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23.06.2013 | (rsn) – André Greipel (Lotto Belisol) reist erstmals mit dem Trikot des Deutschen Meisters auf den Schultern und mit einer Extraportion Selbstbewusstsein im Gepäck zur Tour de France. Der gebürtige Rostocker holte sich am Sonntag im Straßenrennen von Wangen in einem packenden Finish, das im strömenden Regen nicht durch Sprintzüge, sondern Kraft und Cleverness vorbereitet und entschieden wurde, seinen ersten Titel bei den Profis.
Der 30 Jahre alte Greipel ließ nach knapp 225 Kilometern im Sprint einer 17 Fahrer starken Spitzengruppe Mailand-San Remo-Gewinner Gerald Ciolek (MTN-Qhubeka) Köln) und den WM-Vierten John Degenkolb (Argos-Shimano) hinter sich und kann nun mit breiter Brust zum Tour-Start nach Korsika fahren.
„Das ist super!“, waren die ersten Worte des neuen Deutschen Meisters nach dem Zieldurchlauf. Vor Adrenalin, mehr aber noch vor Kälte zitternd, bedankte sich Greipel dann bei seinem Teamkollegen und altem Freund Marcel Sieberg. Der lange Bocholter hatte sich zwei Kilometer vor dem Ziel aus der Spitzengruppe abgesetzt und die Konkurrenz zur Reaktion gezwungen. Davon profitierte Greipel im Finish. „Es ging darum: Er oder ich. Wenn man nur mit zwei Leuten bei einem Rennen antritt, muss man so fahren. Entweder Sibi wäre durchgekommen oder dann ich. Das Meistertrikot gehört ihm zur Hälfte“, sagte Greipel der Nachrichtenagentur dpa.
„Ich habe es oft probiert, aber noch nie geschafft. Dass ich jetzt im Meistertrikot zur Tour fahre, macht mich sehr glücklich“, sagte der Wahlschweizer, der nun bei der am kommenden Samstag beginnenden 100. Frankreich-Rundfahrt für das lange nicht mehr gesehene Bild eines Deutschen Meisters als Etappensieger sorgen könnte.
Die Geschlagenen zeigten sich ebenfalls zufrieden. „Ich bin keineswegs enttäuscht, das ist man nur, wenn’s im Rennen nicht lief. Aber heute war es gut, und ich bin Zweiter. Ich muss mir nichts vorwerfen. Ich habe keine Fehler gemacht. André war einfach zu stark“, sagte Ciolek, der nur knapp seinen zweiten Meistertitel nach 2005 verpasste.
„Ich habe vorher gesagt, dass ich aufs Podium wollte , und das habe ich geschafft“, äußerte sich ganz ähnlich der 24 Jahre alte Degenkolb, der allerdings im Gegensatz zu Ciolek in Frankreich diverse Möglichkeiten zur Revanche erhalten wird..
Das über sechs Runden zu je 37,5 Kilometern - mit je zwei Anstiegen - führende Straßenrennen war von Beginn an von vielen Attacken geprägt. Zunächst bildete sich auf noch trockenen Straßen eine Spitzengruppe mit Matthias Plarre (LKT Team Brandenburg), Christian Mager und Jan Oelerich (beide Stölting), Theo Reinhardt (rad-net Rose), Jan Wälzlein (Heizomat), Jonas Schmeiser (NSP-Ghost) und Patrick Nuber (RV Edelweiß Roschbach), die aber auf der dritten Runde nach gut 80 Kilometern bereits wieder Geschichte war.
Kurz darauf zogen Nils Politt (Stölting), Benedikt Kendler (ARBÖ Gebrüder Weiss), Mike-Aaron Egger (Bergstraße-Jenatec) und Rick Ampler (Nutrixxion Abus) davon und erhielten Verstärkung durch Andreas Schillinger (NetApp-Endura), Marcel Meisen (Team BKCP-Power Plus), Thomas Koep (Team Stölting) und erneut Reinhardt.
Das Feld ließ diese Gruppe zunächst bis auf 3:30 Minuten davonziehen, bevor es in der vorletzten Runde bei nun immer stärker werdendem Regen, der das Kopfsteinpflaster in der Wangener Innenstadt gefährlich glatt machte, die Verfolgung intensivierte.
Auf der letzten Runde schlug dann erwartungsgemäß die Stunde der Favoriten. Zunächst sorgte Argos-Shimano, mit sechs Fahrern das personell stärkste Team aus der WorldTour bei diesen Meisterschaften, für Tempo und verringerte den Abstand zur Spitzengruppe. Die bestand eingangs der Schlussrunde nur noch aus vier Fahrern, nämlich Reinhardt, Meisen, Koep und Schillinger, der sich schließlich als letzter der Ausreißer vorne behauptete. 15 Kilometer vor dem Ziel war aber auch die Flucht der Ambergers beendet.
Danach trat Paul Martens (Blanco) in Aktion. Der Gewinner der Luxemburg-Rundfahrt, derzeit in glänzender Verfassung, sorgte mit seinem Antritt für die vorentscheidende Selektion im noch recht großen Feld. Insgesamt 22 Fahrer zog Martens mit sich, darunter fast alle Favoriten wie Titelverteidiger Fabian Fabian Wegmann (Garmin Sharp), Dominik Nerz, Marcus Burghardt (beide BMC), Tony Martin (Omega Pharma - Quick-Step), Paul Voß (Team NetApp - Endura), Stefan Schumacher (Christina Watches), Patrik Sinkewitz (Meridiana Kamen), Simon Geschke (Team Argos-Shimano), Greipel, Ciolek und Degenkolb.
Aber auch diverse Außenseiter aus den deutschen Conti-Teams wie wie Reinhardt, Raphael Freienstein und Johannes Weber (beide Heizomat), U23-Meister Silvio Herklotz und Nils Plötner (beide Stölting) hielten sich ganz vorne. Gegen die geballte Macht der deutschen Top-Sprinter waren sie dann aber erwartungsgemäß machtlos. Nachdem auch Siebergs späte Attacke rund 700 Meter vor dem Ziel vereitelt wurde, sprintete auf der regennassen Zielgeraden in der Altstadt von Wangen Greipel dann nicht nur ganz souverän seinem zehnten Saisonsieg, sondern auch zum ersten Meistertitel seiner langen und erfolgreichen Karriere.