Müllers Tour-de-Singkarak-Tagebuch

Ein Massensprint von der Sorte, wie ich sie besonders mag

Von Robert Müller

Foto zu dem Text "Ein Massensprint von der Sorte, wie ich sie besonders mag"
Robert Müller (2.vl) mit seinen CNN-Teamkollegen | Foto: Robert Müller

04.11.2018  |  (rsn) - Hallo aus Sijunjung, West-Sumatra, Indonesien! Der Auftakt der 10. Austragung der Tour de Singkarak führte über 140 Kilometer inklusive einer Bergwertung der 1. Kategorie, die jedoch kaum der Rede wert war. Die Kategorisierung der Anstiege wird hier nämlich nur nach der absoluten Höhe vorgenommen, was natürlich überhaupt keinen Sinn macht. Wenn die Bergwertung also wie heute auf etwas über 1000 Meter liegt, der Anstieg aber bereits auf 900 Metern Höhe beginnt, wird er trotzdem automatisch in die 1. Kategorie eingestuft.

Die Etappe begann völlig anders, als ich erwartet hatte, was allerdings zu erwarten war, da es fast immer anders läuft als man denkt. Nach einer neutralen Runde durch die Stadt Bukittinggi machten sich am km-0-Schild zwei Fahrer auf und davon und niemand reagierte. Stattdessen übernahm Bike Aid in Person von Nikodemus Holler sofort die Kontrolle im  Feld und ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass sie einen Massensprint wollen. Letztes Jahr hatte es auf neun Etappen keinen einzigen gegeben, jeden Tag kam eine Gruppe durch.

An dieser Situation änderte sich die nächsten 90 Kilometern erst einmal nichts. Niko fuhr die ganze Zeit von vorne und hielt den Abstand bei rund einer Minute, wobei er durch seine langen schwarzen, unwahrscheinlich hässlichen Aero-Kniestrümpfe auch von hinten gut zu erkennen war. Auf Nachfrage erklärte er mir, dass er sich den Jetlag aus den Beinen fahren wollte, da er erst spät am Vorabend im Hotel angekommen war. Ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich die beste Methode ist, aber es schien ihm Spaß gemacht zu haben.

Nach der Bergwertung begann es stark zu regnen und auf der langen und schnellen Abfahrt musste ich bei schlechter Sicht höllisch aufpassen, kein Schlagloch zu erwischen, besonders da einige bei überschwemmten Straßen nicht zu sehen waren. Anders als bei Rennen in Europa ist Regen hier für mich eher eine Wohltat, da ich dann mal nicht unter der schwülen Hitze leide. Bei der zweiten Sprintwertung sprintete ich mit Lucas (Carstensen) aus dem Feld heraus um Platz drei und ließ ihm den Vortritt, um ihn fürs Finale in Sicherheit zu wiegen. Na gut nicht ganz, er war einfach schneller als ich, was ich natürlich schon vorher wusste.

Neben den drei Jungs von Bike Aid und mir gibt es noch einen weiteren Deutschen im Feld, Peter Förster, der als Gastfahrer für das Team PCS (nach der gleichnamigen Website procyclingstats) fährt. Nachdem er mit geschildert hatte, dass er gerade einen Platten gehabt hätte und ich ihm erklärte, im Rennen schon lange keinen mehr gehabt zu haben, hatte ich kurz darauf selbst einen. Nach dem Wechsel, der hier ungewohnterweise am linken Straßenrand vorgenommen werden muss, erwischte ich gerade noch das letzte Teamfahrzeug der Kolonne und startete auf enger, welliger Straße meine Aufholjagd.

Zurück am Ende des Feldes kam mir Peter von vorne entgegen und gerade als ich ihm erzählen wollte, dass ich nun gleichgezogen hatte, sah ich, dass er schon wieder einen Platten hatte. Es steht damit also 2:1 für ihn. Nach der letzten Sprintwertung konnte sich mein slowenischer Teamkollege Matej nicht mehr zurück halten , fuhr alleine zu den zwei Ausreißern nach vorne und ließ sie stehen. Das war natürlich ein Himmelfahrtskommando gegen das Feld, das den Massensprint vorbereitete, aber er steht so unter Strom, dass ihn sowas nicht kümmert. Wie abzusehen war wurde er etwa drei Kilometer vor dem Ziel eingeholt.

Der Massensprint war dann einer der Sorte, wie ich sie besonders mag. Nach einer relativ einfachen und nicht zu langen Etappe ist jeder noch halbwegs frisch, wittert seine Chance und hält voll mit rein. Entsprechend chaotisch und gefährlich ging es auf den letzten Kilometern zu, wobei wie üblich die Iraner besonders negativ auffielen. Ich wartete nur auf den in der Luft liegenden obligatorischen Sturz und wurde nicht enttäuscht, bei etwa 350 Meter gingen rechts von mir etwa zehn Fahrer zu Boden, glücklicherweise ohne meine Beteiligung, doch musste ich dadurch abbremsen und verlor einiges an Schwung. Damit war der Sprint für mich gelaufen und ich trudelte unzufrieden auf Platz elf ins Ziel.

Lucas konnte die hervorragende Arbeit seines Teams leider nicht krönen, da die Markierungen, die auf den letzten 500 Metern die verbleibende Distanz bis zum Ziel angeben, nicht richtig gesetzt waren. Dadurch war er zu früh im Wind und wurde noch von drei Fahrern überholt. Im Sprint geht es ja hauptsächlich um das richtige Timing und wenn man sich bei einer unbekannten Ankunft nicht auf die Schilder verlassen kann, ist das natürlich suboptimal. Doch ich bin mir sicher, dass er hier noch eine Etappe gewinnt, nur Geduld, Lucas.

Eine Besonderheit der Rundfahrt hier ist, dass es für jeden Fahrer jeden Tag mindestens ein Geschenk des Start- und / oder Zielorts gibt, welches ich euch täglich versuche zu beschreiben, da ich mich darüber immer sehr freue.

Geschenk für den heutigen Tage: eine Art Pokal mit einem Rad aus Plexiglas und dem Turm von Bukittinggi, gereicht in einer schön bedruckten Stofftasche.

Morgen gleiche Stelle, gleiche Welle

Gez. Sportfreund Radbert

 

Mehr Informationen zu diesem Thema

11.11.2018Eine tolle Rundfahrt, bei der für mich aber zu viel schief lief

(rsn) - Hallo aus Kota Pariaman , West-Sumatra, Indonesien! Die 8. und letzte Etappe der 10. Tour de Singkarak über 158 flache Kilometer mit nur zwei Bergwertungen der vierten Kategorie sollten wir,

11.11.2018Holler glänzt mit Bike Aid in Indonesien

(rsn) - Für den krönenden Abschluss einer starken Woche ihres Teams Bike Aid haben Nikodemus Holler und Lucas Carstensen am Schlusstag der 10. Tour de Singkarak (Kat. 2.2) in Indonesien gesorgt. Das

10.11.2018Vom Touristen- in den Überlebensmodus geschaltet

(rsn) - Hallo aus Solok Selatan , West-Sumatra, Indonesien! Am siebten Tag der Rundfahrt stand die Königsetappe über 195 Kilometer und 2500 Höhenmeter mit zwei Bergwertungen der Hors Categorie an,

09.11.2018Nach dummem Fehler am Ende mit leeren Händen dagestanden

(rsn) - Hallo aus Payakumbuh , West-Sumatra, Indonesien! Der Startschuss zur kürzesten Etappe der Rundfahrt über nur 105 km fiel erst um 14 Uhr Ortszeit, da Freitag Gebetstag ist und alle islamisch

08.11.2018Ich habe jeden Kilometer gehasst

(rsn) - Hallo aus Pasaman, West-Sumatra, Indonesien! Nach zwei Etappen für die Klassementfahrer sollte heute ein Tag für die Ausreißer werden, also hieß die Devise ganz klar: Attacke. Die 5. Etapp

07.11.2018Die 44 Kehren vergingen trotz Regen und Nebel wie im Flug

(rsn) - Hallo aus Agam, West-Sumatra, Indonesien! Heute stand mit 144 km Länge eine eher kurze Etappe auf dem Programm, die jedoch mit der gefürchteten Bergankunft „44 Kelok“ enden sollte. Dabe

06.11.2018Im Finale jedes Korn gespart und die Landschaft genossen

(rsn) - Hallo aus Thana Datar, West-Sumatra, Indonesien! Auf der 3. Etappe über 150 Kilometer mit zwei Bergwertungen (darunter eine echte 1. Kategorie) und wie gewohnt drei Sprintwertungen durfte ic

05.11.2018Trotz Krämpfen noch auf Platz zwei gesprintet

(rsn) - Hallo aus Dharmasraya, West-Sumatra, Indonesien! Am zweiten Tag stand gleich die längste Etappe auf dem Programm, 204 Kilometer mit zwei harmlos aussehenden Bergwertungen der 3. Kategorie, da

03.11.2018Viele angenehme Erinnerungen an das vergangene Jahr

(rsn) - Hallo aus Bukittinggi, West-Sumatra, Indonesien, Südostasien! Mein Name ist Robert Müller, und ich habe die Ehre, euch hier in den nächsten Tagen exklusiv als Teilnehmer von der Tour de Sin

Weitere Radsportnachrichten

23.04.2025Schachmann muss auf Start beim Flèche Wallonne verzichten

(rsn) – Maximilian Schachmann wird entgegen der Planungen nicht beim 89. Flèche Wallonne starten können. Der zweimalige Deutsche Meister wurde von seinem Team Soudal – Quick-Step kurzfristig aus

22.04.2025Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir über die wic

22.04.2025Stork: “Das Ergebnis steht über allem“

(rsn) – Auf der 1. Etappe der Tour of the Alps (2.Pro) spielte das US-amerikanische Team Lidl – Trek seine stärkste Karte und brachte Giulio Ciccone in das Führungstrikot, doch nach den über 4

22.04.2025Kann es Nys an der Mur de Huy schon mit Pogacar aufnehmen?

(rsn) – Auch wenn der Sieg von Mattias Skjelmose (Lidl – Trek) über Tadej Pogacar (UAE – Emirates – XRG) und Remco Evenepoel (Soudal – Quick-Step) beim Amstel Gold Race (1.UWT) gleichermaß

22.04.2025Skjelmose: “Es gibt nur einen, der Pogacar an der Mur schlagen kann“

(rsn) – Man könnte es beinahe aufmüpfig nennen, was dieses Lidl-Trek-Team dieser Tage tut. Eigentlich ist die Mannschaft um Mads Pedersen, Jonathan Milan und Jasper Stuyven prädestiniert, sich in

22.04.2025Storer stürmt ins Grüne Trikot, Gall und Stork büßen Boden ein

(rsn) – Michael Storer (Tudor) hat sich als Solist die 2. Etappe der Tour of the Alps (2.Pro) gesichert und mit seinem zweiten Saisonsieg das Grüne Trikot des Gesamtführenden der Giro-Generalprobe

22.04.2025Gipfeltreffen der Top-Puncherinnen an der Mur de Huy

(rsn) – “Sieben auf einen Streich“ – und den achten Erfolg fest im Visier. So oft wie die in diesem Jahr wieder ins Peloton zurückgekehrte Anna van der Breggen (SD Worx – Protime) hat noch

22.04.2025Côte de Cherave zurück: Sucht Pogacar hier die Vorentscheidung?

(rsn) – 1985 war der Startschuss für eine Legendenbildung. Genau vor 40 Jahren endete der Flèche Wallonne erstmals an der Mur de Huy. Seither ist jener Anstieg untrennbar mit dem Rennen verbunden:

22.04.2025Kämna: “Meine Form ist hier nicht besser als in Katalonien“

(rsn) – Während sein Teamkollege Giulio Ciccone nach dem Auftaktsieg bei der Tour of the Alps (2.Pro) das Blaue Führungstrikot an den nun folgenden vier Tagen verteidigen will, geht es für Lennar

22.04.2025Cosnefroy steht vor seinem Comeback

(rsn) – Rund acht Monate nach dem bisher letzten Renneinsatz wird Benoit Cosnefroy (Decathlon – AG2R La Mondiale) sein Comeback geben. Wie der 29-jährige Franzose gegenüber der französischen Ze

22.04.2025Flèche Wallonne im Rückblick: Die letzten zehn Jahre

(rsn) – Am Mittwoch zwischen dem Amstel Gold Race und Lüttich – Bastogne Lüttich platziert, stellt der Flèche Wallonne den kleinsten der drei Ardennenklassiker dar. Bei einer Renndistanz von et

22.04.2025Flèche Wallonne Féminine im Rückblick: Die letzten 10 Jahre

(ran) - Der Flèche Wallonne Féminine (1.WWT) wurde erstmals 1998 ausgetragen und brachte mit Hanka Kupfernagel (1999) bis dato eine deutsche Siegerin hervor. Der kürzeste und topografisch leichtes

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • La Fleche Wallonne (1.UWT, BEL)
  • Radrennen Männer

  • Tour du Maroc (2.2, MAR)
  • Belgrade Banjaluka (2.2, BIH)
  • Tour of the Gila (2.2, USA)
  • Tour of the Alps (2.Pro, ITA)