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17.07.2004 | La Mongie - Die Enttäuschung hat alle wie einen Keulenschlag getroffen. Schon nach der ersten Bergetappe scheint Jan Ullrich das Rennen um den Toursieg verloren zu haben. Radsport aktiv sprach mit Team-Chef Walter Godefroot.
Können Sie erklären, was auf dem Anstieg nach La Mongie passiert ist?
Godefroot: "Wir haben richtig einen übergebraten bekommen. Ich dachte, wir verlieren auf beiden Bergetappen in den Pyrenäen 30 Sekunden. Das es soviel sein könnten, habe ich nicht erwartet."
Deutete es sich schon früh an, dass Jan nicht gut drauf ist?
Godefroot: "Die Mannschaft sollte Jan in den Berg hinein fahren. Dabei merkte er, dass seine Beine nicht gut waren. Er hatte einen schwachen Tag."
Welchen Einfluss hatte das Wetter?
Godefroot: "Wir wissen alle, wenn es kalt wird, ist es Armstrong- nicht Ullrich-Wetter. In der Sonne waren es 35 im Regen nur 13 Grad. Das kann eine Rolle gespielt haben. Armstrong fuhr in Normalform, Jan war einfach eine Stufe tiefer."
Wie waren Sie auf den Wettersturz vorbereitet?
Godefroot: "Olaf Ludwig war vorausgefahren und hatte uns gewarnt. Wir nahmen als erste die Regenjacken."
Wirken sich solche Einbrüche auch auf die folgenden Tage aus?
Godefroot: "Ich hoffe, dass es wie 1998 ist, als Jan gegen Pantani viele Minuten verlor, er am nächsten Tag aber wieder in Ordnung war."
Der Abstand zu Armstrong ist schon sehr groß. Sehen Sie noch eine Sieg-Chance oder wechseln Sie die Taktik?
Godefroot: "Alles was ich jetzt sage, kann gegen mich verwendet werden. Sage ich ja, habe ich kein Vertrauen mehr zu Jan. Sage ich nein, bin ich nicht mehr realistisch. Nein, das Vertrauen zu Jan bleibt. Die 3:25 Minuten Rückstand sind da, aber wir verlieren doch nicht nach der ersten Bergetappe das Vertrauen zu Jan! In der letzte Woche kann noch sehr viel passieren!"
Andreas Klöden ist jetzt Dritter im Gesamtklassement. Wird T-Mobile nun für ihn fahren?
Godefroot: "Andreas ist ein Talent. Er hat aber noch nie Druck bekommen. Jan kann damit leben. Wie wissen nicht ob Andi drei Wochen auf dem Niveau durchkommt. Jan und Andi sind beste Freunde und beste Helfer. Andi will auch die Verantwortung noch nicht nehmen, es sei denn Jan möchte das so."
Wann fiel die Entscheidung, dass Klöden bei Armstrong bleiben soll?
Godefroot: "Es war Taktik, dass Andi vorne bleiben sollte. Jan war in der Gruppe mit Heras und Hamilton, die sein Tempo gefahren sind, gut aufgehoben. Auch Guerini war bei ihm. Wenn Jan seinen Rhythmus gefunden hätte, hätte Klödi auf ihn gewartet und wäre weiter mit ihm gefahren. Doch das ist leider nicht passiert. Ich denke, dass es jetzt gut ist, dass Klödi mit vorne ist."
Auch im Zeitfahren hatte Ullrich seinen Rhythmus erst sehr spät gefunden. Gibt es eine Erklärung dafür?
Godefroot: "Ich bin kein Trainer, da müssen sie Jan's Trainer fragen."
Ist das ein Vorwurf?
Godefroot: "Nein! Ich bin kein Arzt und kann deshalb nicht auf Fragen zur Gesundheit antworten, Ich bin auch kein Trainer."
Sehen sie noch eine Chance, dass Jan in den Kampf um den Gesamtsieg eingreifen kann?
Godefroot: "Was Jan passiert ist, kann auch anderen passieren. Wir haben es mit Menschen zu tun, nicht mit Maschinen. Die Tour ist erst in Paris entschieden!"