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07.03.2022 | (rsn) – Bislang hat sich die Konkurrenz an Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) in den Rundfahrten die Zähne ausgebissen. Seit der Tour de France 2020 hat der Slowene bei Etappenrennen nur eine einzige Niederlage einstecken müssen: Bei der Baskenland-Rundfahrt 2021 wurde er hinter dem Jumbo-Visma-Duo Primoz Roglic und Jonas Vingegaard Dritter.
Bei der am Montag beginnenden Fernfahrt Tirreno – Adriatico nehmen die Rivalen von Pogacar nun einen neuen Anlauf, um den UAE-Kapitän in die Schranken zu weisen - auch wenn der momentan fast unschlagbar scheint, wie Pogacars überlegener Strade Bianche-Sieg am Samstag unterstrich.
Erster Kandidat dafür ist Remco Evenepoel (Quick-Step Alpha Vinyl), der erstmals in einem Etappenrennen auf Pogacar trifft und eine ähnlich makellose Bilanz vorzuweisen hat: Seit Anfang 2020 hat der Belgier ebenfalls nur eine Rundfahrt, die er zu Ende gefahren ist, nicht gewonnen: Bei der Volta a la Comunitat Valenciana wurde er vor vier Wochen Zweiter hinter Aleksandr Vlasov (Bora - hansgrohe).
___STEADY_PAYWALL___ “Es wird unser erstes Aufeinandertreffen in einer Rundfahrt sein. Ich erwarte, dass Evenepoel im Auftaktzeitfahren sehr schnell unterwegs sein wird. In den Bergen muss man abwarten. Da kann ich ihn noch nicht wirklich einschätzen, wie gut er da ist“, sagte Pogacar vor dem "Rennen zwischen den Meeren."
Gemeinsam am Start standen Remco Evenepoel (links) und Tadej Pogacar (rechts) bisher nur bei Eintagesrennen - wie hier beim Giro dell'Emilia 2021 mit Primoz Roglic (Mitte). | Foto: Cor Vos
Evenepoel wollte seine Ambitionen vor dem Duell nicht zu hoch schrauben. “Die Konkurrenz ist schon sehr groß. Entsprechend kann ich auch nicht den Gesamtsieg als Ziel formulieren“, so der 22-Jährige. Nervös oder gar ängstlich sei er nicht vor dem Aufeinandertreffen mit Pogacar. “Es ist viel mehr eine große Ehre, gegen den besten Fahrer der Welt anzutreten“, sagte Evenepoel, der sich in den sieben Tagen von Tirreno – Adriatico nicht nur weiterentwickeln will. “Auf den entscheidenden Etappen möchte ich auch gute Resultate erzielen“, fügte er an.
Zeitfahrergebnis nicht nur psychologisch, auch taktisch wichtig
Sein erstes Teilziel sei aber, ein gutes Zeitfahren abzuliefern. “Nach meinem guten Zeitfahren an der Algarve hoffe ich, auch hier wieder stark zu sein“, blickte Evenepoel auf den knapp 14 Kilometer langen Kampf gegen die Uhr am Montag in Lido di Camaiore voraus.
Für den Tagessieg wird er nicht nur Pogacar, sondern vor allem Filippo Ganna (Ineos Grenadiers) schlagen müssen. “Filippo ist Weltmeister und der beste Zeitfahrer überhaupt. Er ist der Favorit, aber ich will es ihm so schwer wie möglich machen“, kündigte der Quick-Step-Profi an.
Unter den Klassementfahrern erwartet Evenepoel keine größeren Zeitabstände. “Aber natürlich muss man bei Rückstand in den nächsten Tagen aggressiver fahren, bei Vorsprung kann man mehr kontrollieren“, betonte er, dass ein gutes Zeitfahren nicht nur in psychologischer Hinsicht von Vorteil sei.
Tadej Pogacar (vorne) feierte bei Strade Bianche am Samstag einen überlegenen Sieg nach einem 50-Kilometer-Solo. | Foto: Cor Vos
Zwar bezeichnete Evenepoel seinen Kontrahenten Pogacar derzeit als “unschlagbar“. Doch zwei Dinge machen den Herausforderern Hoffnung: Zum einen könnte der Parforceritt bei Strade Bianche den Slowenen viel Kraft gekostet haben.
“Ich hoffe, dass er müde ist“, sagte etwa Ganna und fügte an, dass seine Kapitäne Richard Carapaz und Richie Porte davon profitieren könnten. Pogacar selbst schien das am Sonntag zu bestätigen: “Ich bin sehr müde und habe nur eine Stunde auf dem Rad gesessen.“ Zu große Bedeutung wollte Ganna dieser Aussage aber nicht beimessen. “Pogacar ist bekannt dafür, dass er sich schnell und gut erholt.“
Zum anderen betonte Evenepoel, dass im Radsport nichts unmöglich sei. Bei der Flandern-Rundfahrt des vergangenen Jahres hätte auch niemand damit gerechnet, dass sein Teamkollege Kasper Asgreen im Duell Mathieu van der Poel (Alpecin - Fenix) besiegen würde. “Man muss einfach an sich selbst glauben, auch wenn jemand anderes besser ist.“
Welche Rolle kommt Alaphilippe in Italien zu?
Gespannt sein darf man, ob Quick-Step in den nächsten Tagen die taktische Karte mit Julian Alaphilippe als zweitem Kapitän spielen wird. Der Weltmeister war 2021 hinter Pogacar und Wout Van Aert mit seinem Etappensieg der dritte Hauptdarsteller bei Tirreno-Adriatico. Gemeinsam mit Evenepoel könnte er Pogacar abwechselnd attackieren. Aber nach seinem heftigen Sturz bei Strade Bianche ist Alaphilippe nicht in Bestform. “Der Rücken tut schon noch sehr weh“, betonte der Franzose.
Julian Alaphilippe (Bildmitte am Boden) überschlug sich bei Strade Bianche und leidet unter Rückenschmerzen. | Foto: Cor Vos
Und auch mit einem Alaphilippe in Bestform würde es Quick-Step schwer fallen, es mit Pogacars Armada aufzunehmen. Mit Rafal Majka, Marc Soler und Davide Formolo hat der Vorjahressieger drei starke Berghelfer an seiner Seite – und mit Joao Almeida und Brandon McNulty fehlen die wohlwichtigsten Helfer, die im Sommer bei der Tour de France den Unterschied machen sollen.
Pogacar weiß, dass er sich nicht nur auf sich selbst, sondern mittlerweile auch auf sein Team verlassen kann. “Wir werden jedes Jahr stärker“, spielte er darauf an, dass 2020 noch viele sagten, er habe den Toursieg als Einzelkämpfer geholt, während er jetzt über eine Helferriege verfügt, die es mit der von Jumbo - Visma aufnehmen kann.
Dabei hat sich Pogacar selbst deutlich weiterentwickelt, kann auch in den Zeitfahren die Besten der Welt schlagen. Diese Sorge hat auch Ganna mit Blick auf den Auftakt von Tirreno-Adriatico: “Ich hoffe, dass er mich da nicht besiegen wird. Nichts ist unmöglich", meinte der Italiener.