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09.05.2013 | "Heit geht da Wind" - so könnte man den 18. "Neusiedler See Radmarathon" zusammenfassen, der am letzten April-Sonntag am flachsten See Europas über die Bühne ging. Unötig zu erwähnen: Natürlich kam der Wind auf knapp hundert Kilometern der 125-km-Strecke überwiegend von vorn, oder von der Seite.
Rückblende: Um acht Uhr waren Don
Renato (ein drahtiger, schneller Wiener Schauspieler), Hans (Musiker und Pinarello-Fan), Stefan (Plattenkamera-Fotograf) und ich in Wiens 7. Bezirk gestartet, um rechtzeitig in Mörbisch zu sein - der Don und ich mussten uns noch nachmelden.
Das ging dann problemlos, und nachdem wir von einem netten Helfer noch einen günstig gelegenen Parkplatz verraten bekamen, hatten wir noch Zeit, uns bis zum Start um zehn ein wenig einzurollen.
Vom Hans stammt die schöne Zeile
"heit geht da Wind...", die sich wie ein roter Faden durch diese Geschichte zieht. Vor vier Jahren hat der Hans das Rennradeln für sich entdeckt. Und vor über 20 Jahren hat Hans-Peter Falkner (so Hans' kompletter Name) zusammen mit seinem Spezl Markus Binder als “Attwenger” (benannt nach einer Schreinerei in ihrem Heimatort in Oberösterreich) die Volksmusik auf den Kopf gestellt.
Schlagzeug, elektronisch verzerrtes Akkordeon, minimalistischer Sprechgesang mit schrägen Texten - das hatte man bis dahin so noch nicht gehört. Selbst der legendäre John Peel von BBC Live war begeistert: “I have no idea what it's about - but I like this noise! Great deal!”
Zurück an den See: Seit 22 Jahren
veranstaltet der RC Hohe Wand aus Mörbisch den “Neusiedler See Radmarathon”, und für die Wiener, die Burgenländler sowie viele Ungarn und Tschechen ist er seit langem der traditionelle Saison-Auftakt.
Gut 1300 Hobby-Radler sind heuer in das nette Wein-Städtchen gekommen, um den See zu umrunden.
Manche hatten es dabei sehr eilig, trotz - oder wegen? - des Winds: Der Tscheche Jiri Mikulasek war in 3 Stunden, 9 Minuten und 51,51 Sekunden fertig, der ehemalige Radprofi Michael Knopf aus Trausdorf wurde mit 18 Hundertstel Rückstand Zweiter.
Ganz so schnell waren wir leider nicht:
“Dös war no ned mei Zeid”, meint Hans trocken, als wir nach gut viereinviertel Stunden in Mörbisch durchs Ziel rollen: “Oba de Säsong fangt ja grod erst o.” Ein Rennen zum Saison-Start über 125 Kilometer - das mag nicht jeder.
Hans' Rücken nicht, und auch nicht mein Hintern, der seit November selten mehr als 75 km im Sattel sitzen mußte. Aber Hans und ich waren nicht die einzigen, die auf der See-Runde leiden mußten. Auch wenn's nur gut 650 Höhenmeter waren.
650 Höhenmeter? “Gfühlte fuchzehnhundat
Höhenmeter” hatte Hans auf der Uhr: “Da Wind woa heit wieda tückisch”. Der berüchtigte Gegenwind am Neusiedler See, er ging heute wieder. Und die Strecke rund um den See bietet wenig Schutz: Kaum Wald, viel freies Feld, Moor-Ebenen, dürrer Schilf. Hübsch, aber windig.
Als wir nach gut 30 Kilometern durch Ungarn (wo die Straßen übrigens auch nicht schlechter als im Burgenland sind, wie Neusiedler Neulinge am Start noch geunkt hatten) wieder in Österreich sind, geht's richtig los: "heit geht da Wind...", meist von vorn, aber auch von der Seite.
Hans und ich sind in einer größeren Gruppe unterwegs, und mit fünf, sechs Fahrern aus dem vorderen Drittel wechseln wir uns regelmäßig vorn ab. Geht doch - auch wenn der Wind geht. Trotzdem kommen wir stellenweise nur mit unter 25 km/h voran - in der Ebene. Der Wind kam übrigens im Schnitt mit 30 bis 40 km/h, wie eifrige Mitfahrer recherchiert hatten.
Ja, ja: "heit geht da Wind..."
Die Zeile aus dem Attwenger-Song "Kalender" geht mir auf den schutzlosen Straßen wie ein Mantra im Kopf herum: "Ma kunt jetzt aa no weida doa, wer waaß ob's des jetzt bringt" - das frage ich mich vor allem auf der Bundesstraße 53 am See-Ende, als es so richtig von vorn bläst.
Dann landen Hans und ich in einer Zehner-Gruppe, wechseln uns immer wieder im Wind ab. Bis uns auffällt, dass immer nur wir zwei führen. Als wir uns beide demonstrativ aus der Spitze zurückfallen lassen, wird die Gruppe immer langsamer. Nur ein recht flotter Trekking-Radler versucht das Tempo zu halten, hat aber auch bald keine Lust mehr.
"Heit geht da Wind..." - klar, aber so bringt's das ja auch nicht. Hans und ich gehen in die Pedale, setzen uns schnell ab. Dann halt allein. Aber wir haben die Rechnung ohne den Trekking-Radler gemacht: Zusammen mit einem weißhaarigen Stahlrahmen-Aficionado fährt er die Lücke zu, und wir kreiseln lange Kilometer vor uns hin.
So können wir das Tempo trotz Gegenwind
um 30 km/h halten - das ist doch schon mal was...
Schließlich stoßen wir auf eine weitere Gruppe, in der das mit der Führung eigentlich ganz gut klappt. Abwechselnd lassen Hans und ich uns auch mal ein wenig zurückfallen, und rollen recht gemütlich im Schutz des Pelotons.
Nur eine schon etwas ältere Ungarin, die mitten im Getümmel ständig auf ihrem Tria-Lenker liegt, nervt eigentlich alle. Sie ignoriert diverse Aufforderungen, das gefährliche Geeiere doch bitte zu unterlassen.
Auch als ich ihr zu erklären versuche, dass sie niemals rechtzeitig an ihre Bremsen kommen wird, wenn's in der Gruppe ein Problem gibt, geht sie für gerade mal drei Minuten in eine normale Position, lässt sich zurückfallen - und legt sich im hinteren Teil der Gruppe gleich wieder auf den Lenker. Den Fahrern dort scheint's egal zu sein.
Immerhin haben wir Glück,
dass die unvernünftige Dame nicht von dem nun böigem Seitenwind abgeworfen wird. Und wir hatten Glück, dass der Wind am See-Ende bei Winden (kein Witz, der Ort heißt so) nicht drehte, so dass wir für die letzten 35 Kilometer nicht weiter Gegenwind hatten. “Oba dös hamma ollas scho g'habt”, erinnert sich Hans: “Gegenwind auf da Hinrunde, und z'ruck aa wieda.”
"Es is ned oiwei so, dos da Schnellste oiwei g'winnt" - Attwengers "Wind"-Lied geht mir einfach nicht aus dem Kopf. Beim Radrennen ist es allerdings doch meistens so, dass der Schnellste gewinnt. Außer, er hat etwas nachgeholfen, der Schnellste. Dann gewinnt er nicht. Zumindest wenn er erwischt wird. Was mittlerweile leider ja auch schon bei Jedermann-Rennen vorkommt...
Dann der letzte Anstieg in Rust,
gut fünf Kilometer vor dem Ziel. Immerhin haben wir nun leichten Rückenwind. "Heit duat mia gor ka Fuaß ned weh, drum fahr i so beschwingt." Als mir die Liedzeile einfällt, merke ich, dass das leider garnicht der Fall ist: So lange Runden sind meine Beine einfach nicht mehr gewöhnt. Immer wieder gehe ich in einen geruhsamen Wiegetritt, damit die Oberschenkel nicht zu machen.
Dann das erlösende Ortsschild: Mörbisch. Nur noch ein paar hundert Meter - Geschafft! Der schnelle Don Renato war mit Stefan im Schlepptau fast eine halbe Stunde vor uns im Ziel. Die zwei warten schon mit ihrem zweiten Bier (natürlich alkoholfrei - oder?) auf uns.
Sie haben auch einen besonderen Durst,
weil sie sich den Stop an der Labe-Station in Illmitz geschenkt haben, wo Hans und ich unsere Flaschen aufgefüllt, und uns ein Apfelschorle, eine Banane und einen Plausch mit einem Club-Kollegen von Hans gegönnt haben.
So wie wir uns jetzt unser "Finisher-Radler" gönnen, das man nach Abgeben des Zeit-Chips im großen Festzelt bekommt. Das schmeckt (klar: gut - besser - Gösser)! Und immerhin: Der Wind, der geht heut nicht mehr. Wir sind ja auch im Ziel...
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