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09.03.2023 | (rsn) – Mit den Allerschnellsten konnte er im explosiven Finale von Tortoreto am Ende der 4. Etappe bei Tirreno-Adriatico (2.UWT) nicht mithalten. Direkt vor Lennard Kämna (Bora – hansgrohe) ging auf den letzten 500 Metern vor dem Zielstrich eine Lücke auf und der 26-Jährige erreichte den Zielstrich schließlich als Etappen-17. fünf Sekunden nach Tagessieger Primoz Roglic (Jumbo – Visma) – und doch stand Kämna einige Minuten später im Maglia Azzurra des Gesamtführenden auf dem Podium.
"Ich habe ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, aber natürlich nehme ich es gerne", grinste Kämna anschließend auf der Pressekonferenz in der 12.000-Seelen-Gemeinde am Rande der Abruzzen. "Ich bin wirklich happy. Das ist das erste Mal für mich, dass ich das Führungstrikot bei einem WorldTour-Rennen trage – und dass das hier in Italien passiert, ist auch etwas Besonderes. Denn der Giro letztes Jahr war eine wirklich schöne Erfahrung für unser ganzes Team. Ich bin superstolz, dass wir das Momentum von dort hier jetzt mitnehmen können."
Bei der Italien-Rundfahrt 2022 feierte Kämna mit seinem Etappensieg am Ätna einen seiner bislang größten Erfolge und lag anschließend eine knappe Woche auf Rang zwei der Gesamtwertung. Ständig wurde er gefragt, ob er das Rosa Trikot angreifen könne. Zwei Wochen später dann tat er das und eroberte es auch – wenn auch für einen Teamkollegen. Denn Kämna hatte auf der entscheidenden Dolomiten-Etappe großen Anteil daran, als Jai Hindley das Maglia Rosa Richard Carapaz (Ineos Grenadiers) abnahm.
___STEADY_PAYWALL___ "Einige haben den Schlussanstieg unterschätzt – mich inklusive
Knapp zehn Monate später nun führt Kämna selbst eine italienische WorldTour-Fernfahrt an, obwohl er sich das einen Tag zuvor im Gespräch mit radsport-news.com noch gar nicht zugetraut hatte. "Ich glaube nicht, dass wir Ganna da abhängen können. Das ist nicht schwer genug", sagte er über die Ankunft von Tortoreto da noch.
Wie lange kann Lennard Kämna das Maglia Azzurra tragen? | Foto: Cor Vos
Knapp 30 Stunden später gab er dann gerne zu: "Ich denke, einige haben den Schlussanstieg unterschätzt – ich inklusive. Aber nach der ersten Runde wusste ich schon: Okay, das wird superhart. Von da an habe ich mich voll darauf konzentriert, so weit vorne wie möglich anzukommen, weil ich dann wusste, dass die Chance da war, das Trikot zu holen. Ich habe einfach alles gegeben. Besonders der letzte Kilometer war wirklich schwer. Es wurde Vollgas beschleunigt und ich habe nicht mehr nachgedacht, wollte einfach nur so schnell wie möglich fahren."
Er war zwar nicht schnell genug für die 16 Besten, aber schnell genug für das Blaue Trikot. Den Grundstein dafür hatte Kämna schon am Montag im tellerflachen Auftaktzeitfahren von Lido di Camaiore gelegt, wo er auf nassen Straßen hinter Filippo Ganna (Ineos Grenadiers) Zweiter geworden war – mit 28 Sekunden Rückstand auf den Italiener, aber eben doch auch mit ordentlichem Polster auf die meisten der Klassementfahrer bei Tirreno-Adriatico. Roglic etwa, immerhin Zeitfahr-Olympiasieger von Tokio 2021, war dort 21 Sekunden langsamer als der Deutsche.
Im Einzelzeitfahren von Lido di Camaiore war der Deutsche Zeitfahrmeister Lennard Kämna Zweiter hinter dem Italienischen Zeitfahrmeister Filippo Ganna. | Foto: Cor Vos
Nun ist der Slowene in der Gesamtwertung Kämnas schärfster Verfolger. Dank der zehn Sekunden Zeitbonifikation für den Etappensieg rückte Roglic bis auf sechs Sekunden an ihn heran. Joao Almeida (UAE Team Emirates) hat acht Sekunden Rückstand, sein Teamkollege Brandon McNulty 13 und Roglics Teamkollege Wilco Kelderman 15. Dahinter folgen Kämnas Mannschaftskameraden Aleksandr Vlasov und Jai Hindley mit 17 beziehungsweise 18 Sekunden Rückstand.
"Sechs Sekunden auf Roglic, das reicht eigentlich nicht"
Am Freitag steht mit dem 168 Kilometer langen Teilstück von Morro d'Oro nach Sarnano Sassotetto die Königsetappe des 58. Tirreno-Adriatico an. Das Ziel wartet am Ende einer 13,1 Kilometer langen und im Schnitt 7,3 Prozent steilen Schlusssteigung. "Ich denke der Anstieg morgen liegt mir besser als ein punchy Finale wie heute", meinte Kämna mit Blick auf die gleichmäßigere Steigung. "Aber trotzdem wird es superhart für mich. Ich werde alles geben, um das Trikot zu verteidigen. Aber es wird wirklich schwer. Sechs Sekunden Vorsprung auf Primoz Roglic zu haben, das reicht eigentlich nicht."
Primoz Roglic (Jumbo - Visma) gewann die 4. Etappe vor Julian Alaphilippe (Soudal Quick-Step). | Foto: Cor Vos
Kämna wird sich festbeißen und hoffen müssen, dass diesmal keine Lücke aufgeht. Doch aus Sicht von Bora – hansgrohe dürfte klar sein: Wenn attackiert wird, können Hindley und Vlasov nicht auf den Mann in Blau warten. Die beiden Kletterasse – der australische Giro-Sieger von 2022, der dieses Jahr die Tour de France fahren wird und der Russe, der 2023 sein Nachfolger in Italien werden will – liegen so gut in der Gesamtwertung, dass sie auch selbst das Blaue Trikot von Kämna am Freitag übernehmen könnten.
Wenn, ja wenn der Deutsche sich nicht am Freitag nochmal genauso überrascht wie am Donnerstag und das Trikot nicht doch verteidigen kann. Denn dass er Blau überhaupt übernehmen würde, hatte Kämna schließlich ja auch nicht gedacht.