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24.05.2023 | (rsn) – Simon Yates war bisher für Jayco – AlUla der erste Erfolgsgarant beim Giro d’Italia. Der Brite feierte sechs Etappensiege bei der Italien-Rundfahrt und landete 2021 als Dritter auf dem Schlusspodium. Drei Jahre zuvor war der Kletterspezialist sogar auf dem Weg zum ganz großen Triumph, ehe er auf der 19. Etappe einbrach und das Rosa Trikot an den späteren Gesamtsieger Chris Froome abtreten musste.
In diesem Jahr verzichtet Yates zugunsten seiner Tour-Ambitionen auf den Giro, doch sein Team ist auch ohne den 30-Jährigen bei der ersten Grand Tour der Saison erfolgreich unterwegs. Michael Matthews gewann in Melfi die 3. Etappe und im Gesamtklassement hat sich Eddie Dunbar auf den mittlerweile fünften Rang vorgearbeitet. Der Ire war Ende 2022 von Ineos, wo er zumeist als Helfer eingesetzt wurde, nach Australien gewechselt - mit der Ankündigung, sein neues Team in den großen Rennen anzuführen und speziell beim Giro d’Italia auf Gesamtwertung zu fahren.
Dann aber geriet die Vorbereitung bereits im Februar durch einen Sturz zum Auftakt der Valencia-Rundfahrt durcheinander. Dunbar fiel mit einer gebrochenen Hand wochenlang aus und kehrte erst zur Baskenland-Rundfahrt Anfang April ins Feld zurück. Dort fuhr der 26-Jährige unauffällig mit, ehe Ende des Monats bei der Tour de Romandie mit Gesamtrang neun ein deutlicher Aufwärtstrend erkennbar war. Gerade bei der Bergankunft in Thyon 2.000 überzeugte er. Der Trend setzte sich beim Giro umso eindrücklicher fort: Nach Platz 24 im Auftaktzeitfahren rückte Dunbar stetig weiter vor im Gesamtklassement, wo er vor der schweren 16. Etappe als Siebter geführt wurde.
Vor dem Start wirkte sein Sportdirektor Matt White im Gespräch mit radsport-news.com allerdings noch nicht komplett überzeugt davon, dass sein Kapitän vor allem im 23 Kilometer langen Schlussanstieg zum Monte Bondone den Allerbesten würde Paroli bieten können. "Mal schauen, wie lange er mit den Favoriten mithalten kann. Das wird heute eine sehr harte Etappe. Es gibt noch die Möglichkeit für ihn, sich weiter zu verbessern, wie weit, das werden wir sehen", sagte der Australier, für den das mit 5.200 Höhenmetern gespickte Teilstück offensichtlich ein entscheidender Gradmesser für Dunbars Ambitionen war. "Am Ende des Tages werden wir einen besseren Eindruck davon haben, was im Gesamtklassement möglich sein wird", fügte White an.
Nachdem der 1,70 Meter große Kletterer aber gemeinsam mit Primoz Roglic (Jumbo – Visma) als Vierter nur 25 Sekunden hinter Etappengewinner Joao Almeida (UAE Team Emirates) und Geraint Thomas (Ineos Grenadiers), der sich das Rosa Trikot zurückholte, ins Ziel kam und damit sein bestes Tagesergebnis verbuchen konnte, dürfte sich die Frage beantwortet haben: Sollte Dunbar nicht ein Sturz oder ein Schwarzer Tag wie einst Yates zurückwerfen, sind in Rom die Top 5 möglich.
Dunbar selber, der sich im Klassement vom achten auf den fünften Platz verbessern konnte, kommentierte im Ziel das Ergebnis eher nüchtern und verwies auf die noch bestehende Distanz zu den Favoriten. "Es war jetzt kein Sieg oder sowas, nur ein vierter Platz. Zu den Besten wie ’G‘ (Geraint Thomas) und Almeida fehlt mir noch etwas", sagte er am Monte Bondone zurückhaltend, um dann doch anzufügen: "Aber es war für mich ein positiver Tag."
Dunbar krönte am Dienstag vorläufig eine Vorstellung ohne Fehl und Tadel, mit der er auch seinen eigenen Ansprüchen gerecht zu werden scheint. "Ich wollte schon immer auf Gesamtklassement fahren, hatte dazu bisher aber nicht die Möglichkeit bekommen", sagte Dunbar im Rückblick auf seine vier Jahre bei Ineos Grenadiers, in denen ihm nur einmal - nämlich beim Giro 2019 – der Sprung in ein Grand-Tour-Aufgebot gelang.
Bei Jayco – AlUla startet er nun offensichtlich als Klassementfahrer durch. "Mein Team glaubt an mich und wir haben die letzten sechs Monate hart gearbeitet, um für den Giro in Form zu sein", sagte Dunbar. Das Podium und damit eine Wiederholung des Yates-Ergebnisses von 2021 scheint aktuell allerdings noch außer Reichweite.
Sein Rückstand auf den drittplatzierten Roglic etwa beträgt 2:34 Minuten. Von Damiano Caruso (Bahrain Victorious) und damit Rang vier trennen ihn allerdings nur 13 Sekunden. Dem Italiener knöpfte Dunbar am Monte Bondone immerhin 51 Sekunden ab. Jetzt dürfte auch für seinen Sportdirektor White klar sein, wie weit es für seinen Kapitän noch nach oben gehen könnte bei diesem 106. Giro d’Italia.