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06.09.2023 | (rsn) – Mit zwei Kapitänen ging Jumbo – Visma in die 78. Vuelta a Espana. Primoz Roglic und Jonas Vingegaard sollten mit vereinten Kräften Titelverteidiger Remco Evenepoel (Soudal – Quick-Step) in die Knie zwingen. Doch seit der 6. Etappe steht ein anderer Jumbo-Fahrer an der Spitze des Klassements: Sepp Kuss. Der Kletterer hat den Kampf gegen die Uhr am 10. Tag sehr gut überstanden und nimmt die zweite Vuelta-Hälfte mit 26 Sekunden Vorsprung auf Marc Soler (UAE Team Emirates) in Angriff. Evenepoel folgt mit 1:09 Minuten Rückstand auf dem dritten Platz, Roglic (+ 1:36) ist Vierter, Vingegaard liegt auf Rang sieben bereits 2:22 Minuten hinter Kuss, der zudem im Verlauf dieser Spanien-Rundfahrt kein Zeitfahren mehr fürchten muss.
So stellt sich die Frage, wie die Gegner den Rückstand auf Kuss noch aufholen können. Der Mann im Roten Trikot hat auf den letzten beiden Bergetappen nur elf Sekunden (ohne Zeitbonifikationen) auf die Großen Drei eingebüßt. “Ich habe noch einen schönen Vorsprung. Aber die schwersten Etappen kommen noch und eine Minute kann in nur einer Etappe oder an nur einem Anstieg gewonnen oder verloren werden“, urteilte Kuss im Ziel-Interview nach dem Zeitfahren.
So hat Jumbo – Visma mittlerweile drei Optionen und befindet sich dennoch – oder gerade deshalb – in einer verzwickten Lage. Mit seinem Superhelfer liegt das Team zwar vorn und deshalb werden Roglic und Vingegaard wahrscheinlich nicht angreifen. Der Slowene und der Däne sind im Klassement allerdings hinter Evenepoel positioniert und müssten Zeit auf den Belgier gutmachen.
Marc Reef sah das im Eurosport-Interview jedoch anders. “Wir haben drei Leader, die können wir alle ausspielen. Wir sind in einer sehr guten Situation“, befand der Sportliche Leiter von Jumbo – Visma. “Das Hochgebirge kommt ja erst noch, das ist normalerweise das Terrain von Jonas. Primoz war im Zeitfahren besser. Aber es kommt noch eine Menge. Um etwas über die teaminterne Hierarchie sagen zu können ist nach dem Zeitfahren noch nicht genug Zeit verstrichen“, hielt er sich nach der 10. Etappe bedeckt.
Giro-Sieger Roglic hingegen schien in Valladolid etwas deutlicher zu werden: “Sepp ist noch derjenige, für den wir fahren. Er fährt in Rot“, so der dreimalige Vuelta-Champion, der am Eurosport-Mikrofon bei dieser Aussage allerdings so verschmitzt lächelte, dass man sie kaum ernst nehmen konnte. Dennoch ändert das nichts an dem Problem, dass der Gesamtführende normalerweise nicht vom eigenen Team angegriffen wird.
Ob Kuss in Rot für Jumbo – Visma ein Segen oder ein Fluch ist, wird sich wohl erst in den nächsten Tagen zeigen. So blieb Reef nach dem Zeitfahren nur, die Konstellation zusammenzufassen. “Sepp hat das Rote Trikot erfolgreich verteidigt. Er hat noch 1:10 Minuten Vorsprung auf Evenepoel und noch mehr auf die anderen Anwärter. Primoz hat auch ein sehr starkes Zeitfahren absolviert. Er hat, glaube ich, nur 20 Sekunden auf Remco verloren. Das ist eine gute Situation. Bei Jonas hatten wir gehofft er würde es weniger verlieren, aber er hat das Maximale herausgeholt“, sagte der Niederländer.
Auch der Gesamtführende selbst blieb bei seinem Blick auf die nächsten Etappen eher vage. “Es ist zu einfach, sich die Zeitabstände jetzt anzusehen und sie auf das ganze Rennen zu extrapolieren. Es stehen noch ein paar schwere und schöne Etappen an und es kann noch viel passieren“, sagte Kuss.
Am Mittwoch steht die Bergankunft am Laguna Negra auf dem Programm. Dort ist der Schlussanstieg allerdings nicht schwer genug, um für größere Abstände zu sorgen. So scheint die Etappe, die für mehr Deutlichkeit sorgen wird, die zum Col du Tourmalet am Freitag zu werden.