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11.05.2023 | (rsn) – Erstmals in seiner Karriere soll sich Lennard Kämna bei einer dreiwöchigen Rundfahrt auf die Gesamtwertung konzentrieren. Der 26-Jährige führt neben Aleksandr Vlasov das Team Bora – hansgrohe beim 106. Giro d’Italia an und geht am Freitag in die erste wegweisende Bergetappe hinauf zum Campo Imperatore am Gran Sasso d’Italia als Elfter der Gesamtwertung. 1:54 Minuten fehlen ihm auf Leader Andreas Leknessund (DSM), 28 Sekunden sind es auf seinen Teamkollegen Vlasov, der aktuell auf dem sechsten Platz rangiert.
Für den zeitlichen Unterschied der beiden Kapitäne sorgte das erste Zeitfahren. "Lennard hatte ein paar Tage vor dem Start des Giro gesundheitlich geschwächelt", berichtete Teammanager Ralph Denk im Velo Club von Eurosport, wo er zum 30-minütigem Experten-Talk geladen war. "Darum war das Zeitfahren auch so, danach haben wir aber keine Zeit mehr verloren", fügte der Boss des Raublinger Rennstalls an.
Mit der Doppelspitze will man den beiden Überfliegern Remco Evenepoel (Soudal – Quick Step) und Primoz Roglic (Jumbo – Visma) entgegentreten, um in der Gesamtwertung den im Vorjahr errungenen Gesamtsieg, damals durch Jai Hindley, zu verteidigen.
"Wir wollen Lennard die Möglichkeit geben, sich an der Gesamtwertung zu versuchen. Das ist ein Stück weit ein Experiment, welches wir abwägen müssen", erklärte Denk weiter und ging gleich das Pro und Contra durch: "Schlecht ist, dass man keinen so aggressiven Kämna mehr sieht, wie man es gewöhnt ist, aber ich bin überzeugt, dass das Experiment positiv endet."
Erstmals übernahm Kämna die Rolle als GC-Kapitän. Auch, weil er in den letzten Jahren immer wieder mit mentalen Problemen zu kämpfen hatte, längere Pausen abseits des Rennrades einlegte, wie 2021, wo er nach der Algarve-Rundfahrt kein einziges Rennen mehr bestritt. Die Ambitionen für das Klassement wurden nun von ihm ans Team herangetragen.
"Ich war froh, dass er den Wunsch geäußert hat, das zu machen. Wir wussten von Beginn seiner Verpflichtung an, dass er das Potenzial dazu hat, kennen aber auch seine Schwächen. Deshalb ist es besser, wenn ein Fahrer von sich aus zum Team kommt", schilderte Denk, der dann mit der Sportlichen Leitung und seinem Schützling den Giro als idealen Platz für das Experiment wählte.
"Mit den drei Zeitfahren sollte ihm das besser (als die Tour de France) entgegenkommen", meinte der Teammanager, der dann erklärte, dass er sich mit Kämna kein spezielles Resultat für den Giro als Ziel gesetzt hätte. "Wir sind einfach gespannt, was rausschaut", so Denk, der aber auch anfügte, dass man dem 26-Jährigen, der schon eine Giro- als auch eine Tour-Etappe für seinen Arbeitgeber gewann, auch Freiheiten gewähren will.
"Ich will ihn als Teamchef nicht blockieren, denn dann setzt er seine Unterschrift woanders", erklärte Denk. Kämna hat bis einschließlich 2024 noch Vertrag bei den Raublingern, die ihn jetzt beim Giro aber trotz der Ankündigung aufs Klassement zu fahren, nicht unter Druck setzen wollen. "Im letzten Jahr hatte er eine freie Rolle, gewann eine Etappe, war aber auch auf der vorletzten Etappe der Schlüsselmann für unseren Sieg. Dazwischen konnte er sich aber auch ausruhen. Das ist jetzt nicht so, denn die Gesamtwertung ist ein anderer Stress", berichtete Denk über die unterschiedliche Herangehensweise für den Bremer in diesem Giro im Vergleich zum Vorjahr.
Und falls Kämna dem Druck nicht gewachsen wäre, so würde das Team auch rechtzeitig eingreifen. Für die Planung der zweiten großen Landesrundfahrt, der Tour de France im Juli, ist Kämna hingegen kein Thema. "Wenn er den Giro fertig fährt und unter den besten dabei ist, dann brauchen wir über die Tour nicht nachdenken", sagte Denk abschließend.