RSNplusVan der Poels Helfer holt 12. Giro-Etappe

Oldanis Sieg: Zufall, Glück oder neue Alpecin-Taktik?

Von Tom Mustroph aus Genua

Foto zu dem Text "Oldanis Sieg: Zufall, Glück oder neue Alpecin-Taktik?"
Stefano Oldani (Alpecin - Fenix) bejubelt den Sieg auf der 12. Giro-Etappe. | Foto: Cor Vos

19.05.2022  |  (rsn) - Radprofis sind keine Schreibtischtäter. Sie haben zwar Pläne, aber sie müssen unterwegs auch auf Unvorhergesehenes reagieren. Das kennzeichnete diese 12. Etappe des Giro d’Italia. Vor allem die Mannschaft von Alpecin – Fenix verblüffte an diesem Tag mit ihrer Taktik. Gleich zwei Helfer hatte Kapitän Mathieu van der Poel in der Fluchtgruppe des Tages dabei. Am Ende trudelte er aber als geschlagener 20. über die Ziellinie. Gewonnen immerhin hatte Teamkollege Stefano Oldani!

___STEADY_PAYWALL___ Der Italiener lag nach seinem Coup völlig erschöpft am Boden. Nicht einmal trinken wollte er. "Ich war einfach überwältigt“, erklärte er später. Und als Oldani dann zu Atem gekommen war, klärte er auch über die ungewöhnlichen Ereignisse auf. Denn auch bei seinem Team hatte man sich diese 204 Kilometer lange Etappe von Parma nach Genua ganz anders vorgestellt.

"Kapitän des Tages war Mathieu van der Poel. Ich habe ihm, als wir zusammen in der Fluchtgruppe waren, ja auch Wasser geholt“, meinte Oldani mit verschmitztem Lachen. "Unser Ziel war zunächst, mit mehreren Männern in der Fluchtgruppe zu sein. Uns sollte nicht wieder der gleiche Fehler wie in Neapel unterlaufen“, sagte er.

Der Fehler von Neapel sollte sich nicht wiederholen

Damals, auf der 8. Etappe, war van der Poel auch schon in einer Fluchtgruppe. Der nominell schnellste Mann in dieser Gruppe, gemeinsam vielleicht mit Afrikas neuem Stern Biniam Girmay (Intermarché - Wanty - Gobert) - der ebenfalls unter den Ausreißern war – wurde von den Fluchtkollegen aber ausgetrickst. Oldie Thomas De Gendt (Lotto Soudal) war am Ende der strahlende Sieger.

Im Zielsprint der dreiköpfigen Spitzengruppe holte sich Stefano Oldani (Alpecin – Fenix) seinen ersten Sieg als Profi. | Foto: RCS Sport

"Alle hatten sich auf Mathieu konzentriert. Das wollten wir jetzt anders machen“, lüftete Oldani den Matchplan vom Donnerstag. Der 24-Jährige holte Wasser für van der Poel, er neutralisierte aber auch Attacken der anderen. "Mein Ziel war es, die Gruppe zusammenzuhalten. Als Rota ging, bin ich hinterher. Dann hatten wir plötzlich eine Lücke. Das war unerwartet für mich. Und danach sind wir einfach weitergefahren. Ich habe Rota gesagt, komm, lass uns bis zum Ziel fahren und dann sehen, wer der schnellere ist", fügte er an.

Oldani, bislang nicht durch allzu große Explosivität aufgefallen, hatte das bessere Ende für sich und setzte sich gegen seinen Landsmann Rota und dem Niederländer Gijs Leemreize (Jumbo - Visma) durch. Mehr als sieben Minuten später kam sein Chef van der Poel in einer der Minigruppen der ursprünglichen Fluchtgruppe an.

Van der Poel verschwand wortlos im Backstage-Bereich

Der Gesichtsausdruck des Niederländers war eher verschlossen. Bevor Journalisten ihn erreichten und ihm Fragen stellen konnten, verschwand van der Poel schnell im abgesperrten Backstage-Bereich. Tagessieger Oldani konnte zumindest berichten: "Mathieu kam später auf mich zu, umarmte mich und beglückwünschte mich. Es ist einfach toll, von solch einem Champion diese Anerkennung zu erfahren.“

Im Ziel konnte der 24-jährige Italiener sein Glück kaum fassen. Als Helfer von Superstar Mathieu van der Poel ins Rennen gegangen, war Oldani am Ende der schnellste.| Foto: Cor Vos

Ob van der Poel tatsächlich so glücklich mit dem Ausgang des Rennens war, wie Oldani es glauben machen wollte, ist schwer zu überprüfen. Für Alpecin - Fenix ging aber alles gut aus. Und der Rennstall bewies einmal mehr, dass er inzwischen über die Rolle einer "MVDP-Unterstützer-Boygroup" hinausgewachsen ist. Im Schatten des Superstars wachsen auch die anderen Fahrer. Sie legen an Rennhärte zu, weil sie sich für den Leader in immer wieder neuen, oft sehr engen Situationen beweisen müssen. Und auch von der Siegermentalität van der Poels geht einiges auf sie über.

Den Sportlichen Leitern eröffnet dies neue Möglichkeiten. Sie können damit rechnen, dass dann, wenn die Konkurrenz nur Augen für van der Poel hat, auch andere Teamkollegen scharf gestellt genug sind, um Siege zu holen. Mittelfristig könnte sogar der Superstar davon profitieren. Denn wenn die Konkurrenz auch andere Männer in den Alpecin-Trikots fürchten muss, wird der Spielraum für den Chef möglicherweise größer.

Van der Poel in der "Sagan-Falle"?

Der Poulidor-Enkel könnte so aus der Sagan-Falle herauskommen. Der Slowake holte weniger Siege, als ihm mit seinem enormen Talent eigentlich gebührte. In seiner Hochphase beklagte Sagan sich darüber, dass alle immer nur hinter ihm herführen und niemand mit ihm in einer Fluchtgruppe arbeiten wollte. Sagan war in vielen Rennen meist die einzige Karte seines jeweiligen Teams.

Dagegen reichte es für seinen Kapitän nur zu Rang 20. Damit ging van der Poel zum wiederholten Mal beim Giro auf einer auf ihn zugeschnittenen Etappe leer aus. | Foto: Cor Vos

Alpecin – Fenix spielt das mit van der Poel schlauer. Der 27-Jährige ist zwar noch der anerkannte Häuptling. Aber die Indianer im Team dürfen auch mal selbst Beute machen. Die Zukunft wird zeigen, ob aus den Zufällen vom Donnerstag eine neue Taktik erwächst oder ob der stets siegeshungrige Star nicht doch wieder umschwenken möchte auf die Tradition mit einem echten Leader.

Mehr Informationen zu diesem Thema

09.06.2022Bergkönig Bouwman fällt mit gebrochenem Arm lange aus

(rsn) – Zwei Etappensiege und das Bergtrikot beim Giro d´Italia rückten Koen Bouwman erstmals in seiner Karriere in das Rampenlicht des internationalen Radsports. Doch aus dem wird er sich vorers

01.06.2022Evans glaubt an weitere große Erfolge von Hindley

(rsn) – 2011 war Cadel Evans der erste Australier, der eine GrandTour für sich entscheiden konnte. Es war sogar die größte von allen, die Tour de France. Am Sonntag hat in Jai Hindley (Bora –

31.05.2022Girmay, Hirt und Pozzovivo sorgten für eine strahlende Bilanz

(rsn) – Intermarché – Wanty – Gobert gehörte bisher nicht zu den Teams, die bei den großen Rundfahrten für Furore sorgten. Taco van der Hoorn holte 2021 auf der 3. Etappe des Giro d’Italia

31.05.2022Hindley träumt groß: “Klar glaube ich ans Gelbe Trikot“

(rsn) – Zwei Tage sind vergangen, seit Jai Hindley in Verona zum ersten australischen Sieger des Giro d’Italia geworden ist. Zwei Tage, die andere nach einer Grand Tour nutzen würden, um jenes La

31.05.2022Bauhaus mit Giro “nicht sehr zufrieden, aber zufrieden“

(rsn) - Ohne den erhofften ersten Grand-Tour-Etappensieg, aber mit einem zweiten Rang und drei weiteren Top-Ten-Resultaten ist der 105. Giro d’Italia für Phil Bauhaus (Bahrain Victorious) zu Ende g

30.05.2022Van der Poel reist ohne Rennen vom Giro zur Tour

(rsn) - Dass Mathieu van der Poel (Alpecin – Fenix) nach dem Giro d’Italia in diesem Jahr auch bei der Tour de France starten würde, war schon lange geplant. Dass der Niederländer den Giro aber

30.05.2022Kämna im Lennard-Bora-hansgrohe-Style auch bei der Tour?

(rsn) – Lennard Kämna (Bora – hansgrohe) hat beim Giro d’Italia nicht nur mit seinem Etappensieg am Ätna begeistern können. Der 25-jährige Bremer erwies sich in den Bergen zudem als entschei

30.05.2022Denk: “Jetzt träume ich vom Tour-Sieg“

(rsn) – Mit dem Giro-Sieg durch Jai Hindley hat Bora – hansgrohe nach der Neuausrichtung als Rundfahrerteam das große Ziel schon im ersten Anlauf erreicht! Wie geht es jetzt bei dem Raublinger Re

30.05.2022Gall freut sich für früheren Teamkollegen Hindley

(rsn) – Mit seiner Grand-Tour-Premiere ist Felix Gall (AG2R Citroën) nicht zufrieden, dafür freut sich der Österreicher über den Giro-Gesamtsieg seines früheren Teamkollegen Jai Hindley (Bora â

29.05.2022Hindley: “Ich wollte nicht, dass sich 2020 wiederholt“

(rsn) - Aufopferungsvoll führte Bora – hansgrohe seinen Kapitän Jai Hindley zum Giro-Sieg! Aber nicht nur die Mannschaft und hier speziell die starke Hilfe von Lennard Kämna am vorletzten Tag im

29.05.2022Carapaz: “Am Ende hat der Stärkste gewonnen“

(rsn) - In unserem täglichen Stimmensammler können Sie im Verlauf des 105. Giro d´Italia kurz nach dem Ende der jeweiligen Etappen nachlesen, was die Protagonisten zum Rennen zu sagen hatten. Matt

29.05.2022Evenepoel mit “Wolfpack-Spirit“ zum Gesamtsieg

(rsn) – Alexander Kristoff (Intermarché - Wanty - Gobert Matériaux) hat zum Abschluss der 11. Tour of Norway (2.Pro) für den ersten Sieg eines heimischen Profis gesorgt. Der 34-jährige Norweger

Weitere Radsportnachrichten

18.04.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wie geht´s zum Liveticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morgen

18.04.2024TotA-Sturz: Harper kommt mit leichter Gehirnerschütterung davon

(rsn) – Entwarnung für Chris Harper: Der Australier von Jayco – AlUla ist bei seinem Sturz rund 25 Kilometer vor dem Ziel der Königsetappe der Tour of the Alps ohne schlimmeren Verletzungen dav

18.04.2024Die Aufgebote für das 8. Lüttich-Bastogne-Lüttich der Frauen

(rsn) – Mit der 8. Ausgabe des Lüttich-Bastogne-Lüttich der Frauen endet die Ardennenwoche. Während das Männerrennen von Lüttich aus nach Süden zum Wendepunkt in Bastogne und von dort wieder z

18.04.2024Die Aufgebote für das 110. Lüttich-Bastogne-Lüttich

(rsn) – Zum krönenden Abschluss der sogenannten steht am 21. April die 110. Ausgabe von Lüttich-Bastogne-Lüttich an. La Doyenne, wie das 1892 erstmals ausgetragene und damit älteste Eintagesrenn

18.04.2024Steinhauser: Giro-Test mit Prädikat sehr gut

(rsn) – Den Feinschliff für sein Grand-Tour-Debüt holt sich Georg Steinhauser (EF Education – EasyPost) derzeit bei der 47. Tour of the Alps (2.Pro). In wenigen Wochen geht es für den Allgäue

18.04.2024Belgrade Banjaluka: Ausreißer Albrecht zum Auftakt Zweiter

(rsn) – Zum Auftakt von Belgrade Banjaluka (2.2) hat das Team P&S Metalltechnik – Benotti einen starken Auftritt hingelegt. Auf der 140 Kilometer langen 1. Etappe zwischen Belgrad und Bijeljina b

18.04.2024Auf der Königsetappe macht Carr die schwachen Tage vergessen

(rsn) – Mit einem Soloritt über rund 30 Kilometer hat sich Simon Carr (EF Education – EasyPost) die Königsetappe der 47. Tour of the Alps (2.Pro) gesichert. Der 25-jährige Brite setzte sich üb

18.04.2024Hartmann: Aus “nur durchkommen“ wurden 74 km an der Spitze

(rsn) – Elena Hartmann bekam ihre völlig durchnässten Handschuhe kaum mehr von ihren frierenden Fingern. Als die 33-Jährige vom Team Roland oben auf der Mur de Huy 5:41 Minuten nach Siegerin Kata

18.04.2024Extrembedingungen beim Flèche, aber kein Schlechtwetterprotokoll

(rsn) – Zwei Rennen unter Extrembedingungen hart an der Grenze des Schlechtwetterprotokolls der UCI bot der Flèche Wallonne am Mittwoch: Nachdem beim Start der Männer um 11:15 Uhr in Chareleroi no

18.04.2024Trotz wenig Schlaf: Benoot holt ein “exzellentes Ergebnis“

(rsn) – Vor dem Start des 88. Flèche Wallonne in Charleroi hatte Tiesj Benoot (Visma – Lease a Bike) noch mehr über die Geburt von Töchterchen Loes gesprochen, die am Abend zuvor zur Welt gekom

18.04.2024Lüttich-Bastogne-Lüttich im Rückblick: Die letzten zehn Jahre

(rsn) – Lüttich-Bastogne-Lüttich bildet traditionell den krönenden Abschluss der Ardennenwoche. La Doyenne, das älteste Eintagesrennen der Welt, ist mit seinen kurzen, teils extrem steilen Anst

18.04.2024Lopez: “Einer der härtesten Tage meines Lebens“

(rsn) – Die 3. Etappe der Tour of the Alps 2024 wird den Teilnehmern lange in Erinnerung bleiben. Zwar hatte der 124,8 Kilometer lange Abschnitt rund um Schwaz in Tirol nur wenig an Spektakel zu bie

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Tour of the Alps (2.Pro, ITA)
  • Belgrade Banjaluka (2.2, BIH)