RSNplusRSN-Rangliste, Platz 5: Marc Hirschi

Als Tudor-Aushängeschild deutlich hinter den Erwartungen zurück

Von Sebastian Lindner

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Ein nachdenklicher Marc Hirschi nach einer schwierigen Saison 2025 | Foto: Cor Vos

27.12.2025  |  (rsn) – Zunächst schien es so, als hätte sich zwar das Outfit von Marc Hirschi geändert, ansonsten aber nur wenig. Der zur Saison 2025 von UAE – Emirates zu Tudor gewechselte Schweizer gewann an seinem ersten Renntag im neuen Team die Classica Comunitat Valenciana und knüpfte damit nahtlos an den Fabel-Herbst aus dem Vorjahr an, mit dem er sich nach vier Jahren bei UAE und dem damit verbundenen Aufstieg zu einem der erfolgreichsten Profis im Hinblick auf Eintagesrennen verabschiedete.

Was zu diesem Zeitpunkt noch keiner wissen konnte: Es sollte Hirschis letzter Sieg der Saison bleiben. Nah ran kam er darüber hinaus nur noch im Straßenrennen der Landesmeisterschaften und bei Gran Piemonte im Herbst als Zweiter. Für RSN war Hirschi in den vergangenen zweieinhalb Wochen nicht zu erreichen – auch nicht über sein Team. Im Blick, einem Medium aus seiner Heimat, fand er aber dennoch Worte für ein in Summe enttäuschendes Jahr. “2025 war nicht das, was ich mir erhofft hatte. Und was das Team von mir erwartet hätte“, sagte er. “Ich hätte nicht gedacht, dass Valencia mein letzter Erfolg bleibt.“ ___STEADY_PAYWALL___

Dafür habe er viel gelernt. “Und das will ich 2026 umsetzen.“ Die Frage, ob es dabei um rein sportliche Aspekte geht, bleibt aber offen. Bei UAE war Hirschi ein Star unter vielen. Sicher gab es auch dort in gewisser Weise Erfolgsdruck, sei es aus eigenen Ambitionen oder um Teil größerer Rennen sein zu können. Aber es hing gewiss nicht das Schicksal eines ganzen Teams an den Ergebnissen des 27-Jährigen. Bei Tudor sieht das anders aus.

Als wäre alles wie immer: Marc Hirschi gewinnt sein erstes Rennen im neuen Tudor-Trikot. Was keiner weiß: Es sollte auch der letzte im Jahr 2025 sein. Foto: Cor Vos

Andere Drucksituation, weniger Leistungsstärke im Team

Hirschi kam als Aushängeschild in die junge Mannschaft. Als unumstrittener Leader. Als Berner in einem Team aus der Schweiz. Und nicht irgendeinem Team. Tudor unter Fabian Cancellara ist aktuell eines der engagiertesten Projekte im Radsportzirkus. Gern hätte der vierfache Weltmeister und zweifache Olympiasieger im Zeitfahren das Ticket für die WorldTour noch in diesem Jahr gelöst. Das gelang nicht – auch weil fette und sicher eingepreiste Punkte von Hirschi ausblieben. Weil es die Mannschaft aber doch geschafft hat, zu den zwei besten ProTeams zu gehören, sind immerhin die Einladungen zu den Grand Tours und den wichtigsten Klassikern des Jahres sicher. Auf die Lizenz müssen Cancellara und Co. aber mindestens drei weitere Jahre warten. Verspätung ist im Team, das von einem Nobel-Uhrenhersteller finanziert wird, nicht gern gesehen.

Was neben anderen Druckverhältnissen bei Tudor ebenfalls anders ist als bei UAE, ist die Leistungsdichte im Team. Oder anders gesagt: die Stärke der Helfer. Sicher gehört es zum guten Ton, wenn Tadej Pogacar, Jonas Vingegaard oder Mads Pedersen nach ihren Siegen immer wieder die Stärke ihrer Mannschaft betonen. Gleichzeitig ist es unbestritten einfacher, Siege einzufahren, wenn ein starkes Team seinem Leader unterwegs viel Arbeit abnehmen kann.

Dass Hirschi – der meilenweit davon entfernt ist, Starallüren an den Tag zu legen und eher zu ruhigeren, schon fast introvertierten Sorte Fahrer zählt – bei Tudor aber auch trotz seines Status als Gallionsfigur und Kapitän keine Geschenke bekommt, zeigte der Giro d`Italia. Denn den fuhr er trotz eigentlich anderer Planungen nicht. Es wäre zu diesem Zeitpunkt seine erste Grand Tour seit der Frankreich-Rundfahrt 2022 gewesen.

Gute Mine zum bösen Spiel. Nachdem Marc Hirschi statt zum Giro ins Trainingslager geschickt wurde, sollte bei der Tour de Suisse alles besser werden. Doch auch dort verflog das Lachen schnell. Foto: Cor Vos

Giro-Ausbootung und schwache Ardennen-Rennen

Formschwäche sorgte aber dafür, dass Hirschi aus dem Kader gestrichen wurde. Waren die Ergebnisse in den ersten Wochen der Saison mit drei weiteren Top-10-Platzierungen bei Mallorca-Rennen Ende Januar und Anfang März bei der Faun Drome Classic in Frankreich noch in Ordnung. Doch danach kam nicht mehr viel. Weder bei Strade Bianche noch bei Tirreno-Adriatico oder bei der Baskenland-Rundfahrt konnte Hirschi in irgendeiner Weise auf sich aufmerksam machen.

Und spätestens, als in der Ardennen-Woche – einem eigentlichen Saisonhöhepunkt Hirschis und des Teams – überhaupt nichts zusammenlief, war es um den Giro geschehen. Beim Amstel Race, dem Flèche Wallonne und Lüttich-Bastogne-Lüttich kam Hirschi auf den Plätzen 40, 49 und 45 ins Ziel und damit meilenweit hinter den Vorstellungen. Frustration beim Fahrer, der in der ersten Woche in Italien hätte um Rosa fahren sollen, Zähneknirschen beim Team.

Statt in Italien Punkte zu sammeln, geht Hirschi gemeinsam mit dem zweiten Top-Zugang Julian Alaphilippe für drei Wochen ins Höhentrainingslager in die spanische Sierra Nevada, um für die Tour de France fit zu werden. Doch auch der letzte Formtest, die für Tudor wichtige Tour de Suisse, misslingt komplett. “Es sind viele Sachen, die zusammenspielen. Es gab keinen einzelnen Grund, warum ich nicht in Form war“, sagte er dem schweizerischen Tagesspiegel während der Rundfahrt rückblickend über seine erste Jahreshälfte und erwähnt unter anderem eine Krankheit nach den italienischen Rennen, die ihm einen Trainingsblock zerschossen hat.

Auch bei der Tour de France lief es für Marc Hirschi nicht nach Plan. Nur zwei Mal schaffte er es in eine Ausreißergruppe, darunter auf dem Weg zum Mont Ventoux. Foto: Cor Vos

Blass bei der Tour de France

Doch warum es auch bei der Suisse nicht läuft, bleibt offen. Weil Co-Kapitän Alaphilippe auf der 1. Etappe in der Spitzengruppe steckt und sich damit einen Platz in der Gesamtwertung erarbeitet, der Attacken aus dem eigenen Team verbietet, scheint dabei nur ein vorgeschobener Grund zu sein, denn zum abschließenden Zeitfahren geht Hirschi gar nicht mehr an den Start. Unüblich vor heimischer Kulisse. Immerhin geben die Meisterschaften zwei Wochen später Grund zur Hoffnung, dass es für die Tour besser läuft. Nur Mauro Schmid ist im Sprint aus einer Gruppe stärker als Hirschi.

Allein es blieb beim Hoffen. Hirschi fuhr eine blasse Tour. Die Traumvorstellung, er könne an 2020 anknüpfen, als er als Ausreißer seinen ersten Sieg als Profi feierte, wich schnell der Realität. Ein Top-10-Resultat konnte er nicht liefern. Nur zwei Mal schaffte er den Sprung in eine Ausreißergruppe. Als seine Fluchtgefährten den Tag am Mont Ventoux für sich entschieden, war er allerdings längst wieder vom Großteil des Feldes eingeholt.

Vorsichtiger Optimismus für 2026

Erst im Herbst zeigte die Formkurve des Schweizers wieder etwas nach oben. Ein paar Top-10-Ergebnisse konnte er für sein Team einfahren. Nicht aber bei den WorldTour-Rennen in Kanada, bei Il Lombardia oder den Weltmeisterschaften, sondern bei der Luxemburg-Rundfahrt, dem Circuit Franco-Belge oder der Coppa Sabbatini. Immerhin, aber keinesfalls das, was ein Marc Hirschi aus den letzten Jahren gewohnt war. Im Vorjahr hatte er ab August sechs Rennen gewonnen, fünf davon in Folge, und damit eine ähnliche Überflieger-Rolle gespielt, wie es in diesem Jahr Isaac del Toro tat.

Leichter Aufwärtstrend im Herbst. Unter anderem bei der Luxemburg-Rundfahrt gelingen Marc Hirschi wieder ein paar Top-10-Resultate. Foto: Cor Vos

Für die kommende Saison zeigte sich Hirschi zuletzt dennoch vorsichtig optimistisch. “Wenn alles passt und ich fit bin, ist viel möglich“, sagte er dem Blick. Der Fokus soll wieder auf der Ardennen-Woche liegen. Der Plan zum Erfolg: “Ich gehe später ins Höhentrainingslager, kürzer, dafür intensiver. Und ich fahre davor weniger Rennen.“

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