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15.07.2013 | (rsn) - Die Team-Unterkünfte bei der Tour de France sind oft alles andere als Fünf-Sterne-Hotels. Doch am Ruhetag ist vieles anders, und so kamen zumindest einige Mannschaften nach der schweren Ventoux-Etappe in den Genuss von wahren Traum-Anwesen. So auch das Team Belkin, dessen prachtvolles Hotel in Grignan neben dem fast obligatorischen Pool auch über einen riesigen Garten verfügte - ein weiterer Grund, dass bei den Niederländern gute Laune und entspannte Stimmung herrschte.
Da kam auch kein Stress auf, als die Terrasse des Hotels ‚La Manour de la Roseraie‘ am Nachmittag vor - in erster Linie niederländischen - Journalisten zu platzen drohte. Bauke Mollema, Laurens Ten Dam und Co. blieben entspannt und plauderten im Schatten der großen Bäume gerne über ihre herausragenden ersten zwei Tour-Wochen - und beantworteten auch kritisch angehauchte Fragen zum Überraschungseffekt ihrer Leistungen souverän.
„Ich denke, ich habe mich am Berg in den letzten Jahren stetig verbessert. Ich habe meine erste Grand Tour beim Giro 2010 absolviert und wurde Zwölfter. Letztes Jahr wurde ich dann besser und besser“, erklärte der 26-jährige Mollema, und Teamchef Nico Verhoeven fügte an: „Er war schon Vierter bei der Vuelta (2011, d. Red.) und hat auch dort schon eine sehr starke dritte Woche gefahren.“
Tatsächlich kommen Ten Dam (Vuelta-Achter von 2012) und vor allem Mollema (Giro-Zwölfter 2010, Vuelta-Vieter 2011) eben nicht aus dem Nichts. Dass sie bei der Tour noch keine Top-Resultate vorzuweisen haben, lag vor allem am Pech des Rabobank-Teams, das in den vergangenen Jahren immer wieder mit großen Klassement-Ambitionen nach Frankreich reiste, dann aber aus unterschiedlichen Gründen stets enttäuschte - wie zuletzt 2012 auf Grund von einigen Stürzen in der ersten Woche. „Da waren wir schon auf dem selben Level wie jetzt“, meinte Verhoeven.
Trotzdem ging das Team, das erst eine Woche vor Tour-Beginn den neuen Hauptsponsor Belkin präsentierte, mit niedrigeren Erwartungen in die Rundfahrt als zuletzt unter dem Namen Rabobank. „Wir haben gehofft, dass wir jemand in die Top Ten bringen und unseren neuen Sponsor auf einzelnen Etappen gut präsentieren“, sagte Verhoeven. „Jetzt haben wir viel mehr, als wir uns erträumt haben.“
Die Ergebnisse werfen bei Radsport News die Frage auf, was denn nun bitte anders läuft als früher bei Rabobank. Und Mollema denkt gar nicht lange nach: „Wir haben jetzt einen klareren Plan. Früher sind wir in ein Rennen gegangen und wir hatten alle unsere eigenen Ziele. Jetzt sind wir mehr ein Team. Jeder kennt jeden sehr genau und weiß, was das Team von ihm erwartet.“ Dass das Zusammenspiel so gut funktioniert, liegt auch am Verhältnis unter den Kapitänen. Mollema: „Laurens und ich verstehen uns sehr gut. Wir fahren seit sechs Jahren zusammen in einem Team.“
So ist auch das Modell ‚Doppel-Spitze‘, das in der Geschichte vieler Mannschaften scheiterte, bei Belkin kein Problem, wie man am Ventoux sehen konnte. „Laurens war dort stärker als ich“, gestand Mollema ein. „Aber eben nicht so viel, dass er mich um eine Minute hätte abhängen können.“ Deshalb seien sie beieinander geblieben, erklärte auch Verhoeven. „Sie sollten sich nicht um 50 Meter voneinander entfernen. Wenn einer leichte Probleme hatte, sollte der andere warten. Denn so verliert man weniger Zeit und beide bleiben im Klassement weit vorne. Das ist für die kommenden Tage sehr wichtig.“
Mollema hofft vor allem im Zeitfahren zwischen Embrun und Chorges am Mittwoch, weitere Zeit gegenüber seinen Kontrahenten gutmachen zu können, zu denen er Christopher Froome (Sky) schon nicht mehr zählt. Für die Niederländer geht es darum, Platz zwei, wenn möglich, zu verteidigen. „Es wird sehr hart, denn Contador, Kreuziger und Quintana sind stark“, glaubt Verhoeven. Doch selbst wenn es ‚nur‘ zum dritten, vierten oder fünften Platz reichen sollte, die bisherigen Leistungen von Mollema und Ten Dam haben in der Niederlande sowieso längst ‚Mollemania‘ ausgelöst.
Für den ohnehin stets in orange gefärbten Anstieg nach L’Alpe d’Huez, dem Berg der Holländer, wird am Donnerstag niederländischer Ausnahmezustand erwartet. In einem Wunsch dürften die Belkin-Fans aber enttäuscht werden: Sie hoffen auf einen Angriff ihrer neuen Stars, wogegen die sich allerdings zurückhaltend geben.
„Es wird schwer, Froome zu attackieren. Wir haben gestern und in den Pyrenäen gesehen, dass er am Berg mit Abstand der Stärkste ist“, meinte Mollema, und Ten Dam erklärte, dass die Offensive ohnehin nicht unbedingt das ist, was dem Belkin-Duo liegen würde. „Ich bin ein Fahrer, der sich festbeißen kann - und Bauke ebenfalls“, betonte der Gesamtfünfte mit dem kultigen Vollbart. Um das Rennen um Platz zwei zu gewinnen, ist ein Angriff aber ohnehin nicht nötig.