Tour du Maroc-Tagebuch von Embrace the World

Ich hatte den Etappensieg schon vor Augen

Von Hermann Keller

Foto zu dem Text "Ich hatte den Etappensieg schon vor Augen"
Das Team Embrace the World | Foto: Nils Laengner / ETW Cycling

14.04.2019  |  (rsn) - Heute kann ich statt der Abschiedsgrüße, Liebesgrüße nach Moskau senden. Aber darauf komm ich gleich nochmals zurück. Erst möchte ich das tolle Frühstück in dem riesigen Hotel in Marrakesch hervorheben. Es gab super leckere Semmel und alles was ich mir als verwöhnter Deutscher (vor allem auf Brot bezogen) so wünschen kann. Heute hatte ich wieder ordentlich Appetit und konnte also das volle Programm genießen.

Nach dem Frühstück machten wir uns auf den Weg zum Startort, der Transfer wurde allerdings hart ausgefahren. An der Mautstelle legte sich unser Busfahrer mit dem Fahrer der Franzosen an, es wurde äußerst eng und der Franzose gewann den Sprint. Unser Busfahrer war leider ein schlechter Verlierer und sah das Ganze nicht so sportlich.

Am Startort angekommen, gingen wir bei dem letzten Pre-Race Kaffee der Rundfahrt die Taktik durch. Matthias wollte es in der Gruppe versuchen und im Falle eines Sprints wollten wir uns hinten sammeln und erst kurz vor dem Ziel vorbeiziehen, um ein Chaos wie gestern zu vermeiden.

Das Rennen wurde gestartet und sofort wurde attackiert. Wir besetzten die Gruppen und Basti schaffte es tatsächlich, sich aus dem Staub zu machen. Die Gruppe lief vorne wie geschmiert, allerdings machte das Feld hinten auch Tempo. Sofort kamen mir wieder meine Verschwörungstheorien in den Sinn. Selbst das Gelbe Trikot schaltete sich in die Nachführarbeit ein. Wir schmetterten hinten mit knappen 60km/h der Spitzengruppe hinterher.

Die Spitzengruppe blieb aber über gute 30km zwar immer in Sichtweite, aber kam auch nicht wirklich näher, denn in beiden Gruppen wurde ein Höllentempo angeschlagen. Plötzlich schoben sich links an mir die russischen Panzer vorbei. Panzer deshalb, da sie Bahnfahrer sind und ihre Grundlageeinheiten wohl durch Kraftraumeinheiten ersetzt haben im Winter.

Obwohl sie mir mein Herz mehrfach gebrochen haben, sind sie mir dennoch sympathisch. Die Panzer zogen das Tempo nochmal richtig hoch und halfen dem Gelben Trikot die Lücke kleiner zu machen. Die Straßen waren übrigens sehr schlecht, vielleicht hatten die Organisatoren die Strecke gezielt ausgesucht, da heute auch Paris-Roubaix stattfand. Dem geschuldet stand Basti dann auch plötzlich rechts am Straßenrand wegen eines Defekts und kurze Zeit später wurde bei uns das Tempo rausgenommen. Zufall? Ich denke nicht! Eventuell lag es aber auch daran, dass sich in der Gruppe um Basti auch einige wichtige Fahrer für das Gesamtklassement befanden und die Gruppe in dem Moment eingeholt wurde, als Basti den Defekt hatte.

Jedenfalls ging es sofort weiter mit den Attacken, auch ich versuchte es das ein oder andere Mal, war aber nicht erfolgreich. Auf einmal kam jedoch Matthias Plattner von rechts an mir vorbeigefahren, schaltete den Turbo ein und initiierte die nächste Spitzengruppe. Doch auch hier blieb das Tempo im Feld hoch und die Gruppe arbeitete nur schlecht zusammen. So schlecht, dass sie sich bald anfingen gegenseitig zu attackieren und der Eidgenosse mit weiteren 6 Fahrern die restlichen Fahrer der Gruppe (auch 6) ziehen lassen mussten. Auch hier wittere ich wieder eine Verschwörung!

Im Feld wurde allerdings das Tempo hochgehalten und als es auf den finalen Stadtkurs in Casablanca ging, war die Spitzengruppe in Sichtweite. Ich sagte Basti und Matias, sie sollten, wenn sie können, die restlichen Attacken mitgehen und ich wollte versuchen, mich einfach selbst durchzuschlagen. Dies wurde bravourös von den beiden ausgeführt, doch leider konnte sich keine Gruppe entscheidend absetzen.

Es ging in die letzte Runde, allerdings war ich nicht perfekt positioniert, da es doch wieder ein richtiges Gerangel wurde und ich nicht stürzen wollte. Die Überbleibsel der Spitzengruppe waren in 50m Sichtweite, die Ziellinie nur noch knapp 500m entfernt, also beschloss ich einfach einen langen Sprint zu fahren.

Ich scherte also aus und dockte mich immer wieder mal irgendwo an und konnte den letzten Ausreißer ca. 100m vor dem Ziel überholen. Ich hatte den Etappensieg schon vor den Augen, aber 50m vor dem Ziel schob sich in meinem Augenwinkel noch eine 4er-Gruppe vorbei. Das wäre auch zu schön gewesen! Letztendlich konnte ich jedoch auf den 5. Platz sprinten, womit wir zufrieden sind.

Matias sicherte sich seinen 3. Platz in der Nachwuchswertung, was für uns auch ein tolles Ergebnis ist. Ach ja, die Liebesgrüße deshalb, da die russischen Panzer und Herzensbrecher das Finale mustergültig vorbereiten konnten und die Etappe im Sprint gewannen.

Die Rundfahrt war jedenfalls ein sehr schönes Erlebnis, wir hatten sehr viel Spaß, eine gute Zeit und auch das ein oder andere gute Ergebnis. Wir geben uns mit den Ergebnissen zufrieden, auch aufgrund unserer geringen Anzahl an Fahrern. Wenn wir darüber nachdenken wie es wohl mit 6 Fahrern gewesen wäre, würde ich gerne Lothar Matthäus zitieren: „Wäre, wäre, Fahrradkette.“

Vielen Dank für's Lesen und noch einen wunderschönen Abend!

Nur die besten Grüße aus Casablanca,

Hermann

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