich den Dokumenten nach bei Tirreno Adriatico gefahren sein. Zu der Zeit gewann ich aber Paris-Nizza. Im letzten Jahr soll ich bei Paris-Roubaix kurz vor der letzten Kopfsteinpflasterpassage meine Freundin angerufen und zehn Minuten mit ihr gesprochen haben. Das stimmt vorne und hinten nicht.“

Sein spanischer Anwalt hat ihm Auszüge aus den Ermittlungsakten geschickt. Zudem hat sich Jaksche im Internet kundig gemacht, wo ebenfalls Auszüge der Akten veröffentlicht wurden. Nach dem Abgleich der ihn betreffenden Stellen mit seinen Dokumenten ist er sich sicher, seine Unschuld nachweisen zu können. Zudem empört ihn, dass anhand der Ermittlungsakten schon Vorverurteilungen ausgesprochen wurden, ohne dass die betroffenen Fahrer Möglichkeiten gehabt hätten, sich zu verteidigen.

„Der spanische Ermittlungsrichter ist der Einzige, der sich momentan an Recht und Gesetz hält“, so Jaksche. „In einem schwebenden Verfahren ist es illegal, Ermittlungsakten an die Öffentlichkeit zu geben. Deshalb hat er auch Strafverfahren gegen Beamte der Guardia Civil eingeleitet.“

Nachdem der Österreichische Verband aus Mangel an Beweisen ein Verfahren gar nicht erst eröffnet hat, dürfte Jaksche ab sofort wieder Rennen fahren. Allerdings ist seine vertragliche Situation so verworren, dass bis jetzt völlig ungewiss ist, wie es weiter geht. Jaksche: „Ich bin bis Ende 2007 vertraglich an Active Bay und Manolo Saiz gebunden. Vor der Tour de Franc hat Astana mit Saiz einen Vertrag abgeschlossen. Im August hatte man kein Interesse mehr mit ihm zusammenzuarbeiten. Es ist ein bisschen wie in einer Ehe: Saiz–Astana haben einen nach spanischem Recht gültigen Vertrag miteinander, den Biver- oder Rominger-Astana dann einseitig gekündigt haben.“

Jaksche würde gerne wieder für seinen ebenfalls unter Dopingverdacht stehenden langjährigen Teamchef Manolo Saiz fahren - sofern dieser Sponsoren findet und ein Budget zusammenstellen kann. „Ich will Saiz gegenüber loyal bleiben“, lautet die Begründung. „Ich habe mit ONCE/Liberty/Astana sehr schöne Zeiten erlebt. Das Team war wie meine zweite Familie, und ich würde mich freuen , mit Beloki und den anderen Jungs wieder fahren zu können.“

Für Jaksche ist es noch lange nicht ausgemacht, dass Saiz, eine der schillerndsten Figuren unter den Teamchefs, sich bei dem Treffen mit Dr. Fuentes Dopingmittel besorgt hat. „Das ist doch alles spekulativ. Im Endeffekt weiß momentan niemand, was tatsächlich vorgefallen ist. Es hieß, es wären Blutbeutel in Saiz’ Thermotasche gewesen. Meiner Meinung nach ist das nichts als eine Zeitungsente. Man würde mit seinem Leben spielen, wenn man auf die Art und Weise mit Blutbeuteln hantieren und sich das Blut dann zuführen lassen würde. Wir bewegen uns momentan im Reich der Spekulation. Wir sollten abwarten, bis das Gericht eine Entscheidung trifft. Anfangs schien an dieser Geschichte alles klar. Aber mittlerweile sieht man, dass es ganz und gar nicht klar ist. Saiz z.B. hat meines Wissens nach nicht einmal eine Kaution zahlen müssen. Er hat seinen Reisepass behalten dürfen und ist nach Kasachstan geflogen, um dort mit Astana zu verhandeln.“

Dagegen kritisiert Jaksche seinen Landsmann und ehemaligen Teamkollegen Jens Voigt für dessen jüngste Äußerungen zum Fall Basso. „Zunächst einmal gehe ich davon aus, dass Jens Voigt immer noch nach der Trainingsmethodik von Cecchini arbeitet, denn der hat die bis 2004 für CSC Trainingspläne erstellt“, vermutet Jaksche, der selber ein Jahr lang für CSC fuhr. „Voigt hat jahrelang an den Erfolgen von Ivan Basso mitverdient. Wenn er ihn dann so verurteilt, muss er auch so konsequent sein, dass Geld, dass er durch Bassos Erfolge verdient habe, nicht anzunehmen und stattdessen einem karitativen Zwecke oder der Dopingforschung zur Verfügung zu stellen. Ansonsten muss er sich den Vorwurf der Heuchelei gefallen lassen.“

Momentan schwankt Jaksche zwischen Zuversicht und Skepsis: „Ich habe noch die Hoffnung, dass es weitergeht. Ich glaube, dass ich wieder vorne mitfahren kann. Ich versuche zu trainieren, aber die Angst ist immer da, die Angst, dass ich nicht mehr in meinem Beruf zurückkehren kann. Nicht, weil ich Angst davor habe, des Dopings überführt zu werden, sondern wegen des schlechten Images, das ein in Verdacht geratener Fahrer hat. Bei Milram etwa sagte man zu mir: Du bist sportlich interessant, aber Du hast ein schlechtes Image. Da kriegt man schon Existenzängste. Aber wenn alles den Bach runtergeht, kann ich immer noch studieren.“

Keine Angst hat Jaksche davor, dass der Österreichische Verband das Verfahren gegen ihn wieder aufnehmen könnte: „Für mich ist die Sache gegessen. Ich bin da ganz ruhig, weil ich nichts zu befürchten habe. Ich habe keine Bedenken, dass noch negative Folgen für mich entstehen könnten.“

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