Interview mit Gerald Ciolek

"Für ganz vorne fehlte noch ein bisschen was"

Foto zu dem Text "

Gerald Ciolek (Milram)

Foto: ROTH

20.08.2009  |  (rsn) – Nach schwachem Saisonstart hat Gerald Ciolek (Milram) in den vergangenen Monaten beständig gute Leistungen gezeigt, auch wenn es bisher erst zu einem Sieg reichte. Im Interview mit Radsport News zieht der 22-jährige Pulheimer eine vorläufige Saisonbilanz und erklärt, warum er bei der Tour de France in den Sprints gegen Mark Cavendish (Columbia HTC) chancenlos war.

Sprinter werden mehr als andere Fahrer an Siegen gemessen. Bei Ihnen steht bis jetzt erst einer zu Buche. Sind Sie enttäuscht vom bisherigen Saisonverlauf?

Ciolek: Natürlich kann ich mit der Saison nicht zufrieden sein. Das Frühjahr ist ganz anders gelaufen, als ich mir das vorgestellt habe. Andererseits bin ich mit meiner Form seit Anfang Mai wieder ganz zufrieden. Die Rennen liefen für mich relativ gut, leider konnte ich das noch nicht in Siege umsetzen. Das ist natürlich schade, aber grundsätzlich bin ich mit meiner Form jetzt ganz zufrieden.

Warum lief es im Frühjahr so schlecht?

Ciolek: Ich hatte einen Magen-Darm-Virus vor Tirreno-Adriatico, den habe ich wohl etwas verschleppt. Aber im Nachhinein bleibt die Suche nach dem „Warum“ immer ein bisschen auf der Strecke. Fakt war einfach, dass ich einen Monat lang Probleme hatte, nicht richtig auf die Füße gekommen bin und nicht zu meiner Form gefunden habe.

Anfang des Jahres hieß es, die Stimmung im Team sei sehr gut. Bis jetzt sind aber nicht so viele Siege herausgesprungen wie die von Teamchef Gerry van Gerwen angepeilten 25. Hat die Stimmung darunter gelitten?

Ciolek: Nein. Die Stimmung ist nach wie vor besonders gut. Andererseits hatten wir Fahrer uns nie eine konkrete Anzahl von Siegen zum Ziel gesetzt. Wir wollten einfach nur attraktiven Radsport bieten. Zudem muss erfolgreicher Radsport auch nicht immer nur bedeuten, dass man Rennen gewinnt. Ich denke, wir sind bei den für uns wichtigen Rennen in Deutschland sehr stark aufgetreten, etwa beim Eschborn-Frankfurt City Loop, der Bayern-Rundfahrt oder den Cyclassics in Hamburg. Bei der Tour hat es leider nicht zu einem Etappensieg gereicht, obwohl wir mannschaftlich geschlossen aufgetreten sind und auch eine sehr gute Leistung abgeliefert haben. Und speziell bei der Tour war die Stimmung eigentlich noch besser als vorher. Das macht Mut für die Zukunft, darauf lässt sich aufbauen.

Sie haben einige Spitzenergebnisse bei der Tour eingefahren, auch wenn es nicht zum Etappensieg gereicht hat. Was hat dazu gefehlt?

Ciolek: Die Endschnelligkeit hat gefehlt – die anderen waren im Finale einfach schneller. So simpel kann man das ausdrücken. Ich war dieses Jahr in den Sprints nicht da, wo ich gerne gewesen wäre. Ich denke trotzdem, dass ich bei der Tour eine ganz gute Leistung abgeliefert habe, auch wenn ich gemerkt habe, dass für ganz vorne noch ein bisschen was fehlt.

Beeindruckend war immer wieder der sehr gut funktionierende Columbia-Zug, nicht nur bei der Tour. Ist Milram in der Abstimmung für den eigenen Zug noch nicht so weit?

Ciolek: Wenn man sich die Sprintetappen bei der Tour anschaut, dann waren wir die einzige Mannschaft, die zumindest zwei oder drei Mal einen eigenen Zug im Finale auf die Reihe gekriegt hat, wenn auch nicht bis zu den letzten Metern. Wir waren aber die einzige Mannschaft, die versucht hat, gegen Columbia gegenzuhalten. Andere Teams wie Quick Step, die schon länger zusammenfahren, haben es auch nicht hingekriegt. Ich denke, dass es bei uns eher gut funktioniert hat und dass man das positiv werten kann.

Was macht Mark Cavendish momentan so einzigartig und überlegen?

Ciolek: Er ist derzeit einfach der dominierende Sprinter. Man hat das in den vergangenen Jahren immer wieder mal erlebt, da gab es früher einen Cipollini oder einen Petacchi. Es gibt immer einen, der einige Jahre lang der Stärkste ist und das ist zur Zeit halt Cavendish.

Wie wichtig ist ein gut funktionierender Zug in den Sprintfinals?

Ciolek: Gerade bei Rundfahrten wie der Tour, wo das Finale extrem schnell gefahren wird, ist es schon wichtig, dass man auf die Hilfe seiner Mannschaft vertrauen kann. Wenn man Columbia einfach fahren lässt und versucht, sich hinten dran zu hängen, gibt es halt sechs Sprinter, die sich um das Hinterrad von Cavendish streiten. Am Ende lacht dann doch wieder Columbia, weil die ihr Ding so durchziehen können, wie sie es sich vorgenommen haben und keiner ihnen in die Quere fährt. Deshalb ist es sehr wichtig, auf einen eigenen gut funktionierenden Zug bauen zu können.

Sie sind bei Milram neben Linus Gerdemann der Kapitän und haben bei Ihrem Wechsel von Columbia angekündigt, sich dem Druck stellen zu wollen. War der dann doch größer als erwartet für einen jungen Fahrer von 22 Jahren?

Ciolek: Ich habe immer gesagt, ich möchte mich der Verantwortung stellen – das ist schon ein Unterschied, denn Druck gibt es weder von der Teamleitung noch vom Sponsor. Ich bin mir durchaus der Verantwortung bewusst. Die Erfolge sind leider nicht so eingetreten, wie ich sie mir erhofft habe, andererseits kann ich, wie gesagt, mit meiner Form in den vergangenen Monaten ganz zufrieden sein. Jetzt will ich versuchen, das für den Rest der Saison in Erfolge umzumünzen.

Sie sehen sich nicht als reinen Sprinter, sondern auch als Eintagesfahrer. Bestätigt Sie der bisherige Saisonverlauf in Ihrer Selbsteinschätzung?

Ciolek: Ja. Das eine muss das andere ja nicht ausschließen. Es ist möglich, seine Sprintfähigkeiten stark zu verbessern, aber trotzdem nicht an jeder Schippe Sand abgehängt zu werden. Man kann es derzeit auch bei Cavendish sehen: Er ist am Berg 100 Prozent stärker als im vergangenen Jahr und trotzdem im Sprint noch dominant.

Columbia vertraut auf Erik Zabel als Sprintberater. Verschafft das Cavendish den vielleicht entscheidenden Vorteil?

Ciolek: Mit Sicherheit ist Zabel ein wichtiger Teil des Teams, wobei ich denke, dass es von Rennen zu Rennen variiert. Bei einem Rennen wie Mailand-San Remo ist Zabel sicherlich hilfreicher ist als bei Tour-Etappen, die von Tag zu Tag unterschiedlich sind.

Sie werden bei der Vuelta starten und dort auch auf ihren ehemaligen Teamkollegen André Greipel treffen. Was rechnen Sie sich gegen ihn aus?

Ciolek: Zunächst mal geht es in den Sprints nicht nur gegen Greipel, sondern auch gegen 19 andere Mannschaften mit ihren Sprintern. Für uns geht es darum, es jeden Tag auf’s Neue zu versuchen und auch mal im Finale konsequent zusammenzuarbeiten und noch einen Tick stärker als bei der Tour zu versuchen, einen Zug auf die Beine zu stellen und dann im Sprint auch mal ganz vorne zu landen.

Mit Gerald Ciolek sprach Matthias Seng.

Mehr Informationen zu diesem Thema

28.08.2009Rapp: 2010 wohl keine Deutschland Tour

(rsn) - Nachdem ARD und ZDF in diesem Jahr doch von der Tour de France berichtet hatten, war auch die für 2009 abgesagte Deutschland Tour wieder in den Mittelpunkt von Spekulationen gerückt. Im Inte

20.04.2009"Ich bin froh, dass im Radsport soviel kontrolliert wird"

(sid) - Linus Gerdemann gehört zu den deutschen Hoffnungsträgern bei der diesjährigen Tour de France. Im Interview mit dem Sport-Informations-Dienst (SID) spricht der Milram-Kapitän über seine F

19.03.2009"Wir sind als böse Ketzer dargestellt worden"

(sid) - Der wochenlangen Schlammschlacht folgt der Showdown im Nobelhotel: BDR-Präsident Rudolf Scharping stellt sich am Samstag auf der Bundesversammlung des Bundes Deutscher Radfahrer zur Wiederwah

17.03.2009Claußmeyer: "Wir leben von unserer Stärke als Team"

(rsn) - Aus dem Continental-Team Sparkasse wurde zur neuen Saison das Team Nutrixxion Sparkasse. In Gespräch mit Radsport News erklärte Teamchef Mark Claußmeyer die Zusammensetzung des Teams, die S

04.03.2009„Letztendlich geht es immer um den Erfolg“

(rsn) – Mit neuem Hauptsponsor und einigen namhaften Neuzugängen wie Sebastian Sielder und René Haselbacher ist das österreichische Team Vorarlberg-Corratec in die neue Saison gegangen. Im Interv

26.02.2009„Kein Sieg im letzten Jahr – das hat mich gewurmt“

(rsn) – Paul Martens steht in seiner zweiten Saison beim niederländischen Rabobank-Team. Im letzten Jahr gelang dem 25-Jährigen trotz guter Leistungen kein Sieg. Das soll in dieser Saison anders w

24.02.2009„Ich habe mich als Co-Kapitän sehr wohl gefühlt“

(rsn) – Als Vierter der Andalusien-Rundfahrt zeigte Martin Velits (Milram) schon früh in der Saison sein großes Potenzial. Im Interview mit Radsport News sprach der 24-jährige Slowake über seine

13.02.2009"Schlimmer kann es nicht mehr kommen"

(rsn) - Der Australier William Walker, 2005 Vize-Weltmeister in der U23-Klasse, zählt zu den großen Talenten des Radsports. Das konnte der 23-Jährige in den letzten beiden Jahren im Rabobank-Trikot

11.02.2009"Ich will mich 2009 für höhere Weihen empfehlen"

(rsn) - Christian Müller (26) galt in seiner U23-Zeit als eines der größten deutschen Zeitfahrtalente. Nach einer guten Neo-Profi-Saison 2005 bei CSC lief in den folgenden drei Jahren nur wenig zus

07.02.2009"Wir sind eines der jüngsten Continental-Teams"

(rsn) - Das Bochumer Continental-Team Vlassenroot startet 2009 unter dem Namen Seven Stones. Im Gespräch mit Radsport News erklärt der Sportliche Leiter Lars Diemer, was hinter der Namensänderung s

05.02.2009"In Topform zu den Ardennenklassikern"

(rsn) - Robert Gesink ist das größte niederländische (Kletter-)Talent seit vielen Jahren. 2008 machte der 22-jährige Rabobank- Profi in mehreren großen Rennen mit Spitzenplatzierungen bereits von

04.02.2009„Ich habe alles getan – jetzt reicht’s“

(rsn) – Mit nur 24 Jahren hat Tim Klinger seine Profikarriere beenden müssen. Im Interview mit Radsport News erläutert der ehemalige Gerolsteiner-Fahrer die Gründe für seine Entscheidung und bil

Weitere Radsportnachrichten

26.07.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir über die wic

26.07.2024Alsace: Dorn holt sich Trikot des Kämpferischsten Fahrers

(rsn) - Vinzent Dorn (Bike Aid) hat sich auf der Königsetappe der Tour Alsace (2.2) das Trikot des Kämpferischsten Fahrers gesichert. Der Freiburger fuhr auf dem Weg zur Planche des Belles Filles l

26.07.2024Spitzenreiter Stüssi kämpfte auf Flachetappe um jede Sekunde

(rsn) - Colin Stüssi (Vorarlberg) hat auf der 2. Etappe der Portugal-Rundfahrt (2.1) sein Gelbes Trikot verteidigt. Beim Sieg des Argentiniers German Tivani (Aviludo) überquerte der Titelverteidige

26.07.2024Schormair wird Race Logistic Manager bei Red Bull

(rsn) – So paradox es klingen mag: Fabian Schormair musste erst seine Karriere beenden, um in die WorldTour aufsteigen zu können. Der 29-Jährige, der noch bis zum 30. Juni als Fahrer beim Drittdiv

26.07.2024Watson rettet Trentin den ersten Rundfahrtsieg der Karriere

(rsn) – Als Krimi endete die 45. Ausgabe der Tour de Wallonie (2.Pro). Auf der abschließenden 5. Etappe über 192,5 Kilometer von Mouscron nach Thuin belegte der Neuseeländer Corbin Strong (Israel

26.07.2024Hirschi stürmt an erster Bergankunft ins Gelbe Trikot

(rsn) – Marc Hirschi (UAE Team Emirates) hat mit seinem Sieg auf der 2. Etappe der Czech Tour (2.1) auch das Gelbe Trikot des Gesamtführenden der viertägigen Rundfahrt übernommen. Der 25-jährige

26.07.2024Unwetter-Folgen: 3. Etappe der Mazowsza-Rundfahrt abgesagt

(rsn) - Die 3. Etappe der polnischen Mazowsza-Rundfahrt (2.2) ist aus Sicherheitsgründen abgesagt worden. Nach Informationen von RSN hatten die Teams schon vor dem Beginn der Rundfahrt davon erfahren

26.07.2024Im Ãœberblick: Die 22 Olympischen Rad-Wettbewerbe

(rsn) – Am Samstag werden bei den Olympischen Spielen von Paris mit den Zeitfahren der Frauen und Männer die Radsport-Wettbewerbe eröffnet. Vom 27. Juli bis zum 11. August stehen, und zwar im Stra

26.07.2024Fisher-Black von UAE zu Red Bull? Fedorov bleibt bei Astana

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Profiradsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder RÃ

26.07.2024Die Startzeiten der Olympischen Zeitfahren von Paris

(rsn) - 35 Frauen und 34 Männer nehmen am 27. Juli in Paris die beiden Olympischen Zeitfahren in Angriff. Dabei kämpfen sie auf demselben 32,4 Kilometer langen Kurs mit nur 150 Höhenmetern um die M

26.07.2024Kiesenhofer mit Olympia-Vorbereitung wie im Bilderbuch

(rsn) - Sie war die Sensation der Olympischen Spiele von Tokio. Anna Kiesenhofer schrieb vor drei Jahren mit ihrer Goldmedaille eine ganz besondere Geschichte. Als berufstätige Hobbyathletin nahm sic

25.07.2024Schachmann wäre mit Top 8 zufrieden, Kurs “perfekt“ für Kröger

(rsn) – Als Deutscher Vize-Meister im Zeitfahren wird Maximilian Schachmann am Samstag ins Rennen um Olympia-Gold im Kampf gegen die Uhr von Paris gehen. Hätte er sich in einer S-Kurve nicht verste

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Volta a Portugal (2.1, GER)
  • Dookola Mazowsza (2.2, POL)
  • Tour Alsace (2.2, FRA)