Rennbericht - 1050 km, 25 000 hm

TransPyrenees: Vom Mittelmeer zum Atlantik

Von Marcus Ruchti

Foto zu dem Text "TransPyrenees: Vom Mittelmeer zum Atlantik"
Geschafft! Das Belohnungs-Bier am Ziel des TransPyrenees, in San Sebastian | Fotos: Marcus Ruchti

10.10.2023  |  Ein Donnerstag Nachmittag im Juni. Mein Fahrrad-Navi zeigt an: Nach links abbiegen. Und da steht auch schon das Schild: Jaizkibel - der letzte von 33 Pyrenäen-Pässen, die ich zu überqueren hatte. Nur noch zwei, drei kurze, steile Rampen nach ganz oben. Gefühlt fliege ich sie hoch, Adrenalin übernimmt die Kontrolle. Dann sehe ich die Zielfahne und auf mich gerichtete Kameras - das obligatorische Zielfoto.

Ich hab’s geschafft: Nach vier Tagen 21 Stunden und 40 Minuten habe ich die Ziellinie des Ultracycling-Rennens "TransPyrenees" erreicht. Jetzt noch zehn Kilometer bergab, runter nach San Sebastian, wo meine Familie, leckeres Essen und Bier auf mich warten... Wie oft habe ich mir diesen Moment ausgemalt, wieder verdrängt, mir wieder vorgestellt - die letzten Stunden, die letzten Tage meiner Reise. Jetzt ist es Realität!

Zurück zum Anfang...
Nach meinem ersten Ultra-Radrennen, dem "Three Peaks Bike Race", 2021 von Wien nach Barcelona, war für dieses Jahr das nächste Abenteuer geplant: das in der Szene recht bekannte "TransPyrenees", von Osten nach Westen über die gesamte Gebirgskette der Pyrenäen - 1050 Kilometer und mehr als 25.000 Höhenmeter, auf einer vorgegebenen Strecke in sechs Tagen zu bewältigen.

Da es sich um ein "unsupported"-Rennen handelt, muss das Gepäck auf dem Rad mitgenommen werden, jede/r kümmert sich selbst um alles, was bei zu organisieren ist. Begleitfahrzeuge, Verpflegungsstellen und ähnliches gibt's nicht.

Das Abenteuer begann bereits am Flughafen in Girona: Ich warte vergeblich am Sperrgepäckschalter auf meinen Radkoffer. Nach weiterem langem Warten und etlichen Diskussionen kam durch die Hilfe einer engagierten Mitarbeiterin am Schalter heraus: Mein Rad ist hier. Es wurde zwar ausgeladen, dann aber auf dem Rollfeld stehengelassen. Glück gehabt...

Start in die Nacht hinein
Los geht es in Llanca, einem kleinen Küstenort an der Costa Brava, nicht weit entfernt von der französischen Grenze. Um die ganze Sache noch etwas spannender zu machen, hat der Veranstalter die Startzeit auf den Abend gelegt. Um 20 Uhr verlassen wir mit einer Gruppe von ungefähr 200 Teilnehmern, begleitet von einer Polizei-Eskorte den Ort - die Reise beginnt...

Für mich ist es die erste Fahrt eine ganze Nacht lang. Wie weit es am nächsten Tag geht, wie lange der Körper durchhält - ich weiss es nicht. Es ist eine besondere Erfahrung und eine durchaus geniale, wie sich später herausstellt. Die Nacht ist klar, es ist richtig warm - warm genug für „kurz/ kurz“. Wir fahren in der Dämmerung über die Grenze nach Frankreich. Die rötliche Abendsonne färbt die kleinen Küstenorte ein, wie an einer Lichterkette aneinandergereiht die Lampen und blinkenden Rückleuchten der anderen Fahrer/innen - eine Mega-Stimmung.

Schäfchen zählen mußte Marcus nicht nach seinem ersten TransPyrenees-Tag, um einzuschlafen - er hatte 360 km und 8000 Höhenmeter auf der Uhr... 

Im weiteren Verlauf der Nacht versuchen die meisten, in kleinen Gruppen zusammenzubleiben, allein schon aus Sicherheitsgründen. Immerhin geht es über längere Abschnitte durch kaum oder gar nicht besiedelte Gegenden. Viel von der Landschaft bekommt man in der Dunkelheit natürlich nicht mehr mit, der Blick aufs Navi mit der Route ist wichtiger. Die ersten Pässe - genannt Cols und Ports - stehen kurz nach Mitternacht an.

Anfeuerung im Niemandsland
Der Col de Palomère ist mit 1066 m der erste Pass über 1000 Meter; die Abfahrt führt über kleine und oft sehr enge Strassen in den Ort Vinca. Scheinbar mitten im Niemandsland fahren wir an einer Location vorbei, wo Jugendliche feiern und uns spontan mit lauter Musik und "Allez, allez"-Rufen am Strassenrand anfeuern. Im Ort gibt es dann früh morgens zusammen mit einigen Mitfahrern erstmal ein Frühstück, mit Kaffee und Croissants, in einer Bäckerei, die dankerswerterweise schon offen hat.

Dann kommen die nächsten Anstiege, es geht rauf und runter, fast ohne flache Abschnitte - so wird das die nächsten Tage weitergehen... Gegen Mittag ist mit dem Col del Pailheres der erste Pass auf über 2000 Metern erreicht. Nach der Abfahrt mit heftigen Seitenwinden wird es langsam richtig heiß, mit bis zu 37 Grad.

Die Strecke liegt nun fast ausschließlich in der Sonne, kein Wald weit und breit. Zum Glück gibt es immer wieder Brunnen und Quellen, an denen man Wasser nachfüllen kann - denn es ist Sonntag, und die Supermärkte, aber auch viele Cafes und Bistrots haben geschlossen. Immerhin habe ich meine Verpflegung für den ersten Tag komplett dabei.

Brutaler Anstieg in der Mittagshitze
Der Anstieg zum Col de Port wird dann richtig brutal. Die Hitze macht mich und die meisten anderen Teilnehmer/innen einfach fertig. Kurzer Stop in einem Restaurant, wo ich zusammen mit drei spanischen Mitfahrern ein Hotel für die Nacht buche. Am Abend geht es noch über die Mur de Peguère, mit Anstiegen bis zu 18 Prozent.

Mit letzter Kraft komme ich oben an und freue mich, bald im Hotel zu sein. Es ist klein und einfach, aber mit wirklich freundlichen Gastgebern: Obwohl wir recht spät ankommen, kocht man für uns noch einen grossen Topf Pasta. Danach nur noch schlafen… Immerhin war es mein bisher längster Tag auf dem Renner: 360 km und rund 8000 Höhenmeter stehen auf der Uhr.

Marcus Ruchti ist seit vielen Jahren begeisterter Ausdauersportler - mit einem gewissen Hang zur Langstrecke. Was ihm an Ultracycling-Rennen gefällt: die Kombination aus sportlicher Herausforderung, Erleben der Natur, neuen Eindrücken, Begegnungen mit Menschen, aber auch das Unvorhersehbare - "Abenteuer halt..."
Der Teil zwei seines "TransPyrenees"-Rennberichts folgt morgen.

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