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21.05.2021 | (rsn) - George Bennett (Jumbo - Visma) erlebt eine ganz besondere Grand Tour. Gewöhnlich muss der neuseeländische Kletterer ja auf seinen jeweiligen Kapitän in den Bergen aufpassen. Er ist im Hochgebirge ein gewohnter Begleiter des Slowenen Primoz Roglic. Beim 104. Giro d’Italia durfte er auf eigene Rechnung fahren. Bennett ließ aber schon in der ersten Woche so viel Zeit liegen, dass ihn auch die Rivalen als nicht mehr relevant für den Kampf um einen Podestplatz einschätzen.
Den Kälteschock, den er aufgrund der widrigen Wetterbedingungen erlitten hatte, hat der 31-Jährige mittlerweile überwunden. Tapfer sucht er sein Glück in Fluchtgruppen. “Ja, das ist ein ganz neuer Ansatz für mich. Ich bin es nicht gewohnt. Und ich muss mich in diese Art von Spiel auch erst einfinden“, sagte Bennett nach der 12. Etappe zu radsport-news.com.
Da war der ungewohnte Ausreißer sogar nah an einem Tagessieg. Bennett gehörte zu jenem Quartett aus einer größeren Fluchtgruppe, das den Sieg unter sich ausmachte. Cleverer als er war aber der Italiener Andrea Vendrame (AG2R Citroën), der in Bagno di Romagna triumphierte. Bennett fiel durch fruchtlose Attacken und einen Streit mit Mitausreißer Gianluca Brambilla (Trek - Segafredo) auf. Der Italiener war offenbar sauer, dass Bennett zwar attackieren konnte, in der Nachführarbeit auf Vendrame und dessen Begleiter Chris Hamilton vom deutschen DSM-Rennstall aber nicht mitspielen wollte.
"Wir haben es verzockt"
Brambilla stellte die Arbeit dann auch ein und fuhr Bennett beim Sprint um Platz drei sogar in die Fahrlinie. Dafür wurde er später relegiert. Bennett war aber sauer über die verpasste Chance. “Heute war die Gelegenheit da. Aber wir haben es verzockt“, gestand er ein. Seine eigene Zockerhaltung erklärte er so: “Ich bin kein Sprinter, sondern ein Kletterer. Mit meinen 56 Kilogramm habe ich Mühe, überhaupt auf 1000 Watt zu kommen. Wieso soll ich dann ein Interesse daran haben, eine Gruppe zusammenzuhalten? Ich muss mich mehr auf die Katz & Maus-Spiele verlassen und die Entscheidung in den Anstiegen suchen.“
Genau das versuchte er. Aber der Berg war dann doch nicht lang genug, seine Begleiter letztlich auch zu stark. “Ich werde es aber wieder versuchen. Das ist meine einzige Möglichkeit, hier beim Giro noch Eindruck zu machen. Und die längeren Berge, die mir mehr liegen, kommen ja noch“, meinte er.
Im Hochgebirge kommt es mehr auf Stärke als auf Glück und Geschick beim Zocken an. Bennett muss allerdings auch aufpassen, dass er durch erfolgreiche Fluchten nicht wieder zu nah ans rosa Trikot kommt. Dann wird er zu einer Gefahr für die Klassementfahrer – und zugleich zum ungeliebtesten Fluchtkumpel, den zu viele Teams wieder einfangen wollen.
Seinen ursprünglichen Rückstand von 22 Minuten hat er durch den Ritt am Donnerstag schon wieder auf die Hälfte verkürzt. Um für den Zoncolan am Samstag einen Freifahrtschein zu erhalten, sollte er sich auf der heutigen Sprintetappe lieber ein paar Minuten mehr einhandeln.