--> -->
07.11.2006 | Bernhard Kohl ist nach einem guten zweiten Profijahr von T-Mobile zu Team Gerolsteiner gewechselt. Im Interview mit Radsport aktiv schildert der 24-jährige Österreicher seine Gründe für den Wechsel, was sein neues Team von ihm erwartet und weshalb er sich bereit für die Tour de France fühlt.
Sie hatten ein erfolgreiches Jahr bei T-Mobile. Warum sind sie zu Gerolsteiner gewechselt?
Kohl: Ich hatte mehrere Angebote von ProTour-Teams, darunter auch von T-Mobile und Gerolsteiner. Das von Gerolsteiner war in sportlicher Hinsicht einfach das beste. Mit ist die Entscheidung dann leicht gefallen. Gerolsteiner ist ein Team, in dem ich mich sportlich weiter entwickeln kann. Dort wird super Arbeit geleistet. Das sieht man auch daran, wie das Team von einem kleinen zu einem richtig großen gewachsen ist. Dass sich T-Mobile so stark verändert, war zu dem Zeitpunkt, als ich mich entschieden hatte, noch nicht abzusehen.
Hat die Nichtberücksichtigung für die Tour de France bei Ihrer Entscheidung eine Rolle gespielt?
Kohl: Nein. Ich war natürlich im ersten Moment enttäuscht, dass ich nicht im Aufgebot dabei war - vor allem nach meinen Leistungen bei der Dauphiné Libérè, wo ich Dritter geworden war. Aber im Nachhinein muss ich sagen, dass die Nicht-Nominierung schon gerechtfertigt war. Ich war bei der Dauphiné in Topform, außerdem war die Tour auch gar nicht in meiner Saisonplanung. Ich wäre zwar mit einer guten Form in die Tour hinein gegangen, aber es wäre nicht absehbar gewesen, ob ich die auch noch in die dritte Woche hinein hätte retten können.
Wenn Sie gewusst hätten, dass mit Klöden, Mazzoleni und Kessler drei Rundfahrtspezialisten T-Mobile verlassen - wäre Ihre Entscheidung anders ausgefallen?
Kohl: Nein. Das hätte keine Rolle gespielt. Ich wäre auf jeden Fall zu Gerolsteiner gegangen. Ich bin mir einfach sicher, dass mir Gerolsteiner das perfekte Umfeld bietet.
Wie bereiten Sie sich auf ihre erste Saison bei Gerolsteiner vor?
Kohl: Wie immer. Ich absolviere im November mein gewohntes Wintertraining mit Skitouren und Langlaufen. Ich bin in den letzten Jahren gut damit gefahren und ich will das auch so beibehalten. Das gibt mir Sicherheit für die neue Saison und deshalb sehe ich da auch keinen Grund, etwas zu verändern. Im Januar werde ich sicher wieder auf Mallorca trainieren, aber ich sehe keine Veranlassung, jetzt schon nach Südafrika zu fahren. Wenn ich im Novermber/Dezember auf dem Rad sitzen würde, hätte ich im Februar, wenn die Saison beginnt, wahrscheinlich schon keine Lust aufs Radeln mehr.
Welche Rolle werden Sie im Team Gerolsteiner spielen?
Kohl: Wir haben Ende November unser erstes Teamtreffen bei Gerolsteiner und da wird das genau besprochen werden. Natürlich gab es schon erste Gespräche im Zusammenhang mit der Vertragsunterzeichnung. Ich denke, dass Gerolsteiner in den großen Rundfahrten auf mich setzt. Ich hoffe, dass ich mit dazu beitragen kann, die Lücken zu füllen, die Fahrer wie Leipheimer oder Totschnig hinterlassen haben.
Haben Sie schon ihre neuen Teamkollegen kennen gelernt?
Kohl: Ich kenne schon einige, die meisten Fahrer bei Gerolsteiner sind ja deutschsprachig und da ergaben sich in den vergangenen Jahren schon Kontakte bei den Rrennen. Ich habe den Eindruck, dass Gerolsteiner wie eine große Familie ist. Darauf freue ich mich jetzt schon.
Ist die Tour de France das große Ziel? Hat Sie Gerolsteiner mit einer Startzusage gelockt?
Kohl: Wenn ich in guter Form bin, ist die Tour natürlich ein Thema. Da könnte ich eine gute Unterstützung für Markus Fothen sein. Für jeden Radssportler ist die Tour das Größte. Ich glaube, ich bin jetzt im richtigen Alter, um sie fahren zu können und habe im vergangenen Jahr auch die nötigen Erfahrungen gesammelt. Aber Voraussetzung ist eben, dass die Leistungen stimmen. Eine Startzusage für die Tour habe ich nicht bekommen, so etwas gibt es, glaube ich, in keinem Team.
Sie galten anfangs als Bergspezialist. Bei der Dauphiné haben Sie bewiesen, dass sie auch Zeitfahren können. Was fehlt noch zum Klasse-Rundfahrer?
Kohl: Mein Ziel ist ganz klar: ein guter Rundfahrer zu werden. Ich weiß, dass ich nie ein Zeitfahrspezialist werde. Aber wenn es mir gelingt, mich ähnlich wie Alejandro Valverde zu verbessern, dann bin ich schon zufrieden. Meine Stärken sind nun mal die Anstiege. In den Zeitfahren wird es für mich vor allem darum gehen, nicht zuviel Zeit zu verlieren. Aber ich glaube, dass ich bei Gerolsteiner genau im richtigen Team bin, um meine Zeitfahrqualitäten zu verbessern.
Paolo Bettini hat den von den Teams eingeführten DNA-Test scharf kritisiert. Wie stehen Sie dazu?
Kohl: Ehrlich gesagt, bin ich da gar nicht auf dem Laufenden. Ich versuche momentan den Kopf vom Radsport freizubekommen und Kraft für die neue Saison zu tanken. Beim Teamtreffen werde ich wohl erfahren, wie es mit dem DNA-Test weitergeht. Natürlich ist es grundsätzlich richtig, so viele Maßnahmen wie möglich gegen Doping durchzusetzen. Hans-Michael Holczer verfolgt meiner Meinung nach in Sachen Antidopingkampf auch genau die richtige Linie. Wenn ein Test sein muss, dann muss er sein. Mir bleibt wohl auch gar nichts anderes übrig, als ihn machen zu lassen, wenn ich Rennen fahren möchte.
Bei der Vuelta sind Sie schwer gestürzt. Haben Sie sich mittlerweile wieder vollständig davon erholt?
Kohl: Ich hatte schwere Prellungen und spüre die Folgen heute immer noch ein bisschen. Ich hätte nicht gedacht, dass es so lange dauert. Man kann eben die Brustwirbel nicht ruhigstellen, da merkt man das schon beim Atmen. Es dauert seine Zeit, bis so eine Verletzung völlig auskuriert ist. Aber zur neuen Saison sollte das ausgestanden sein.
Bis zu ihrem Sturz lagen Sie auch aussichtsreich auf Platz acht. Was wäre drin gewesen, wenn Sie bis Madrid durchgekommen wären?
Kohl: Bei der Vuelta wollte ich beweisen, dass ich das ganze Jahr über schnell fahren kann und nicht nur bei einem Saisonhöhepunkt. Bis zu meinem Sturz ist mir das gut gelungen. Ich habe mich super gefühlt und bewiesen, dass ich auch bei einer großen Landesrundfahrt mithalten kann. Schwer zu sagen, wo ich ohne Sturz gelandet wäre. Aber ich war etwa gleich stark wie Manuel Beltran. Der ist am Ende Neunter geworden.
Mit Bernhard Kohl sprach Matthias Seng