Jumbo-Routinier kann erstmals GrandTour-Sieg mitfeiern

Martens: “Roglic hat die Vuelta durch mentale Stärke gewonnen“

Von Matthias Seng

Foto zu dem Text "Martens: “Roglic hat die Vuelta durch mentale Stärke gewonnen“"
Paul Martens (Jumbo - Visma, li.) und Teamkollege Primoz Roglic feiern den Vuelta-Sieg des Slowenen. | Foto: Cor Vos

10.11.2020  |  (rsn) - Als Primoz Roglic (Jumbo - Visma) am Sonntag als Gewinner der 75. Vuelta a Espana geehrt wurde, konnte auch Paul Martens mitjubeln. Erstmals in seiner langen Karriere war der Routinier in einem Team dabei, dessen Kapitän eine Grand Tour für sich entschied.

“Für mich ist auch ein Traum in Erfüllung gegangen. Ich habe das immer als etwas Besonderes erlebt, etwa bei einem Fahrer wie Christian Knees, der als ‘Wingman‘ von Bradley Wiggins und Chris Froome bei den Tour-Siegen dabei war. Das sind Erfahrungen, die man natürlich gerne auch selber machen möchte. Und darum bedeutet mir das sehr viel“, sagte Martens zu radsport-news.com. Dabei hatte er gar nicht mehr so richtig damit gerechnet, dass es dazu kommen würde. “Nachdem es 2019 beim Giro nicht geklappt hat (Roglic wurde Dritter, d. Red.), fürchtete ich, dass nichts mehr daraus wird, aber zum Glück hat Primoz hat sich gut zusammengerissen“, fügte er scherzend an.

Die erfolgreiche Titelverteidigung seines Teamkollegen erlebte der 37-Jährige allerdings als Zitterpartie bis zum letzten Tag. “Ich habe mich erst wirklich gefreut, als wir in Madrid über die Ziellinie gefahren sind. Auch wenn in den Medien die letzte Etappe immer eher als Triumphfahrt dargestellt wird, kann sich durch Pech immer noch alles verändern. Die Spannung war bis zum Schluss da, 24 Sekunden Vorsprung ist relativ wenig“, so Martens mit Blick auf das Duell zwischen Roglic und Richard Carapaz (Ineos Grenadiers), der sich schließlich nach großem Kampf mit Rang zwei begnügen musste. “Die Erleichterung in Madrid war schon sehr groß, ich glaube auch für Primoz. Er wirkt nach außen hin immer so cool, aber auch er wird auch noch die Parallelen zur Tour im Gedächtnis gehabt haben.“

Bei der Frankreich-Rundfahrt musste der 31-jährige Roglic im dramatische verlaufenen Zeitfahren des vorletzten Tages das schon sicher geglaubte Gelbe Trikot noch an seinen Landsmann Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) abtreten. Und auch in Spanien schien es im Finale der vorletzten Etappe so, als ob der ehemalige Skispringer noch eine späte Bruchlandung erleben könnte. Denn als Carapaz auf den letzten drei Kilometern des Schlussanstiegs zum Alto de La Covatilla attackierte, hatte Roglic dem Ecuadorianer nichts entgegenzusetzen und büßte Sekunde um Sekunde ein.

"Primoz hat sich selber ein großes Geschenk gemacht"

Der sich in der letzten Gruppe den finalen Berg dieser Vuelta hinaufkämpfende Martens bekam von der Dramatik an der Spitze übrigens nichts mit. “Ich war im Gruppetto und da sind Funkverbindungen meist abgehackt. Als Carapaz attackierte, habe ich das schon noch erfahren, aber ich wusste aus unserer Teambesprechung, dass oben Gegenwind herrschte und dachte, da fährt Primoz wieder hin. Eigentlich habe ich das viel positiver gesehen als es tatsächlich war, aber als ich hörte, dass es 25 Sekunden waren, habe ich schon ein bisschen Stress gehabt. Im Bus habe ich dann mitbekommen, wie alles abgelaufen war“, schilderte der Road Captain die entscheidenden Szenen aus seiner Sicht.

Roglic wankte zwar, aber er fiel nicht und behauptete seine Spitzenposition um 24 Sekunden, verteidigte am Schlusstag in Madrid souverän sein Rotes Trikot und holte sich nach Rang zwei bei der Tour nun noch den Gesamtsieg der Spanien-Rundfahrt - nach Martens‘ Meinung ein auch perspektivisch besonderer Triumph. “Für Primoz ist das extrem wichtig, um nach der großen Tour-Enttäuschung mit einem guten Gefühl in den Winter zu gehen. Da hat er sich selber ein großes Geschenk gemacht. Und das, ohne in absoluter Topform zu sein, nur durch mentale Stärke“, sagte er und betonte diesen Aspekt mit Blick auf 2021: “Dass er die Vuelta so gewinnt, wird ihm für die Zukunft helfen. Das hat ihm als Radprofi unglaublich viel gebracht und das wird ihm künftig auch gegen die jüngere Generation viel helfen. Vor allem mental hat er einen großen Schritt gemacht, um die Tour de France noch gewinnen zu können.“

Für Martens war die 75. Spanien-Rundfahrt aber auch deshalb ein Erfolg, weil Jumbo - Visma im letzten Rennen der Saison noch Deceuninck - Quick-Step von der Spitze des UCI-World Rankings verdrängte. “Jetzt sind wir die Nummer eins der Weltrangliste, das war unser großer Traum vor der Saison. Schön, dass wir auch da einen Haken dransetzen können“, befand er.

Einen solchen Haken kann Martens nun auch unter seine 15. Profisaison setzen, die durch die Corona-Pandemie monatelang ausgesetzt werden musste, um dann doch noch ein versöhnliches und halbwegs optimistisch stimmendes Ende fand. “Ich fand vor allem den Anfang der Corona-Zeit mental sehr schwer, wir wussten nicht, gibt es überhaupt noch Radrennen in dieser Saison? Das war für mich auch der Grund zu fragen, ob ich den Vertrag nochmal verlängern kann“, so der gebürtige Rostocker, der sein Karriereende nun auf Mitte 2021 verschob, so dass er quasi eine halbe Saison wird nachholen können.

Jumbo - Visma gewinnt zwei Monumente und eine Grand Tour

Trotz dieser Turbulenzen lief in der zweiten Jahreshälfte für Martens alles nach Wunsch. “Ich bin ab August relativ viele, auch große Rennen gefahren, und war mit dem Team auch sehr erfolgreich“, sagte er und konnte dabei auf die Siege von Wout Van Aert bei Mailand-Sanremo und Roglic bei Lüttich-Bastogne-Lüttich verweisen, wo er jeweils zur Helferriege gehörte, ehe schließlich als Höhepunkt die Vuelta folgte, die, für nicht durchaus unerwartet, nach 18 Etappe das Ziel in Madrid erreichte. Und das, obwohl Spanien nach wie vor zu den am schlimmsten von der Corona-Pandemie heimgesuchten Ländern in Europa zählt.

Martens allerdings zeigte sich nicht überrascht darüber, dass die Vuelta wie geplant ausgetragen werden konnte. “Das Rennen hatte einen unglaublich hohen Sicherheitsstandard, das war für uns Fahrer schon sehr angenehm, und ich habe mir da auch keinen Moment Sorgen gemacht, dass ich mich infizieren könnte“, sagte er. “Wir sind schnell zum Bus und zur Einschreibung gekommen, wir hatten Einzelzimmer in Hotels und sogar unterschiedliche Essenssäle. Das sind Dinge, die durch Corona für uns Fahrer sogar angenehmer geworden sind“, fuhr er in seinem Lob auf die Vuelta-Verantwortlichen fort.

Der unter der Ägide des Radsportweltverbands UCI und der großen Organisatoren wie ASO, RCS Sport und Unipublic umgesetzte Maßnahmenkatalog hat sich laut Martens also bewährt. “Ich könnte mir schon vorstellen, dass vor allem größere Rennen mit ihren finanziellen Möglichkeiten dieselben Standards weiterhin durchsetzen“, meinte er mit Blick auf die kommende Saison, die nach aktuellem Stand der Dinge auch noch im Zeichen von Corona stehen dürfte.

Für die kleineren Rundfahrten allerdings sieht Martens die Lage deutlich skeptischer. “Ich weiß nicht, ob sie unter diesen Umständen kleinere Rennen stattfinden können. Gleiches gilt für den Amateursport. Deshalb hoffe ich, dass wir schneller wieder zur Normalität zurückkehren können“, fügte er an.

Mehr Informationen zu diesem Thema

20.01.2021Oberschenkelbruch: Barta muss sein EF-Debüt verschieben

(rsn) - Mit einem starken Auftritt bei der Vuelta a Espana sicherte sich Will Barta spät noch einen Einjahresvertrag bei EF Education - Nippo, nachdem bereits in der ersten Saisonhälfte feststand, d

03.12.2020Vuelta-Sieger Roglic gewinnt den Vélo d´Or

(rsn) - Primoz Roglic (Jumbo - Visma) hat erstmals in seiner den Velo d´Or gewonnen, mit dem das französische Velo-Magazin den besten Fahrer des Jahres auszeichnet. An der Abstimmung beteiligen sich

17.11.2020Bilden Froome und Daniel Martin 2021 eine Tour-Doppelspitze?

(rsn) - Mit der Verpflichtung des viermaligen Tour-de-France-Gewinners Chris Froome hofft Israel Start-Up Nation, bei der kommenden Frankreich-Rundfahrt um den Gesamtsieg kämpfen zu können. Allerdin

15.11.2020Spekenbrink will 2021 den erfolgreichen Jugendtrend fortsetzen

(rsn) - Nach dem Weggang von Tom Dumoulin zu Jumbo - Visma sagten nicht wenige Beobachter dem Team Sunweb ein schwieriges Jahr voraus. Doch der Rennstall von Manager Iwan Spekenbrink kann trotz Corona

12.11.2020Die Vuelta, das waren gigantische drei Wochen

(rsn) – Heute melde ich mich im Rahmen meines Blogs zum letzten Mal. Am Sonntag ging für mich die Vuelta a Espana zu Ende, meine erste Grand Tour. Und ich muss sagen, dass ich gut aus ihr herausge

11.11.2020Zimmermann besteht in Spanien seine Reifeprüfung

(rsn) – Mit Erfolg bestritt Georg Zimmermann (CCC) seine erste dreiwöchige Landesrundfahrt. Der 23-jährige Bayer absolvierte bei der Vuelta a Espana eindrucksvolle drei Wochen und landete als best

10.11.2020De Gendt wehrt sich gegen Vergleiche mit Deceuninck

(rsn) - Auch wenn Tim Wellens mit seinen beiden Etappensiegen bei der Vuelta a Espana die Saisonbilanz von Lotto Soudal noch aufgebessert hat, so stehen für den belgischen Rennstall doch nur zwölf E

09.11.2020Im kommenden Jahr will Mas bei der Vuelta Rot statt Weiß

(rsn) - Auf Platz fünf der Gesamtwertung war Enric Mas nicht nur bester Movistar-Profi der 75. Vuelta a Espana, sondern auch stärkster Spanier. Damit wiederholte der 25-Jährige auch sein Ergebnis v

09.11.2020Guillaume Martin beendet Vuelta-Debüt auf dem Podium

(rsn) - Gleich bei seinem Vuelta-Debüt landete Guillaume Martin in Madrid auf dem Podium. Der Cofidis-Neuzugang sicherte sich souverän das Bergtrikot der letzten Grand Tour des Jahres und ist damit

09.11.2020Carapaz erbringt den Beweis: Giro-Sieg 2019 war kein Zufall

(rsn) - Richard Carapaz (Ineos Grenadiers) hat alles gegeben. Als er am Samstag auf dem Weg hinauf zum Alto de la Covatilla knapp drei Kilometer vor dem Ziel attackierte, brachte er Primoz Roglic (Jum

09.11.2020Roglic und Ackermann können mit gutem Gefühl in den Urlaub

(rsn) - Wie schon die Tour de France und der Giro d`Italia war auch bei der Vuelta a Espana der Kampf um den Gesamtsieg bis zum Schlusswochenende voller Spannung. Wir ziehen nach den 18 Etappen Bilan

08.11.2020Highlight-Video der 18. Vuelta-Etappe

(rsn) - Pascal Ackermann (Bora - hansgrohe) hat die 18. und letzte Etappe der Vuelta a Espana gewonnen. Der Pfälzer setzte sich nach 140 Kilometern in Madrid im Sprint knapp vor dem Iren Sam Bennett

Weitere Radsportnachrichten

28.03.2024Huppertz: Vor Rennen abends einen trinken? Heute unvorstellbar

(rsn) – Eine so lange Zusammenarbeit wie die zwischen Joshua Huppertz und Teamchef Florian Monreal gibt es im Kontinental-Bereich sehr selten. Seit August 2014 steht der mittlerweile 29-Jährige Aa

28.03.2024Die Aufgebote aller Teams zur Flandern-Rundfahrt der Männer

(rsn) – Der Ostersonntag wirft seine Schatten voraus: Am 31. März versammelt sich das WorldTour-Peloton in Antwerpen zum Start der 270,8 Kilometer langen Ronde van Vlaanderen. Das Heiligtum des bel

28.03.2024Die Aufgebote aller Teams zur Flandern-Rundfahrt der Frauen

(rsn) – Wenn die Männer nach ihrem Start in Antwerpen bereits 120 Rennkilometer hinter sich haben und erstmals durch Oudenaarde kommen, stellen sich dort auf dem Marktplatz des Zielorts der Ronde v

28.03.2024Märkl will auch bei der Ronde “vor das Radrennen“

(rsn) – Wie schon beim E3 Saxo Classic schaffte Niklas Märkl (DSM Firmenich – PostNL) auch bei Dwars door Vlaanderen den Sprung unter die Ausreißer des Tages. Doch während sein Fluchtbegleiter

28.03.2024Trotz Sturz: Pedersen ist für Ronde-Start zuversichtlich

(rsn) – Ausgerechnet kurz vor der Flandern-Rundfahrt, dem Höhepunkt der flämischen Klassikersaison, wurde Lidl – Trek mächtig gebeutelt. Bei Dwars door Vlaanderen waren mit Gent-Wevelgem-Sieger

27.03.2024Nach Van-Aert-Crash: Kanarieberg hat bei Klassikern wohl ausgedient

(rsn) – Positionskampf bei Höchstgeschwindigkeiten, auf breiter Straße abschüssig in Richtung Ronse: Das waren die Bilder, die die flämischen Klassiker auf der N48 in der Anfahrt zum engen Recht

27.03.2024Teamchef Stam bestätigt: Vollering verlässt SD Worx

(rsn) – Demi Vollering wird SD Worx – Protime nach der Saison 2024 verlassen. Das bestätigte Sportdirektor Danny Stam am Mittwochmittag gegenüber GCN. "Ja, das ist definitiv sicher", sagte der N

27.03.2024Rennarzt-Wagen baut Unfall mit Soudal-Teamfahrzeug

(rsn) – Der Unfall zweier wichtiger Begleitfahrzeuge im Männerrennen von Dwars door Vlaanderen hat am Mittwoch für eine halbstündige Unterbrechung des Frauenrennens gesorgt. Da die Frauen hinter

27.03.2024Van Aert erleidet beim Dwars-Crash multiple Brüche

(rsn) – Die Ronde van Vlaanderen wird am Sonntag ohne ihren großen Lokalmatador Wout Van Aert (Visma – Lease a Bike) über die Bühne gehen. Der 29-jährige Belgier war am Mittwoch bei Dwars doo

27.03.2024Politt entgeht mit Glück van Aerts Sturz bei Dwars door Vlaanderen

(rsn) – Zweimal landete Nils Politt (UAE Team Emirates) schon in den Top Ten bei Dwars door Vlaanderen, diesmal schrammte er mit dem zwölften Rang knapp vorbei. Angesichts des schweren Sturzes gut

27.03.2024Küng: “Mehr als Platz zwei wäre nicht möglich gewesen“

(rsn) – Immer gut dabei war Stefan Küng (Groupama – FDJ) bei seinen Renneinsätzen in diesem Frühling, aber ein richtig zählbares Ergebnis fehlte dem Schweizer bislang noch. Doch mit seinem dr

27.03.2024Vos gewinnt Dwars door Vlaanderen und feiert 250. Sieg

(rsn) – Marianne Vos (Visma – Lease a Bike) hat die siebte Austragung von Dwars door Vlaanderen (1.Pro) gewonnen. Nach Platz 3 im Vorjahr setzte sie sich im Zweiersprint gegen Shirin van Anrooij (

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine