Neo-Profi-Blog von Jonas Rutsch

Ein mehr als turbulenter Saisonendspurt

Von Jonas Rutsch

Foto zu dem Text "Ein mehr als turbulenter Saisonendspurt"
Jonas Rutsch (EF Pro Cycling)nach seinem Sturz bei Gent - Wevelgem | Foto: Cor Vos

24.10.2020  |  (rsn) - Die letzten Rennen meiner ersten Profisaison waren äußerst ereignisreich. Nach einer guten Binck-Bank-Tour standen für mich noch die drei Eintagesrennen Gent - Wevelgen, Flandern-Rundfahrt und De Panne an.

Bei Gent-Wevelgem wollten wir als Team etwas bewegen und waren in der Anfangsphase, als es auf die Windkante ging, auch vorne dabei. Ich fuhr an etwa 30. Position, als sich vor mir zwei Fahrer verhakten und zu Boden gingen - und ich fiel direkt drüber. Was folgte, war ein Massensturz und ich lag fast ganz unten. Ich konnte froh sein, dass ich noch meine Regenjacke anhatte. Die war danach wie meine Hose ganz schön zerfetzt, aber zum Glück dafür meine Haut nicht so sehr. Allerdings hatte aber meine Hand etwas abbekommen, im ersten Moment dachte ich, sie sei gebrochen.

In den Sturz war auch mein Kapitän Alberto Bettiol verwickelt. Die Lücke nach vorne war schon recht groß, aber voller Adrenalin schwang ich mich auf mein Rad - für einen Radwechsel war keine Zeit - und fuhr mit der Hilfe meiner Teamkollegen für Bettiol die Lücke wieder zu. Allerdings kam es dann schon zum nächsten Sturz und wir mussten erneut eine Aufholjagd starten.

Nach 180 Kilometern war das Rennen schließlich wegen einer gerissenen Speiche für mich beendet und ich suchte meinen eigenen Weg nach Wevelgem, wo es dann wegen meiner geschwollenen und stark schmerzenden Hand direkt ins Krankenhaus ging. Zum Glück stellte sich dort heraus, dass nichts gebrochen war.

Dennoch war das natürlich vor der Flandern-Rundfahrt keine ideale Situation und für mich nach der Virus-Erkrankung, die mich Ende August und Anfang September ausgebremst hatte, der nächste Tiefschlag.

Gut getaped konnte ich schließlich den Flandern-Recon mitmachen und dann tatsächlich auch beim Rennen am Start stehen. Natürlich hat mich die Handverletzung behindert, aber ich habe versucht, das auszublenden und mich auf das Rennen und die vielen neuen Eindrücke konzentriert.

Ich denke, ich konnte auch einen guten Job machen, war dann aber nach einem Hinterraddefekt bei der zweiten Überquerung des Kwaremonts zurückgefallen. Nachdem Bettiol bei Gent - Wevelgem Vierter geworden war, lief es dann in Flandern vom Ergebnis her nicht so wie gewünscht. An der Leistung lag es nicht, aber manchmal fehlt einfach das Quäntchen Glück.

Ich bin froh, dass ich in Flandern starten konnte, denn Erfahrung ist bei diesem Rennen sehr wichtig. Außerdem geht hier das Rennen erst nach 220 Kilometern richtig los, da fehlt einem als Neo-Profi einfach noch etwas die Rennhärte. Ich habe aber so viele Erfahrungen sammeln können, dass mir das für die Zukunft sicher helfen wird. Ich hoffe, dass es nicht meine letzte Ronde war.

Zum Saisonabschluss stand dann noch De Panne an, ein ganz besonderes Schauspiel. Lange Zeit war aufgrund des Wetters und des starken Windes unklar, ob das Rennen würde überhaupt stattfinden können. Am Ende sind wir gefahren, aber die Böen waren schon mehr als grenzwertig. Man hat es ja beim Sturz von Mathieu van der Poel gesehen und auch mich hat es mit meinen 80 Kilogramm von der Straße geweht. Ich denke, das sagt alles.

Eigentlich hätte an diesem Sonntag mit Paris - Roubaix mein alles überragendes  Highlight stattfinden sollen. Mit diesem Rennen habe ich mich während des Corona-Lockdowns motiviert und finde es extrem schade, dass es nicht stattfinden kann. De Panne war zwar auch ein hartes Rennen, aber eben kein Roubaix.

Insgesamt muss ich sagen, dass ich meine Saison mit Australien und dem Opening Weekend extrem gut begonnen habe und zeigen konnte, dass ich zurecht in der WorldTour fahre. Danach folgten dann mit dem Lockdown, der Virus-Erkrankung und dem Sturz bei Gent-Wevelgem einige Tiefschläge, aber natürlich gab es auch Highlights wie der Start in Flandern. Was ich in diesem Jahr aber auch gelernt habe ist, gelassener an Dinge heranzugehen. Manches kann man nicht beeinflussen. 

Dazu habe ich wohl so viel trainiert wie nie zuvor. Sonst fährt man ja von Wettkampf zu Wettkampf, aber während des Lockdowns hieß es: trainieren, trainieren, trainieren. Entsprechend bin ich jetzt froh, das Rad mal für zwei Wochen in die Ecke stellen und Zeit mit meiner Freundin und meiner Familie verbringen zu können. 

Dann geht es auch schon wieder ans Vorbereiten für die neue Saison, auch wenn coronabedingt noch einige Fragezeichen dahinter stehen.

Viele Grüße

Euer Jonas

Mehr Informationen zu diesem Thema

24.09.2020Als hätte ich noch nie auf dem Rad gesessen

(rsn) – Ich habe lange nichts mehr von mir hören lassen, aber das hatte seine Gründe. Genauer genommen gesundheitliche Gründe, dazu aber später mehr. Vorab: Mittlerweile geht es mir wieder richt

31.07.2020In Polen wartet ein breites Aufgabenspektrum auf mich

(rsn) - Nach langen Monaten des Wartens steht nun auch für mich das erste Rennen auf dem Programm. Ich werde ab dem 5. August bei der Polen-Rundfahrt starten. Ich freue mich schon sehr, dass ich end

17.06.2020Das späte Saisonende wird eine Herausforderung

(rsn) – Die letzten Wochen bei mir waren nicht sonderlich abwechslungsreich. Mein Tagesablauf sah in etwa wie folgt aus: trainieren, lernen, essen, schlafen. Immerhin konnte ich die Zeit für ein p

05.05.2020Ich habe die Online-Rennen etwas unterschätzt

(rsn) – Seit meinem letzten Blog-Eintrag vor etwa sechs Wochen hat sich gar nicht so viel getan. Ich habe weiterhin viel Zeit für Dinge, die sonst eher etwas zu kurz kommen. Heute Vormittag hatte

23.03.2020Entschleunigung auf und neben dem Rad

(rsn) – Eigentlich würde ich jetzt gerne von meinen bevorstehenden Starts bei den Klassikern berichten. Aber aufgrund der Corona-Pandemie und der Rennabsagen ist auch für mich gerade Wettkampfpau

14.02.2020Zuversichtlich zum Opening Weekend nach Belgien

(rsn) – Das war eine ganz schön lange Zeit weg von daheim. Am 27. Dezember habe ich Deutschland in Richtung Trainingslager verlassen, von dort ging es direkt weiter nach Australien, und seit gester

13.01.2020Man muss nur noch in die Pedale treten!

(rsn) - Hallo liebe Leser von  radsport-news.com, seit dem 1. Januar bin ich offiziell WorldTour-Fahrer bei EF Education First. Bisher läuft alles super, meine ersten Eindrücke vom Team sind durch

Weitere Jedermann-Nachrichten

02.05.2024Giro d`Italia: Die letzten zehn Jahre im Überblick

(rsn) - Der Giro d`Italia ist traditionell die erste dreiwöchige Landesrundfahrt im Rennkalender, bei der sich immer wieder auch die Deutschen als Etappenjäger hervortaten. Im Jahr 2022 konnte das

02.05.2024“Underdogs“ Bauhaus und Kanter hoffen auf Giro-Etappensiege

(rsn) – Olav Kooij (Visma – Lease a Bike), Tim Merlier (Soudal – Quick-Step), Fabian Jakobsen (dsm-firmenich – PostNL), Jonathan Milan (Lidl – Trek), Kaden Groves (Alpecin – Deceuninck),

02.05.2024Bénin: Jury nimmt Bike Aid das Gelbe Trikot wieder weg

(rsn) – Erneuter Tiefschlag für das Team Bike Aid bei der Tour du Bénin (2.2). Nachdem Yoel Habteab zum Auftakt seinen Etappensieg aberkannt bekommen hatte, weil er und seine Gruppe den Motorräd

02.05.2024Großes Vorschau-Paket: Die Strecke des Giro d´Italia 2024

(rsn) – Sechs Bergankünfte, zwei Einzelzeitfahren, toskanischer Schotter, der Mortirolo, der Stelvio und zum krönenden Abschluss zwei Mal der Monte Grappa – das ist der 107. Giro d´Italia (4. -

02.05.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morg

01.05.2024Highlight-Video des 61. Eschborn-Frankfurt

(rsn) – Maxim Van Gils (Lotto – Dstny) hat die 61. Ausgabe von Eschborn – Frankfurt (1.UWT) gewonnen. Der 24-jährige Belgier setzte sich über 203,8 Kilometer von Eschborn nach Frankfurt im Spr

01.05.2024Bergkönig Degenkolb feiert in Frankfurt erst nach tiefem Frust

(rsn) - Neben Sieger Maxim Van Gils (Lotto Dstny) war John Degenkolb (dsm–firmenich - PostNL) der Mann des 61. Eschborn - Frankfurt. Der Lokalmatador war 150 Kilometer als Ausreißer unterwegs und k

01.05.2024In der Übersicht: Die Aufgebote für den 107. Giro d´Italia

(rsn) – Am 4. Mai beginnt in Venaria Reale nördlich von Turin mit dem Giro d’Italia (2.UWT) die erste Grand Tour des Jahres. Insgesamt 176 Fahrer aus 22 Teams nehmen die 107. Ausgabe der Italien-

01.05.2024Schachmann düste von der Alten Oper direkt zum Flughafen

(rsn) - Nach dem hessischen Klassiker ist vor dem Giro – zumindest für Maximilian Schachmann (Bora – hansgrohe). Der zweimalige Deutsche Meister musste sich nach der Zieleinfahrt in Frankfurt, be

01.05.2024Deutsche Talente verpassen es, sich in Szene zu setzen

(rsn) - Für die deutschen Fahrer und Teams gab es bei der U23-Variante von Eschborn - Frankfurt (1.2u) nichts zu holen. Nach 129 Kilometern und zwei Feldberg-Überquerungen machte eine international

01.05.2024Highlight-Video der 4. Etappe der Vuelta Femenina

(rsn) – Kristen Faulkner hat bei der 10. Vuelta Femenina für den zweiten Sieg einer Fahrerin von EF Education – Cannondale gesorgt. Nachdem ihre Teamkollegin Alison Jackson den zweiten Abschnit

01.05.2024Bénin: Bike Aid holt sich mit einem Tag Verspätung Gelb

(rsn) - Nachdem Bike-Aid-Fahrer Yoel Habteab zum Auftakt der Tour du Bénin (2.2) das Gelbe Trikot noch verwehrt blieb, weil ihm der Etappensieg genommen und er hinter Azzedine Lagab auf Platz zwei z

JEDERMANN-RENNEN DIESE WOCHE
  • Keine Termine