RSNplusRSN-Rangliste, Platz 18: Marie Schreiber

Ein Weltcupsieg, sechs Titel und “beschissene Monate“

Von Kevin Kempf

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Marie Schreiber (SD Worx – Protime) | Foto: Cor Vos

14.12.2025  |  (rsn) – Im niederländischen Hulst finden vom 30. Januar bis zum 1. Februar die Cross-Weltmeisterschaften statt. Der Parcours auf der Festungsanlage ist technisch und schwer – und er liegt Marie Schreiber (SD Worx – Protime) offensichtlich perfekt. Denn vor rund einem Jahr schrieb die Luxemburgerin dort Cross-Geschichte. Sie dominierte das Rennen und feierte nicht nur den ersten luxemburgischen Sieg in der wichtigsten Rennserie, sie war auch die erste deutschsprachige Athletin seit der Italienerin Eva Lechner 2015, die im Weltcup jubeln konnte.

“Das hat mir für den Cross einfach einen Confidence-Boost gegeben. Das war der Beweis, dass ich oben angelangt bin. Dass ich habe, was es braucht, um Rennen zu gewinnen“, sagte sie gegenüber RSN. Zuvor hatte es schon zu Platz zwei und drei gereicht und auch in der Superprestige hatte Schreiber bereits auf dem Podium gestanden. Ein Sieg war ihr bis dahin aber noch nie gelungen.

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Dass ihre Beine an jenem Tag top in Form waren, verdankte Schreiber dem traditionellen Teamtrainingslager in Spanien, zwei Wochen zuvor. Und trotz eines traurigen Ereignisses zuvor spielte auch der Kopf mit. “Ich hatte nie damit gerechnet, dass das Rennen so gut wird, weil mein Hund drei Tage vor dem Rennen gestorben war. Im Kopf war ich gar nicht da, wo ich hätte sein sollen. Im Rennen konnte ich aber alles ausblenden. Ich habe auch vor dem Rennen gar nicht über den Wettkampf nachgedacht“, erklärte die 22-Jährige. “Meistens funktioniert es bei mir gut, wenn ich mir nicht zu viel Druck mache und mir sage, dass ich das Rennen zum Spaß fahre“, fügte sie an.

Geheimwaffe Training

Doch auch der besondere Kurs spielte eine Rolle. “Hulst war schon vor dem Rennen meine absolute Lieblingsstrecke. Ich hatte mit vorgenommen, 50 Minuten Spaß zu haben“, so Schreiber. Auch in der niederländischen Provinz Seeland kam sie – wie fast immer – am besten aus den Blöcken und bog als Erste ins Feld ein. “Das Geheimnis meines Starts? Training! Schätze ich mal“, antwortete sie trocken. “Vor drei oder vier Jahren war ich nicht gut im Start. Da stand ich auch nie in der ersten Reihe. Ich habe mich da sehr schwergetan. Dann hat mein Trainer gesagt, dass ich mich da verbessern muss und habe es mit den Jungs geübt. Dazu habe ich Krafttraining gemacht“, erklärte Schreiber.

In Hulst ließ Marie Schreiber (SD Worx – Protime) die versammelte Weltelite hinter sich. | Foto: Cor Vos

So baute sie konsequent fünf bis sechs Starts in ihr Training ein. “Das hat mich besser gemacht. Viel mehr kann ich nicht sagen. Ich habe kein ‘Secret Ingredient‘ oder so“, erläuterte sie. Die Konkurrenz kann froh sein, dass ein guter Start bei Straßenrennen kein Faktor ist, denn auch da ist Schreiber aktiv – und das im besten Team der Welt. “Da bin ich bei acht von zehn Rennen als Helferin eingeplant“, erzählte die Fahrerin von SD Worx - Protime.

"Ich bin ein bisschen abhängig davon, was für Rennen es sind und wer bei uns dabei ist“, so die Teamkollegin von Top-Fahrerinnen wie Lotte Kopecky, Lorena Wiebes, Anna van der Breggen oder Mischa Bredewold. Bis zur letzten Saison waren auch noch Demi Vollering und Marlen Reusser im SD-Worx-Aufgebot dabei. Doch manchmal kann Schreiber trotzdem auf eigene Rechnung fahren, wie zum Beispiel bei Dwars door het Hageland (1.1) im Juni. “Da sind wir eigentlich für Lorena gefahren, aber indirekt waren wir als Doppelspitze unterwegs. Ich habe da jedenfalls selbst für mich fahren können und habe dabei auch ein gutes Ergebnis erzielt", erzählte sie.

Titelflut tut immer gut

Beim belgischen Eintagesrennen sprang Platz neun heraus. Ihre insgesamt fünf  Saisonsiege auf der Straße fuhr sie unmittelbar davor und danach heraus. Bei den Games of the Small States Ende Mai gewann Schreiber den Titel im Straßenrennen und im Zeitfahren. Ende Juni und Anfang Juli wurde sie zuerst Luxemburgische Zeitfahrmeisterin, bevor sie sich auch im Massenstart den Sieg sicherte. Eine Woche später gewann sie ebenfalls noch den U23-Titel. Einschließlich des Crosstitels bei der Elite, den sie im Januar geholt hatte, ist Schreiber derzeit also vierfache Luxemburgische Meisterin.

“Der Straßentitel war am schwierigsten, weil man das bei uns im Luxemburg nie voraussehen kann. Wir sind nur sechs oder sieben Fahrerinnen, das Rennen ist sehr kurz und man kann kaum einen Unterschied machen“, erläuterte Schreiber, die gegen letztlich sogar nur vier Gegnerinnen im Dreiersprint in Menzel nach 79 Kilometern schneller war als Nina Berton (EF Education – Oatly) und Liv Wenzel (Hess). “Wir waren alle ungefähr auf einem Niveau und wenn man als Favoritin reingeht, muss man das alles verteidigen. Auch wenn es von außen so aussieht, als ob man die Stärkste ist, muss man es trotzdem erst mal hinkriegen", sagte sie.

Schreiber beim Prolog der Baloise Ladies Tour | Foto: Cor Vos

Wichtiger als der Straßentitel war für Schreiber aber Gold im Zeitfahren. “Da wollte ich mich einfach verbessern. Ich habe darauf hintrainiert und habe das Rennen als Bestätigung für die geleistete Arbeit gesehen“, berichtete sie. Mit dem vollen Trophäenschrank aber lief es danach nicht mehr rund. In den Ergebnislisten häuften sich 'DNS' und 'DNF'.

Covid, Magen-Darm-Beschwerden und “beschissene Monate“

“Den meisten ist gar nicht so bewusst, was alles abging. Die letzten fünf oder sechs Monate waren ziemlich beschissen. Bei der Baloise Tour bin ich gut gefahren und das war ein Ziel für mich. Da wurde ich auch Vierte und Zweite auf den Etappen“, erinnerte sie sich. Auf der Schlussetappe allerdings musste Schreiber aufgeben. “Ich hatte Magen-Darm-Beschwerden“, lieferte sie die Erklärung für ihren Ausstieg. “Dann war ich eine Woche krank, anschließend habe ich mich vier Wochen auf die Tour de l’Avenir vorbereitet“, so Schreiber.

Da erfolgte der Ausstieg vor dem abschließenden Zeitfahren, zuvor war die Luxemburgische Meisterin Etappendritte und -fünfte geworden. “Am Ruhetag wurde ich richtig richtig krank. Da hat sich herausgestellt, dass ich Covid hatte. Das war der Startpunkt, von dem aus es bergab ging“, meinte sie.

In Kigali vertrat Schreiber die Farben Luxemburgs. | Foto: Cor Vos

Von Frankreich flog Schreiber nach Kigali, wo sie an beiden U23-Rennen der WM teilnahm. “Da war ich noch nicht fit. Deswegen ging da nichts Besonderes ab“, beschrieb sie ihren 14. Platz im Kampf gegen die Uhr und Rang 25 im Straßenrennen. Anschließend ging es zurück nach Frankreich, wo gleich die EM auf dem Programm stand. 

Auch bei den Kontinentalen Titelkämpfen sollte Schreiber zweimal antreten, doch daraus wurde nichts. “Auf der Rückreise wurde ich wieder richtig krank. Ich hatte komplett Probleme mit Hals und Lunge und dann hat sich herausgestellt, dass ich zwei virale Infekte auf den Lungen hatte. Ich habe ein Antibiotikum bekommen und war den ganzen Oktober raus“, blickte sie zurück.

Ohne Pause direkt vom Cross- aufs Straßenrad

Dadurch startete sie auch einen Monat später als geplant in die Crosssaison 2025/2026. Bei der X2O Badkamers Trofee in Hamme sprang Platz vier heraus. “Das verlief richtig gut. Aber dann habe ich mir in Tabor leider einen Muskelriss zugezogen“, erläuterte sie ihre nächste Aufgabe. Seitdem wartet Schreiber auf einen weiteren Einsatz im Gelände. “Das hat mich komplett außer Gefecht gesetzt. Daran musste ich die letzten Wochen viel arbeiten und jetzt geht es endlich bergauf", sagte Schreiber, die derzeit mit ihrem Team in Spanien trainiert. 

So ist das Comeback in greifbare Nähe gerückt. “Es sieht aus, als könnte ich in Antwerpen wieder Rennen fahren“, hoffte sie auf einen Start beim dortigen Weltcup am 20. Dezember. “Dann sollte alles wieder ausgeheilt sein. Gott sei Dank war es kein riesiger Riss. Aber es war genug, um vier Wochen nicht in der Lage zu sein, Crossrennen zu fahren“, so Schreiber, die über Weihnachten “genug Rennen“ bestreiten und anschließend ihren Titel in Luxemburg verteidigen will.

Bis zur WM wolle sie Offroad unterwegs sein, um dann “auf der Straße ein paar Rennen im Frühling zu bestreiten“. “Das ist eine andere Herangehensweise als die letzten Jahre, als ich nach dem Cross immer eine recht lange Offseason hatte. Dieses Jahr geht es ziemlich direkt auf die Straße und im April ist eine längere Pause angesagt“, blickte sie voraus.

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