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03.12.2025 | (rsn) – Nach sechs Jahren bei Maxx-Solar – Rose beziehungsweise dessen Vorgängerteams Gießen – Biehler und Maxx-Solar – Lindig hat sich Helena Bieber 2025 dem belgischen Club-Team Carbonbike – Giordana by Gen Z angeschlossen und die belgische Szene aufgemischt. Die 27-Jährige aus dem südlichen Schwarzwald fuhr einige Top-Resultate bei UCI-Rennen ein und feierte ganze fünf Siege bei nationalen Rennen im Heimatland ihres Teams.
Man kennt die Bundesliga-Gesamtsiegerin von 2021 inzwischen also auch international, zum Profivertrag reichte es für 2026 aber trotzdem nicht – noch nicht? "Der Traum hinter allem ist das natürlich immer", erklärte Bieber nun radsport-news.com. "Dafür arbeite ich viel und vielleicht zahlt es sich aus. Aber ich kann auch nicht mehr machen, als gut Rad zu fahren und die Leute anzuschreiben. Es ist einfach sehr schwer, weil ich ja auch nicht mehr 23 bin."
Wirklich alt ist die gebürtige Niedersächsin allerdings auch noch nicht – und ihre Lebensumstände deuten an, dass da noch einiges an Potenzial abrufbar sein könnte. Schließlich arbeitet Bieber halbtags bei der Grenke Bank und misst sich bei UCI-Rennen wie der Baloise Ladies Tour (2.1) in Belgien trotzdem nicht erfolglos mit Profis. 2024 wurde sie dort bereits Gesamtfünfte, 2025 nun Zwölfte – vor ihr und in den gesamten Top 18 sonst nur Fahrerinnen aus WorldTour-Rennställen.
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Bieber lebt den Lifestyle, den viele Top-Radsportlerinnen vor 15 Jahren gewohnt waren, als der Frauen-Radsport noch ein Schattendasein pflegte, die Fahrerinnen großteils ihren Lebensunterhalt anders bestreiten mussten und der Sport quasi als Hobby mit extrem viel Leidenschaft ausgeübt wurde. "Mein Urlaub geht immer für Trainingslager oder Radrennen drauf", so Bieber. "Und ich arbeite ja auch nur 50 Prozent, um das Training unterzubekommen. Das muss man schon unbedingt wollen."
Vollgas voraus: Helena Bieber im Renneinsatz. | Foto: Carbonbike – Giordana by GenZ
Während Profis aus der WorldTour und ProSeries Mindestlohn bezahlt bekommen und auch ihre Reisekosten zu den Rennen natürlich vom Team getragen werden müssen, bestreiten Fahrerinnen auf Kontinental- und vor allem auf Club-Niveau ihren Radsport noch sehr eigenverantwortlich. Ein gestelltes Rad, Teamkleidung, vielleicht noch – je nach Sponsorendeals des Teams – Sportnahrung oder andere Kleinigkeiten gibt es. Bares Geld aber so gut wie nie, und auch die Reisen zu den Rennen oder ganze Trainingslager zahlen die Fahrerinnen selbst. Das ist übrigens auch bei den Männern auf diesem Level oft so.
Seit 2019 ist Bieber das gewohnt. Damals kam sie vom Triathlon zum Radsport. "Ich war ziemlich schlecht im Laufen, aber Radfahren hat mir immer Spaß gemacht", erzählte sie nun RSN. Über eine Rad-Trainingsgruppe und einige Jedermann-Rennen bewegte sie sich immer mehr in Richtung Radsport, eine Freundin brachte sie schließlich zum Bundesliga-Team RSG Gießen – Biehler.
Mit dem Rennstall von Sebastian Ventker und Christian Müller gewann sie die Bundesliga-Teamwertung und 2021 auch die Einzelwertung, machte die Teamfusion mit Maxx-Solar mit und stieg auch mit auf Kontinental-Niveau auf. 2023 aber verpasste sie aufgrund einer Beckenarterien-OP den Großteil der Saison und so tauchte Bieber erst 2024 international als KT-Fahrerin auf – mit besagtem fünften Gesamtrang bei der von Lorena Wiebes gewonnenen Baloise Ladies Tour damals als Saisonhighlight.
Zum Jahresende hin aber wurde deutlich: Das Team Maxx-Solar – Rose wird aufgelöst. Bieber suchte nun nach einem neuen Rennstall, bewarb sich bei mehreren internationalen KT- und auch Profi-Teams, kam aber nirgendwo unter. Und als dann ihre Teamkollegin Lorena Leu bei Carbonbike – Giordana anheuerte und dort noch Platz war, folgte Bieber der Schweizerin.
"Das Rennprogramm, dass sie mir am Telefon geschildert haben, war megacool. Und deshalb habe ich gesagt: Ja, auf jeden Fall, da gehe ich mit hin", so Bieber. "Es war auf den letzten Drücker die Notfalllösung, aber eine richtig gute – und jetzt bleibe ich auch 2026 noch dort, weil die Rennen so gut sind, die sie fahren, und ich auch mit dem Team und der Struktur sehr zufrieden bin."
Belgien und Bieber, das passt nicht nur wegen der Anfangsbuchstaben. Entgegen aller Quer- oder Späteinsteiger-Klischees gefällt es ihr einfach, bei den hektischen Rennen auf kleinen Sträßchen und Feldwegen unterwegs zu sein.
"Ich mag es flach oder wellig und mit viel Kopfsteinpflaster – und dann auch dieses hektische Rennfahren. Man muss dort nicht nur treten können, sondern auch geschickt sein und sich im Feld gut positionieren", erzählte sie. "Ich glaube, da wurde mir im alten Team und von Christian sehr viel beigebracht – und beim vielen Rennen schauen. Ich konnte das schon immer recht gut umsetzen und wenn mir gesagt wird: In der Kurve vorne sein, dann bin ich in der Kurve vorne. Deshalb mag ich es auch, im Sprint-Leadout zu sitzen."
Helena Bieber führt das Feld auf eine belgische Zielgerade. | Foto: Carbonbike – Giordana by GenZ
Biebers zweiter Lieblingsteil des Radfahrens, passt schon eher zu ihrer Triathlon-Vergangenheit: Einzelzeitfahren. 2024 war sie Achte im Kampf gegen die Uhr bei den Deutschen Meisterschaften und würde das gern künftig noch etwas nach oben korrigieren, wenn die Strecke passt: "Ich hoffe auf ein wirklich flaches DM-Zeitfahren."
2025 in der Pfalz war das auf einem eher bergigen Kurs nicht der Fall und so ließ Bieber die Meisterschaften sogar aus. Stattdessen blieb sie im zweieinhalbwöchigen Höhentrainingslager in Livigno und bereitete sich weiter auf den Sommer mit der Baloise Ladies Tour vor. Diesmal kam Bieber dort Mitte Juli zwar nicht in die Top 5, doch auch der zwölfte Gesamtrang, inklusive Platz zehn im Einzelzeitfahren, konnte sich angesichts der Konkurrenz sehen lassen.
Noch besser, zumindest in Sachen RSN- und auch UCI-Weltranglistenpunkte war Mitte Mai der fünfte Platz beim Simac Omloop der Kempen Ladies (1.1) in den Niederlanden – auch da geschlagen nur von Profis mit WorldTour-Erfahrung.
Als ihr persönliches Highlight in der Saison 2025 beschrieb Bieber aber ein anderes Wochenende im Mai. Da nämlich gewann sie beide Etappen des zweitägigen Vermarc Cycling Project, einem belgischen Etappenrennen auf nationalem Niveau, aber mit internationaler Beteiligung, und damit auch die Gesamtwertung. "Ich wollte von vorneherein beide Tage gewinnen, und dass das dann geklappt hat, war megacool! Aber dafür musste ich dann schon auch 20 Mal aufstehen und attackieren und allein wegkommen", blickte Bieber nun zurück.
Solo-Sieg: So hat man Helena Bieber in Belgien 2025 gleich vier Mal jubeln sehen. | Foto: Carbonbike – Giordana by GenZ
Das übrigens zog sich 2025 so durch bei den nationalen belgischen Rennen, die nicht zum UCI-Kalender gehören und auch für die Berechnung der RSN-Rangliste daher übrigens keine Bedeutung hatten: Bieber feierte all ihre Siege als Solistin und hat sich als solche wohl auch einen Namen gemacht.
Auf Nachfrage von RSN, ob man sie in Belgien inzwischen kenne, erzählte sie: "Ja, schon. Mein Team hat mir eine Geschichte von einem Rennen erzählt, bei dem ich gar nicht dabei war: Da war eine Fahrerin vorne raus und irgendwer hat gerufen: 'Das ist die Bieber, das war's – Sieg ist weg!' Dabei war ich gar nicht dabei. Das war schon lustig, das zu hören."
Man darf gespannt sein, ob sie diesen Ruf auch 2026 bestätigen kann und dieser dann auch laut genug ist, um von einem Profi-Rennstall gehört zu werden.