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19.05.2024 | (rsn) – Die Entscheidung der Königsetappe des diesjährigen Giro d’Italia (2. UWT) ist knapp 15 Kilometer vor dem Ziel gefallen. Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) tritt vom Hinterrad seines Teamkollegen Rafal Majka an, die Lücke zu den anderen Favoriten geht auf, und der Slowene ist Auf und Davon.
Im Anschluss an die Etappe waren Kommentatoren, Experten und Mitfahrer schnell dabei, die historische Dimension von Pogacars Sieg hervorzuheben. Kein Wunder: Es war die klare Königsetappe, die längste der diesjährigen Austragung, 222 Kilometer, 5300 Höhenmeter. Livigno als legendärer Etappenort und "Heimat“ zahlreicher Radprofis während der Höhentrainingslager. Der Mortirolo als mythischer Anstieg des Giro ist für sich genommen schon historisch.
Zudem fuhr Pogacar drei Minuten auf seine Kontrahenten heraus, die diesen Titel kaum noch verdienen. Das alles mit der vom Slowenen bekannten Leichtigkeit. Nur während der extrem steilen letzten zwei Kilometer schien Pogacar angestrengt. Doch neben dieser historischen Komponente dieser Etappe wurde im Ziel etwas anderes klar: UAE Team Emirates hatte einen klaren Plan – und führte diesen perfekt durch. ___STEADY_PAYWALL___
"Wir hatten diese Etappe seit Dezember zum Ziel“, sagte das Maglia Rosa im Ziel. “Das Team hat einen sehr guten Job gemacht. Wir haben die Etappe den ganzen Tag kontrolliert. Ich habe mich die ganze Zeit mit Rafal (Majka) und Felix (Großschartner) besprochen. Wir hatten – wie die Ausreißergruppe - den ganzen Tag Rückenwind. Wir mussten also schlau fahren. Majka hat einen sehr guten Job gemacht, nach der letzten Haarnadelkurve Vollgas zu fahren. So mussten alle im Rückenwind an seinem Hinterrad leiden und ich konnte die Attacke setzen."
Die Teamstärke der UAE-Emirates-Equipe ist ein Schlüssel zum Erfolg für Tadej Pogacar. | Foto: Cor Vos
Der Sieg bei dieser Königsetappe war also das Ergebnis einer fast sechsmonatigen Vorbereitung – und natürlich funktioniert ein solcher Plan nur dann, wenn man den überragenden Fahrer dieser Rundfahrt in den Reihen hat. Dennoch ist das taktische Geschick hervorzuheben.
Mit den Rouleuren im Team, Sprinter Juan Sebastian Molano, Vegard Stake Laengen und Mikkel Bjerg konnte der Abstand auf die extrem große Ausreißergruppe bei rund vier Minuten gehalten werden. Entscheidend vor allem auf dem langen Flachstück nach dem Colle di San Zeno und dem Mortirolo. Dort und in der langen ansteigenden Anfahrt zum Passo di Foscagno übernahmen Großschartner und Majka.
Besonders der 34-jährige Pole geht in seiner Rolle als Edelhelfer am Berg voll auf und war bei allen Bergetappen der letzte Mann an der Seite seines Kapitäns. “Majka wollte eigentlich noch länger von vorne fahren, er meinte, er hätte noch einen weiteren Kilometer geschafft“, sagte Sportdirektor Fabio Baldato im Ziel.
Tadej Pogacar dominiert den Giro inzwischen fast konkurrenzlos. | Foto: Cor Vos
Der Abstand nach vorne betrug zum Zeitpunkt der Etappe rund drei Minuten. Hier griff der zweite Teil des Plans von UAE, die von zwei Faktoren der Rennsituation beeinflusst wurden: Der Mann an der Spitze hieß Nairo Quintana – ein Fahrer, der gerade wenn das Renngeschehen oberhalb von 2000 Metern stattfindet, seine größten Stärken hat. Und der Rückenwind im letzten Teil des Anstiegs und der kurzen Zwischenabfahrt von der Passhöhe nach Livigno begünstigte die Ausreißer vorne. Pogacar selbst wusste, dass er die Zeit brauchen würde, um den Kolumbianer einzuholen.
Zwei Kilometer vor dem Ziel war es so weit: Pogacar flog an Quintana vorbei, der alle anderen Konkurrenten – zuerst den Deutschen Georg Steinhauser – auf mindestens zwei Minuten Abstand halten konnte. "Tadej Pogacar war einfach so stark heute. Nur er war in der Lage, Quintana heute einzuholen“, sagte Baldato. "Er hatte diese Königsetappe als Ziel und natürlich wollte er auch im Maglia Rosa hier gewinnen."
Nairo Quintana war zwei Kilometer von seinem ersten Giro-Etappensieg seit 2017 entfernt. | Foto: Cor Vos
Das Überholmanöver war das längst überfällige Bild einer Wachablösung. Vor zehn Jahren schaute Pogacar als Kind die Duelle zwischen Chris Froome und Nairo Quintana im Fernsehen. Jetzt ist der Giro-Sieger von 2014 kein ernstzunehmender Konkurrent mehr für den 25-Jährigen. Wie auch sonst wohl niemand bei diesem Giro d'Italia.
Bei aller taktischer Finesse seines Teams ist bei der Planung dieses Siegs bei der Königsetappe ein einziger Punkt dennoch wichtiger als alle zuvor: Tadej Pogacar ist der mit Abstand stärkste Fahrer. Oder, wie Teamkollege Rafal Majka sagte: "Er ist einfach verrückt."