RSNplusSaisonvorschau Team DSM

Es droht ein langer Kampf gegen den Abstieg aus der WorldTour

Von Daniel Brickwedde

Foto zu dem Text "Es droht ein langer Kampf gegen den Abstieg aus der WorldTour"
Dem Team DSM könnte eine schwere Saison im Kampf um den World-Tour-Status bevorstehen. | Foto: Cor Vos

09.02.2022  |  (rsn) - Auch diesmal nehmen wir zu Saisonbeginn die 18 WorldTour-Teams unter die Lupe: Wie lief es im vergangen Jahr, welche Veränderungen gibt es in den Aufgeboten, was ist in der neuen Saison vom Team DSM zu erwarten?

Das mittlerweile mit einer niederländischen Lizenz ausgestattete Team DSM konnte 2021 trotz einiger spektakulärer Erfolge eine nur mäßige Bilanz vorweisen. Obwohl mit John Degenkolb ein ehemaliger Mailand-Sanremo- und Paris-Roubaix-Sieger zurückgeholt wurde, sieht es nicht unbedingt danach aus, als würde sich daran viel ändern.

Rückblick auf die Saison 2021

Geht es um den letzten Eindruck, so stehen in der Bilanz immerhin drei Etappensiege bei der Vuelta a Espana durch Michael Storer (2) und Romain Bardet auf der Erfolgsliste. Der Australier Storer gewann in Spanien zudem die Bergwertung. Und die Saison hielt weitere Lichtblicke bereit: Neuzugang Bardet fand sich bei DSM auf Anhieb zurecht und erreichte Platz sieben beim Giro d’Italia. Weitere WorldTour-Etappensiege gab es durch Cees Bol bei Paris-Nizza und Nikias Arndt bei der Polen-Rundfahrt.

Im Gesamtbild blieb DSM aber vieles schuldig. Bei der Tour de France nahm das Team eine Statistenrolle ein, bei den großen Klassikern sorgte Tiesj Benoot mit Platz sieben bei Lüttich-Bastogne-Lüttich für das beste Ergebnis. Bei den Klassikern machten sich vor allem die Abgänge von Michael Matthews und Marc Hirschi bemerkbar. Zudem blieben Fahrer wie Jai Hindley (Giro-Gesamtzweiter 2020) und Sören Kragh Andersen (Doppel-Tour-Etappensieger 2020) hinter den Erwartungen zurück. Das Resultat: Im Teamranking belegte DSM den schlechtesten Platz aller WorldTour-Mannschaften.

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John Degenkolb kehrt in das Team zurück, mit dem er seine größten Erfolge feierte. | Foto: Cor Vos

Die wichtigsten Zu- und Abgänge

John Degenkolb ist zu dem Team zurückgekehrt, bei dem er bis 2016 mit Siegen bei Mailand-San Remo und Paris-Roubaix seine größten Erfolge feierte. Zuletzt deutete jedoch wenig darauf hin, dass der Oberurseler dieses Niveau noch einmal abrufen könnte. Dennoch sollte er bei DSM im Frühjahr seine Chancen bekommen, vor allem aber wird er eine Mentorenrolle für die jüngeren Fahrer einnehmen. Denn davon hat DSM erneut einige ins Team geholt: Aus dem eigenen Nachwuchs sind Talente wie Henri Vandenabeele, Tim Naberman sowie die Deutschen Leon Heinschke und Marius Mayrhofer aufgestiegen. Hinzu kommen Ex-U23-Europameister Jonas Hvideberg und Frederik Rodenberg (beide Uno-X) sowie Bahnfahrer Sam Welsford.

Mit Max Kanter (Movistar), Jasha Sütterlin (Bahrain Victorious) sowie Martin Salmon (Karriereende) verließen gleich drei deutsche Fahrer das Team. Trotz noch bestehender Verträge gingen auch Benoot (Jumbo-Visma) und Ilan Van Wilder (Quick-Step Alpha Vinyl). Außerdem konnten vielversprechende Talente wie Felix Gall (AG2R-Citroën), Hindley (Bora - hansgrohe) und Storer (Groupama - FDJ) nicht gehalten werden. Nicolas Roche beendete seine Karriere. Dazu wechselte der langjährige Sportliche Leiter Marc Reef zu Jumbo - Visma, dafür ist Ex-Profi Marcel Sieberg neu dabei.

Im Fokus: Das Binnenklima

DSM musste sich einmal mehr mit abwanderungswilligen Fahrern herumschlagen. Van Wilder beschwerte sich in den Sozialen Medien über sein Team und bekam schließlich seinen vorzeitigen Wechsel durch. Auch Benoot wollte unbedingt vor Ablauf des Vertrags gehen. Das Thema ist nicht neu: Bereits in der Vergangenheit verließen Fahrer wie Marcel Kittel (2015), Warren Barguil und Edward Theuns (beide 2018), Tom Dumoulin (2019), Matthews (2020) und zuletzt Hirschi den Rennstall von Iwan Spekenbrink vor Vertragsende.

Jeder Fall hat seine eigene Geschichte, die Häufigkeit ist dennoch beispiellos für den Radsport. Ein Grund ist womöglich, dass die Teamleitung vorzeitigen Wechselwünschen zumeist nachgab – und damit eine Tür geöffnet hat, die man nun nicht mehr zubekommt. Außerdem wird die Arbeitsweise bei DSM oft als streng und vorgabenlastig beschrieben. Für viele Fahrer ist das offenbar kein Umfeld, um dauerhaft zu bleiben – jüngste Beispiele sind Gall, Storer und Hindley. Talente zu finden und auszubilden, diese Stärke hat DSM zur Genüge bewiesen. Doch die Fahrer langfristig an sich zu binden, gelingt nur selten. Angesichts von mehr als einem Dutzend auslaufenden Verträgen dürfte das Thema das Team auch 2022 begleiten.


Bei der Vuelta 2021 deutete Alberto Dainese mit einem zweiten und zwei dritten Plätzen sein Potenzial an. Bei der Saudi Tour sprang ein 5. Platz heraus. | Foto: Cor Vos

Aufgepasst auf ... Alberto Dainese

Seinen bislang einzigen Profisieg holte der junge Italiener bei der Herald Sun Tour 2020. Dass in ihm aber deutlich mehr steckt, deutete Dainese mit fünf Top-5-Resultaten bei der vergangenen Vuelta a Espana an. Der 23-jährige Sprinter hat bei DSM von Beginn an die Chance erhalten, Resultate einzufahren – davon zeugt auch die Rolle als Sprintkapitän bei der Vuelta.

Die Fortschritte des U23-Europameisters von 2019 sind unverkennbar, im Vorjahr fehlten nur Nuancen zu weiteren Erfolgen. DSM hat angekündigt, 2022 verstärkt auf Sprints zu setzen. Das wird Dainese zugutekommen. Setzt er die gute Entwicklung aus dem Vorjahr fort, kann Dainese eine der Sprintüberraschungen der Saison werden.

Ausblick auf die Saison 2022

Nach der enttäuschenden Vorsaison steht DSM unter Ergebnisdruck. Da hilft es nicht, dass für Storer, Hindley und Benoot kein adäquater Ersatz verpflichtet wurde. Die wenigen verbliebenen Stützen im Team sind umso mehr gefordert. Zu nennen ist hier Bardet, der 2022 erneut eine Grand Tour mit Blick auf das Klassement und eine als Etappenjäger bestreiten wird. Zudem besitzt der Franzose großes Potenzial für topografisch schwere Eintagesrennen, das bislang in seiner Karriere aber zu selten ausgeschöpft wurde. Davon kann DSM profitieren, gerade mit Blick auf die Ardennen-Rennen.


Romain Bardet deutete in der letzten Saison seine frühere Klasse, die ihn zu Frankreichs Hoffnungsträger auf den Toursieg gemacht hatte, an. Immerhin gewann er bei der Burgos-Rundfahrt das Bergtrikot. Dort holte er wie auch später bei der Vuelta einen Etappensieg. | Foto: Cor Vos

Deutlich mehr ist von Sören Kragh Andersen zu erwarten, der sowohl für die Klassiker als auch für einzelne Etappensiege prädestiniert ist. Der Däne dürfte zusammen mit Degenkolb das Team bei den flämischen Klassikern anführen – wobei DSM dort nicht zu den Hauptprotagonisten zu zählen ist. Sprinter Bol ist für einige Tagessiege gut, hat den Durchbruch in die Weltklasse aber noch nicht geschafft. Arndt kann den einen oder anderen Sieg aus Fluchtgruppen einfahren. Das gilt ebenfalls für Kletterer Chris Hamilton sowie Casper Pedersen, auch wenn für Erfolge einiges zusammenkommen muss.

Die Mannschaft ist perspektivisch zusammengestellt, immerhin sind mehr als die Hälfte der Fahrer 23 Jahre oder jünger. Womöglich sind bei manchen von ihnen in dieser Saison schon Entwicklungssprünge zu sehen. Dann ist dem Team wie in der Vergangenheit viel Applaus gewiss. Garantiert ist das aber nicht. Fahrer wie Sprinter Dainese, die Klassementfahrer Thymen Arensman und Mark Donovan, der klassikeraffine Sprinter Nils Eekhoff sowie die Neuzugänge Hvideberg, Heinschke oder Vandenabeele sind eher Versprechen für die Zukunft.


Im letzten Jahr ging Sören Kragh Andersen nach Siegen leer aus. Doch die Klasse des zweimaligen Etappensiegers der Tour von 2020 macht ihn bei manchen kommenden Rennen zum Mitfavoriten. | Foto: Cor Vos

Bleibt daher bei den Talenten die erhoffte Entwicklung aus und haben die etablierten Fahrer keine Ausreißer nach oben, wird für das Team DSM auch 2022 nicht viel zu holen sein. Es droht erneut die Rote Laterne in der WorldTour.

Eckdaten:
Land: Niederlande
Sponsor: DSM
Branche: Chemieindustrie
Manager: Iwan Spekenbrink
Radausrüster: Scott
Teamranking 2021: 21
Siege 2021: 8
Fahrer im Aufgebot: 28

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