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18.07.2022 | (rsn) - Ausgeruht und gut gelaunt blickte Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) in die Kamera, die ihn zur Video-Pressekonferenz am Ruhetag aufnahm. Der Slowene zeigte sich nicht geknickt, dass er im Gesamtklassement der 109. Tour de France hinter Jonas Vingegaard (Jumbo – Visma) platziert ist. “Hey, es ist nicht das erste Mal in meinem Rennfahrerleben, dass ich zurückliege“, sagte er lachend in die Kameras.
Gut, bei Grand Tours kann man sich an Rückstand von Pogacar kaum erinnern, so dominant wirkte er. Aber er scheint seine Schlappe auf der 11. Etappe dieser Frankreich-Rundfahrt verwunden zu haben. So ganz wollte er nicht zugeben, dass er sich auf dem Weg zum Col du Granon schlecht verpflegt hatte.
___STEADY_PAYWALL___Aber einen Mangel an Energie verspürte er doch. “Primoz (Roglic) und Vingegaard haben an dem Tag abwechselnd attackiert. Ich musste also doppelte Arbeit leisten. Und am Ende habe ich mich leer gefühlt, habe gegeben, was ich konnte, aber das reichte eben nicht aus“, sagte er rückblickend. Kraft habe er an diesem Tag allerdings durch den Zuspruch der Zuschauer verspürt. “Und am nächsten Tag, bei l’Alpe-d’Huez, war alles schon fast vergessen“, meinte er munter.
Pogacar vor Vingegaard: Dieses Szenario möchte der Slowene in Paris nach drei Wochen Tour de France noch wahr werden lassen. | Foto: Cor Vos
Etwas Optimismus zog er aus der Tatsache, dass Jumbo – Visma am Sonntag auf der 15. Etappe gleich zwei Fahrer verloren hat. “Ja, von der Anzahl her haben beide Teams jetzt sechs Fahrer. Da herrscht also Gleichstand. Wir haben es auch gemerkt, als Vegard Laengen und Bennett ausgefallen sind. Jumbo wird einen ähnlichen Verlust jetzt auch spüren“, sagte er. Seinen dänischen Rivalen sieht er dennoch in der Vorhand: “Er hat mehr als zwei Minuten Vorsprung, also ist er der Favorit für Gelb in Paris“, meinte er über Vingegaard.
Pogacar will Zeit gut machen, wo immer es geht
Auf seine Zeitfahrstärke allein will sich Pogacar nicht verlassen. Auf die Frage von radsport-news.com, mit wieviel Rückstand er beruhigt in das Zeitfahren am Samstag gehen würde, sagte er: “Mit gar keinem Rückstand. Jonas ist ein starker Zeitfahrer, und ich will mich nicht darauf verlassen, ob ich eine halbe Minute oder zwei Minuten gutmachen kann. Das ist viel zu riskant.“
Deshalb lautet sein Rezept nicht nur für die anstehenden Pyrenäen-Etappen auch: “Attackieren, wo immer es geht“. Als ein “alles oder nichts“ wollte er das aber nicht verstanden wissen. “Es handelt sich immer noch nur um ein Radrennen. Ich habe es zwei Mal gewonnen und auch ein zweiter Platz in Paris wäre nicht schlecht“, meinte Pogacar gelassen.
Aber natürlich peilt er die oberste Podeststufe an. Auf Hilfe von Ineos Grenadiers will er sich dabei allerdings nicht verlassen. “Wir machen als Team unseren Plan und versuchen den auch umzusetzen“, machte er deutlich. Ineos-Kapitän Geraint Thomas lag also richtig mit seiner Vermutung, dass Pogacar ihn nicht des Nachts für Koalititionssondierungen anrufen wird.
Nach dem Ausfall von Primoz Roglic und Steven Kruijswijk verfügt Jonas Vingegaard auch nur noch über fünf Helfer. | Foto: Cor Vos
Vielmehr will der 23-Jährige selbst alles versuchen, von frühen Attacken bis hin zu Lastminute-Sprints an der Ziellinie. Auch die will er weiter fahren. Auf die Frage, wieviel Kraft er bei diesen Sprints vergeude, antwortete er wie ein richtiger Racer: “Wir fahren Radrennen. Und die gehen nun mal bis zum weißen Strich.“
Diese Haltung ist bemerkenswert. Pogacar sollte man nicht abschreiben, nicht vor den Pyrenäen und erst recht nicht vor dem Zeitfahren. Da könnte er, anders als er es selbst einschätzt, tatsächlich einen kleinen Vorteil gegenüber Vingegaard haben. Wie man bei Zeitfahren eine Tour noch umstürzt, weiß er am besten. 2020 ging auf diese Art sein Stern auf, als er am vorletzten Tag an der Planche des Belles Filles seinem Landsmann Primoz Roglic (Jumbo – Visma) sensationell noch das Gelbe Trikot abnahm.