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24.04.2023 | (rsn) - Remco Evenepoel und sein Team Soudal - Quick-Step haben das 109. Lüttich-Bastogne-Lüttich am Sonntag dominiert. Der Belgier verteidigte seinen Titel bei 'La Doyenne', dem ältesten der großen Eintagesklassiker, souverän mit großem Vorsprung als Solist und jubelte an der Maas schließlich stilecht im Regenbogentrikot.
Zwei Themen aber überlagerten die sportlich überragende Leistung des Weltmeisters im öffentlichen Interesse dann doch: Einerseits natürlich der schwere Sturz und der Handgelenksbruch von Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) – auch bei radsport-news.com wurde diese Nachricht mehr als doppelt so oft gelesen wie der Rennbericht zum Evenepoel-Sieg.
Und andererseits die Kleiderwahl des Weltmeisters. Zum ersten Mal, seit er in Wollongong im vergangenen Herbst den WM-Titel gewann, trug Evenepoel zum weißen Trikot mit dem Regenbogen-Brustring keine schwarze, sondern eine weiße Hose. Sicher: Das sollte keine Rolle spielen, tat es für viele Radsport-Ästhetiker und auch jene Zuschauer, die gerade bei Regenwetter mehr versteckendere dunkle Unterbekleidung bevorzugen, aber wohl doch. Und so schien auch gerechtfertigt, dass der 23-Jährige auf der Pressekonferenz nach dem Rennen bereits in der zweiten Frage damit konfrontiert wurde.
___STEADY_PAYWALL___ "Ich bin hier für die dumme Frage", scherzte die belgische Radsport-Journalisten-Koriphäe Hugo Coorevits von der Zeitung Het Nieuwsblad, um dann zu fragen: "Warum hast Du heute zum ersten Mal weiße Hosen getragen?"
Im Ziel wurde Evenepoel von zahlreichen Journalisten umringt. Nicht immer sind die Fragen sportlicher Natur. | Foto: Cor Vos
Und natürlich war Evenepoel vorbereitet. Die Extravaganz des komplett weißen Weltmeister-Outfits ist schließlich immer ein Thema in der Szene. Mario Cipollini tat das – natürlich – einst, aber auch in der jüngeren Generation fuhr Mathieu van der Poel als Niederländischer Meister mit weißen Hosen bei strahlendem Sonnenschein zu seinem ersten richtig großen Straßensieg beim Amstel Gold Race 2019.
"Es ist ein besonderes Rennen und für ein so wunderschönes Rennen kann man als Weltmeister auch etwas Spezielles machen. Ich habe im Feld nur positive Kommentare bekommen. Es scheint also niemand anders zu sehen – und am Ende hat es mir Glück gebracht. Es war ein schönes Gefühl, einen weißen Anzug zu tragen. Das ist speziell, klar, aber mir hat es gefallen", erklärte Evenepoel und fügte vielsagend an: "Wir werden sehen, wann ich ihn wieder trage..."
So besonders wie sein Outfit, so besonders war für den Belgier auch sein zweiter Triumph in Lüttich, den er ohne zu zögern als noch wertvoller einstufte als den ersten im Vorjahr. "Das erste Mal ist immer eine Überraschung, aber diesmal war es ein großes Ziel. Dazu kommt das Trikot und das superstarke Teamwork, das baut natürlich Druck auf. Aber umso schöner ist es jetzt", sagte er. "Auch wenn wir am Ende nicht so emotional waren, wie vielleicht letztes Jahr, war das hier noch spezieller. Weil es so perfekt geklappt hat und wir einen klaren Plan hatten."
Evenepoels Team Soudal – Quick-Step arbeitete den ganzen Tag für an der Spitze des Feldes. | Foto: Cor Vos
Den setzte Evenepoel perfekt um: Sein Team pilotierte ihn mit unermüdlicher Führungsarbeit zur La Redoute, wo Ilan van Wilder dann mit einem letzten Kraftakt die Favoritengruppe sprengte und Evenepoel die Startrampe zur entscheidenden Attacke bereitete. "Plan B war, dass es auch noch Roche-aux-Faucons gab. Aber mit dem Tempo, das Ilan von unten anschlug, war es sehr hart. Ich habe mich umgedreht und gesehen, dass sowieso nur noch vier Mann da waren und da war mir klar, dass sie es alle schwer haben würden, mir zu folgen", so Evenepoel, der mit Plan A unwiderstehlich zum Sieg rauschte.
Dabei hatte der Belgier zuvor die anderen Ardennen-Rennen ausgelassen und war aus dem Höhentrainingslager von Teneriffa, wo er mit fast seiner ganzen Giro-Formation weilte, direkt zu Lüttich-Bastogne-Lüttich gekommen. Umstellungsprobleme aus der Höhe von der warmen Kanaren-Insel zum kaltnassen Belgien knapp über Meereshöhe hatte er keine.
An der Redoute sorgte Ilan van Wilder (r.) als letzter Helfer für das Tempo, das Evenepoel benötigte, um seine Attacke erfolgreich lancieren zu können.| Foto: Cor Vos
"Es ist immer lustig zu lesen, dass ich frisch an den Start komme. Denn es ist nicht so, dass ich im Urlaub bin dort oben am Teide (höchster Berg Teneriffas, d. Red). Ich bin dort sehr oft sechs oder sieben Stunden auf dem Rad gewesen. Aber man hat nicht den Stress des Positionskampfes, das stimmt. Diese Art von Frische im Kopf nimmt man natürlich gerne mit ins Rennen. Physisch war ich natürlich auch bereit, aber nicht weil ich Urlaub gemacht hatte", sagte Evenepoel zu den Entbehrungen der letzten Wochen und Monate.
"Bis zum Giro werde ich nicht mal zwei Wochen in 2023 daheim gewesen sein. Das ist nicht viel. Aber wenn man den Giro gewinnt, ist es das alles wert gewesen und der Sieg hier war für mich und das Team sehr motivierend und hat uns viel Selbstvertrauen für gegeben."
Selten war Remco Evenpoel in diesem Jahr zu Hause. Umso schöner ist es dann, wenn Freundin Oumi bei den Rennen dabei sein kann. | Foto: Cor Vos
Am 6. Mai beginnt in den Abbruzzen die Italien-Rundfahrt, bei der der Weltmeister um das Rosa Trikot kämpfen und seinen Teamchef Patrick Lefevere erneut strahlen lassen will, damit das bislang durchwachsene Frühjahr von Soudal - Quick-Step in Vergessenheit gerät.
"Wir holen immer gute Ergebnisse, diesmal war das Frühjahr etwas unglücklich, klar. Aber schon beim Amstel, dem Pfeil von Brabant und auch beim Flèche lief es besser. Und für heute waren wir supermotiviert und hatten einen klaren Plan. Das macht das ganze Team jetzt stolz, auch die Jungs von den flämischen Klassikern. Es gibt da keine zwei Lager", versicherte Evenepoel. "Klar müssen wir froh sein, dass wir heute gewonnen haben, weil das Frühjahr sonst ohne großen Sieg geblieben wäre. Aber nächstes Jahr kann es schon wieder ganz anders aussehen."