Erster Sieg nach überstandenem Drüsenfieber

Chaves sorgt für Familienfeier in den Dolomiten

Von Felix Mattis

Foto zu dem Text "Chaves sorgt für Familienfeier in den Dolomiten"
Esteban Chaves (Mitchelton - Scott) bejubelt seinen Sieg auf der 19. Giro-Etappe. | Foto: Cor Vos

31.05.2019  |  (rsn) - "Zieh los, Junge, zieh los!", rief seine Mutter im Zielbereich. Und Esteban Chaves zog los. Der 29-jährige Kolumbianer setzte 2,5 Kilometer vor dem Zielstrich der 19. Giro-Etappe in San Martino di Castrozza seine letzte und entscheidende Attacke aus der Spitzengruppe des Tages und fuhr von da an mit Vollgas allein seinen Eltern entgegen, um schließlich unter riesigem Jubel und einigen Freudentränen in deren Arme zu fallen und zwei Tage nach Rang zwei in Antholz nun seinen Etappensieg beim 102. Giro d'Italia zu feiern.

Chaves gewann die 151 Kilometer lange, erste von zwei Dolomitenbergankünften, die die Entscheidung bei der diesjährigen Italien-Rundfahrt herbeiführen sollen, als Solist mit zehn Sekunden Vorsprung auf den Italiener Andrea Vendrame (Androni Giocattoli - Sidermec) sowie zwölf Sekunden vor dem Portugiesen Amaro Antunes (CCC). Es war der bereits dritte Giro-Etappensieg seiner Karriere, angesichts der Geschichte dahinter aber wohl sein schönster.

"Es ist unglaublich, ich habe nicht wirklich Worte hierfür", sagte Chaves ein Jahr und drei Wochen nach seinem letzten Sieg am Ätna. Ein Jahr, in dem seine verheißungsvolle Karriere als Rundfahrt-Talent durch Pfeiffersches Drüsenfieber gestoppt wurde, und drei Wochen, in denen er Tag für Tag bewies, dass er die Krankheit wohl endlich überstanden hat, indem er Simon Yates als treuer Helfer gute Dienste erwies und sich schließlich in der Schlusswoche selbst als Ausreißer versuchen durfte.

"Es ist ein wunderschöner Tag"

"Viel Arbeit wurde von uns allen investiert - meine Familie, mein Team, meine Freunde, sie alle wissen wie hart wir gearbeitet haben. Aber ich habe nie aufgegeben. Genau das hat heute auch dieser Schlussanstieg gezeigt. Ich habe viele, viele Male attackiert, bis ich endlich alle abgeschüttelt hatte", so Chaves, der es in der nicht allzu steilen Schlusssteigung schwer hatte, sich aus der Ausreißergruppe des Tages zu lösen, es 2,5 Kilometer vor dem Ziel aber endlich doch noch schaffte.

"Ich bin wirklich glücklich und kann das in Worten kaum beschreiben, vor allem nicht in Englisch. Es ist unglaublich. Du weinst, alle weinen. Es ist ein wunderschöner Tag", so Chaves im ersten englischsprachigen Sieger-Interview. Ähnlich ging es auch seinen Eltern. "Ich bin überglücklich, aber mir fehlen die Worte", sagte Chaves-Papa Jairo radsport-news.com-Reporter Tom Mustroph. "Esteban hat sehr schwere Monate hinter sich, wurde immer wieder zurückgeworfen, aber hat seinen Mut nie verloren und sich Schritt für Schritt wieder herangearbeitet. Ob er jetzt wieder der Alte ist? Das müsst ihr mir sagen!"

Nibali freut sich für Chaves

Während Chaves mit seiner Familie den Schlusspunkt unter einem schwarzen Jahr bejubelte, erreichten die Top 5 der Gesamtwertung 6:29 Minuten nach ihm gemeinsam. "Es war eine schwierige Ankunft, aber leider kein Unterschied zu machen", erklärte der Gesamtzweite Vincenzo Nibali (Bahrain - Merida), der keinen Angriff auf den Gesamtführenden Richard Carapaz (Movistar) gewagt hatte und im Ziel Sympathie für den Tagessieger bekundete: "Dass Chaves gewonnen hat, freut mich total!"

Den einzigen echten Angriff aus dem Feld heraus fuhr in der Schlusssteigung Miguel Angel Lopez (Astana). Der Träger des Weißen Trikots machte so 44 Sekunden in der Gesamtwertung gut und rückte als Gesamtsechster bis auf deren 26 an den fünften Platz von Bauke Mollema (Trek - Segafredo) heran.

Keine Veränderungen gab es an der Spitze der Punktewertung, die weiterhin Pascal Ackermann (Bora - hansgrohe) mit 13 Punkten Vorsprung auf Arnaud Demare (Groupama -FDJ) anführt. Der Franzose hatte keine Chance, an den Zwischensprints Boden gut zu machen, weil die Ausreißergruppe des Tages dort alle Punkte wegnahm.

So lief das Rennen:

Schon kurz nach dem Start bildete sich eine elfköpfige Spitzengruppe um Chaves und Pieter Serry (Deceuninck - Quick-Step), der mit über einer Stunde Rückstand auf das Rosa Trikot 'gefährlichster' Ausreißer im Gesamtklassement war. Etwas später verabschiedete sich auch Giovanni Carboni (Bardiani - CSF) noch aus dem Hauptfeld, der Italiener brauchte allein aber rund 45 Kilometer, um zur Spitzengruppe aufzuschließen.

Zu zwölft baute diese dann Minute um Minute ihren Vorsprung aus, bis dieser 15 Kilometer vor dem Ziel fast zehn Minuten betrug. In der Zwischenzeit hatte etwa 35 Kilometer vor dem Ziel am vorletzten Anstieg des Tages Manuele Boaro (Astana) aus der Spitzengruppe attackiert, doch der Italiener konnte sich nicht richtig absetzen und wurde knapp 20 Kilometer vor dem Ziel wieder gestellt. Im Hauptfeld hingegen blieb es bis zum Schlussanstieg ruhig: Movistar bestimmte das Tempo und hielt die Ausreißer an der sprichwörtlich langen Leine.

Chaves braucht unzählige Attacken

In der 13,6 Kilometer langen und im Schnitt 5,6 Prozent steilen Steigung zum Ziel in San Martino di Castrozza erfolgte an der Spitze des Rennens ein Angriff nach dem anderen, so dass die Gruppe nach und nach ausgedünnt wurde. Den vielversprechendsten Vorstoß ritt zunächst Marco Canola (Bardiani - CSF), der zehn Kilometer vor dem Ziel 18 Sekunden vor seinen ehemaligen Begleitern fuhr.

Auf den letzten zehn Kilometern aber kristallisierten sich dann Chaves, Vendrame, Francois Bidard (Ag2r La Mondiale) und Serry als die Stärksten heraus. Das Quartett überholte Canola und es war immer wieder Chaves, der mit Attacken versuchte, die anderen abzuschütteln. Das gelang ihm aber zunächst nicht. Erst als Bidard 3,5 Kilometer vor dem Ziel angriff und zunächst nur Chaves und Serry mitgehen konnten, half das dem Kolumbianer, der einen Kilometer später selbst erneut attackierte und nun auch seine letzten Begleiter los wurde. Vendrame hatte kurz zuvor bereits ein Problem mit seiner Kette bei der Bidard-Attacke zum Anhalten gezwungen.

Lopez macht 44 Sekunden gut, Roglic kommt nicht weg

Während Chaves vorne allein dem Ziel entgegenfuhr, attackierte knapp sieben Minuten dahinter im Hauptfeld Lopez, nachdem das Astana-Team im Schlussanstieg ein hohes Tempo angeschlagen hatte. Mikel Landa (Movistar), Vincenzo Nibali (Bahrain - Merida) und Richard Carapaz (Movistar) sowie mit leichter Verzögerung Primoz Roglic (Jumbo - Visma) versuchten zunächst hinterher zu springen, begnügten sich dann aber mit kontrollierter Verfolgung, angeführt durch Landa.

Bis zum Ziel holte Lopez so 44 Sekunden auf die anderen Klassementfahrer heraus, die gemeinsam die Zielgerade erreichten und schließlich von Roglic über den Strich geführt wurden. Der Slowene hatte auf dem Schlusskilometer noch einen Angriffsversuch gestartet, kam aber nicht weg.

Mehr Informationen zu diesem Thema

28.10.2019Martens wurmt Roglics verpasster Giro-Sieg

(rsn) - Nach 60 Renntagen beendete Paul Martens vor drei Wochen beim belgischen Eintagesrennen Binche - Chimay - Binche ein Radsportjahr, in dem er sich wieder in den Dienst der Mannschaft gestellt ha

01.08.2019Sieg in der Wallonie: Cimolai kämpft sich aus Lebenskrise

(rsn) - Davide Cimolai (Israel Cycling Academy) hat sich aus einer Lebenskrise gekämpft und ist bei der Tour de Wallonie (2.HC) auch sportlich wieder in die Erfolgsspur zurückgekehrt. Der Italiener

10.07.2019Dumoulins Knieverletzung schlimmer als gedacht

(rsn) - Tom Dumoulins Knieverletzung, die ihn beim Giro d`Italia zum Ausstieg und auch zur Absage der Tour de France zwang, ist schlimmer als befürchtet. Wie die niederländische Zeitung De Telegraa

05.06.2019Wird Lopez für Schlag gegen Zuschauer doch noch bestraft?

(rsn) - Im laufenden Giro d´Italia entging Miguel Angel Lopez (Astana) einer Strafe, als er im letzten Anstieg der Italien-Rundfahrt von einem Zuschauer zu Boden gerissen worden war und diesen deshal

04.06.2019Giro d´Italia 2019: Analyse, Tops & Flops

(rsn) - Im gemeinsamen Podcast von radsport-news.com und meinsportpodcast.de werfen Malte Asmus, Eric Gutglück und Marc Winninghoff einen Blick zurück auf den 102. Giro d’Italia, der mit dem über

04.06.2019Martens: “Movistar hatte immer alles unter Kontrolle“

(rsn) - Zum erhofften Gesamtsieg hat es nicht gereicht, aber Jumbo - Visma scheint auch mit dem dritten Platz von Primoz Roglic beim Giro d’Italia zufrieden zu sein. Routinier Paul Martens etwa, der

04.06.2019Bora - hansgrohe kehrt mit vielen Lorbeeren vom Giro zurück

(rsn) - Mit drei Etappensiegen, dem Maglia Ciclamino sowie einem sechsten Gesamtrang kehrte das deutsche Team Bora - hansgrohe vom 102. Giro d’Italia zurück. Zudem erreichten alle acht Fahrer am

03.06.2019Startet der Giro 2020 im Zwift-Stil?

(rsn) - Seit einiger Zeit kursieren Gerüchte, wonach der Giro d’Italia 2020 mit einem “virtuellen Zeitfahren“, vergleichbar den Zwift-Wettbewerben, beginnen könnte. Möglicherweise handelt es

03.06.2019Gazzetta: Team Ineos will Carapaz´ Gehalt verzehnfachen

(rsn) – Mit Chris Froome und Geraint Thomas hat das Team Ineos die Tour-Sieger der vergangenen vier Jahre in seinen Reihen. Dazu kommen mit den aufstrebenden Egan Bernal und Pavel Sivakov zwei Talen

03.06.2019Cipollini: “Ackermann ist der perfekte Athlet“

(rsn) - Mario Cipollini hält Pascal Ackermann (Bora - hansgrohe) nach dessen Auftritt beim 102. Giro d’Italia für einen potenziellen Mailand-Sanremo-Gewinner. "Ackermann ist der perfekte Athlet un

03.06.2019Roglic empfindet seinen dritten Platz wie einen Sieg

(rsn) - Nach einer grandiosen ersten Giro-Hälfte mit den Siegen in den beiden Zeitfahren und vier Tagen im Rosa Trikot lief bei Primoz Roglic (Jumbo - Visma) seit der 15. Etappe mit dem schlecht orga

03.06.2019Nibali: “Ich habe nichts zu bereuen“

(rsn) - Zwar machte Vincenzo Nibali (Bahrain - Merida) im abschließenden Zeitfahren des 102. Giro d’Italia nochmals deutlich Boden gegenüber Richard Carapaz (Movistar) gut. Die 49 Sekunden, die de

Weitere Radsportnachrichten

25.04.2024Drei Bergankünfte, Sprints, Windkantengefahr & Teamzeitfahren

(rsn) – Nachdem die Spanien-Rundfahrt im vergangenen Jahr von Torrevieja an der Costa Blanca vorbei an Madrid in den Norden nach Asturien an den Atlantik und zur abschließenden Bergankunft an den L

25.04.2024Zwölf deutsche Profis auf vorläufiger Startliste des Giro d´Italia

(rsn) – Insgesamt zwölf deutsche Profis werden nach aktuellem Stand am 4. Mai den 107. Giro d’Italia in Angriff nehmen, wie aus der vom Veranstalter RCS Sport veröffentlichten vorläufigen Start

25.04.2024Lutsenko und Cattaneo in der Romandie ausgestiegen

(rsn) – Ohne Alexej Lutsenko (Astana Qazaqstan) wird am Donnerstag die  77. Tour de Romandie fortgesetzt. Wie sein Team mitteilte, ist der Kasachische Meister, der zuletzt den Giro d´Abruzzo gewan

25.04.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morg

25.04.202422 Teams am Start der 3. Tour de France Femmes

(rsn) – Mit insgesamt 22 Teams wird am 12. August im niederländischen Rotterdam die 3. Tour de France Femmes (2.WWT) gestartet. Beim Grand Départ dabei sein werden auch die beiden deutschen Frauen

24.04.2024Highlight-Video der 1. Etappe der Tour de Romandie

(rsn) – Der Franzose Dorian Godon (Decathlon – AG2R La Mondiale) hat sich die 1. Etappe der Tour de Romandie gesichert. Nach 165,7 Kilometern vom Château-d´Oex nach Fribourg, wobei sechs Bergwer

24.04.2024“Unglaublich“: Dorn fährt auf Ansage ins Bergtrikot

(rsn) – Das Team Bike Aid, allen voran Vinzent Dorn, zeigt sich bei der Tour of Turkiye (2.Pro) weiterhin von der allerbesten Seite. Dorn schaffte es auf der 4. Etappe, die über 138 Kilometer von

24.04.2024Godon und Vendrame sorgen für Decathlon-Doppelschlag

(rsn) – Synchroner Jubel auf Platz eins und zwei, dahinter kollektiver Ärger: Decathlon – AG2R La Mondiale hat durch Dorian Godon und Andrea Vendrame auf der 1. Etappe der Tour de Romandie (2.UWT

24.04.2024Uhlig bremst, Andresen gewinnt vor van Poppel

(rsn) – Tobias Lund Andresen (dsm-firmenich – PostNL) hat auf der 4. Etappe der Türkei-Rundfahrt (2.Pro) seinen ersten Sieg als Profi gefeiert und damit auch die Gesamtführung an sich gerissen.

24.04.2024Bahn WM 2025 zum zweiten Mal nach Südamerika vergeben

(rsn) - Wie der Weltradsportverband UCI am Mittwoch bekanntgab, werden die Bahnweltmeisterschaften vom 15. bis zum 19. Oktober im Velódromo Peñalolén in Santiago de Chile stattfinden. Zunächst hat

24.04.2024Hindley und Lipowitz verlängern bei Bora - hansgrohe

(rsn) – Bora – hansgrohe hat die Verträge mit Jai Hindley und Florian Lipowitz verlängert. Wie immer machten die Raublinger keine Angaben über die Laufzeiten. Außerdem gab der deutsche WorldTo

23.04.2024Pogacar: “Ich kann noch etwas besser werden“

(rsn) – Nach seinem überragenden Auftritt bei Lüttich-Bastogne-Lüttich, wo er sich mit einem 35-Kilometer-Solo zum zweiten Mal nach 2021 den Sieg sicherte, verbringt Tadej Pogacar (UAE Team Emira

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Tour de Romandie (2.UWT, SUI)
  • Radrennen Männer

  • Presidential Cycling Tour of (2.Pro, TUR)
  • Gracia Orlová (2.2, CZE)
  • Tour de Bretagne (2.2, FRA)
  • Tour of the Gila (2.2, USA)