RSNplusEvenepoel verlor erstmals Zeit

Wendepunkt bei der Vuelta?

Von Tom Mustroph

Foto zu dem Text "Wendepunkt bei der Vuelta?"
Remco Evenepoel (Quick-Step Alpha Vinyl) büßte auf der 14. Vuelta-Etappe erstmals Zeit ein. | Foto: Cor Vos

04.09.2022  |  (rsn) - Furchterregend wirkte der Anstieg zur Sierra de la Pandera nicht. 8,4 Kilometer lang ist er bei einer durchschnittlichen Steigung von 7,8 Prozent, allerdings mit mehreren Rampen von 15 Prozent. Remco Evenepoel (Quick-Step Alpha Vinyl) hatte sich das Finale vorher nicht vor Ort angeschaut, wie er vorab erklärte. Vielleicht war es ein Fehler. An einem der steilen Stücke dieser 14. Etappe der Vuelta a Espana setzte sich jedenfalls Primoz Roglic (Jumbo – Visma) ab.

___STEADY_PAYWALL___ Der Angriff war einerseits vorhersehbar. Denn wenn der Slowene diese Vuelta noch gewinnen will, muss er sich schließlich etwas einfallen lassen. Sein Team hatte auch Flagge gezeigt und Chris Harper mit seiner Tempoarbeit das Favoritenfeld ordentlich verkleinert. Trotz all dieser Vorhersehbarkeit überraschte Roglic‘ Antritt die Quick-Step-Truppe aber. Evenepoel, der Mann in Rot, zögerte. Und sein wichtigster Helfer Ilan Van Wilder, nahm es fast als persönliche Beleidigung, dass Roglic trotz des hohen Tempos, das er selbst angeschlagen hatte, noch drüber gehen konnte.

Bis wenige Kilometer vor dem Ziel der 14. Etappe hatten Evenepoels Helfer alles unter Kontrolle. | Foto: Cor Vos

“Offenbar hatte Roglic noch etwas übrig und beschleunigte, und das, obwohl ich schon ziemlich schnell gefahren bin“, sagte der junge Belgier im Ziel. Und dass sein Kapitän nicht gleich nachzog, deutete er auch als Zeichen einer momentanen Unpässlichkeit. “Normalerweise ist Remco schnell unterwegs, aber dieses Mal hat es etwas gedauert“, bezog er sich auf die Situation, als Roglic angriff und Evenepoel eben nicht gleich reagierte.

“Es war ein harter Ritt, viel schwieriger und steiler als ich erwartet hatte“, gab der Vuelta-Spitzenreiter seine Überraschung auch zu. Panik wollte er allerdings nicht aufkommen lassen. “Es ist ja nicht so, dass ich komplett eingebrochen bin. Ich musste einfach mein eigenes Tempo gehen“, meinte er. Und Evenepoel war auch schon wieder so klar im Kopf, dass er sogar Lehren aus dem Rückschlag ziehen konnte. “Am Anfang bin ich vielleicht zu schnell angegangen. Wenn ich sofort mein eigenes Tempo gefahren wäre, hätte ich 15 bis 20 Sekunden weniger auf Roglic verloren“, meinte der 22-Jährige.

Evenepoel ist jetzt raus der seiner Komfortzone

Da war er wieder, der alte Remco, der flink mit dem Mund ist und dessen Selbstbewusstsein zuweilen größer scheint als die Berge, die er bezwingt. Und kess fügte er hinzu: “Ich habe bei anderen Anstiegen bei dieser Vuelta schon mehr Zeit gewonnen, als ich jetzt verloren habe.“

Dem Antritt von Primoz Roglic (Jumbo – Visma) jatte der Mann im Roten Trikot dann aber nichts entgegenzusetzen. | Foto: Cor Vos

Da hat er zwar Recht. Andererseits kommt der Belgier jetzt aus seiner Komfortzone heraus. Eine Grand Tour ist Evenepoel noch nie zu Ende gefahren. Der Giro 2021 war gemessen an seinen Ansprüchen ein Desaster. Klar, er kam unmittelbar aus der Rehabilitation nach seinem Horrorsturz bei der Lombardei-Rundfahrt. Der Giro war zum Lernen da. Und gelernt hat Evenepoel daraus. Er nahm Gewicht ab, wie er selbst sagte, und er legte sich einen flotteren Stil in der Abfahrt zu.

Aber jetzt betritt er unbekanntes Territorium. Da sind zum Einen die drei Wochen. Wie verkraftet das sein Körper? Und da ist zum anderen das Hochgebirge. Als es bei der Tour de Suisse in diesem Jahr über 2.000 Meter ging, schwächelte er etwas. Die Sierra Nevada am Sonntag hält 2.512 Meter bereit. Das ist die zweite Unbekannte. Und die dritte Variable ist: Wie geht er mit Rückschlägen um? Wie gefestigt ist er, um die Schwäche vom Samstag zu verkraften und sich für den Sonntag nicht zuviel, aber auch nicht zu wenig vorzunehmen?

Nach außen weiterhin kess und zuversichtlich

Nach außen wirkt er weiter zuversichtlich. “Ich bin immer noch vorn. Und ich hoffe, dass dies mein einziger schlechter Tag bei dieser Vuelta ist“, betonte er nach der 14. Etappe. Er ist auch bereit, seinen Modus im Rennen zu verändern. Der Drauflosstürmer im Radsport greift gegenwärtig auf seine frühere Expertise als Linksverteidiger in Belgiens U16-Auswahl im Fußball zurück. “Für mich kommt es jetzt darauf an, meinen Vorsprung zu verteidigen“, sagte Evenepoel ganz offen.

Letztlich erreichte Evenepoel gemeinsam mit dem Spanier Juan Ayuso (UAE Team Emirates) als Tagesachter das Ziel. | Foto: Cor Vos

Auf der 15. Etappe muss er sich allerdings eine neue Catenaccio-Variante einfallen lassen, die mehr Männer an die Kette legt als jetzt am Samstag. Erschwerte Bedingung ist, dass sein Team geschwächt ist und Roglic Morgenluft wittert. “Hoffentlich kann ich so weitermachen“, verkündete er.

Das Momentum dieser Vuelta neigt sich jetzt wieder dem Dreifachsieger dieser Rundfahrt zu. Die 15. Etappe spielt daher eine Schlüsselrolle. Verstärkt sie den Trend, dass Roglic auf- und Evenepoel absteigt? Oder schlägt das Pendel wieder in die andere Richtung aus?

Und nicht nur für den Ausgang dieser Vuelta ist der Ritt in die Sierra Nevada elementar. Er gibt auch Aufschluss über den Grad der mentalen und physischen Widerstandsfähigkeit des Grand-Tour-Aspiranten Evenepoel generell. Seine Konkurrenten im Rennen wie an den Livestream-Monitoren werden ganz genau beobachten, ob er eine gute Antwort geben kann nach der kleinen Schlappe am Samstag oder ob er sich schnell in eine Negativspirale treiben lässt. Die Sierra Nevada wird daher auch zur Charakterprüfung für diesen Radsportaufsteiger.

Mehr Informationen zu diesem Thema

07.11.2022Mas will es bei der Vuelta künftig besser machen

(rsn) – In den vergangenen Jahren war Enric Mas (Movistar) bei der Vuelta a Espana jeweils der beste heimische Fahrer. Doch zum Gesamtsieg reichte es für den 27-jährigen Spanier dabei nicht. 2018

14.09.2022Ackermann: In Vuelta-Schlusswoche auf “extrem hohen Level“

(rsn) – Mit drei Podiumsplatzierungen, aber ohne den erhofften Etappensieg trat Pascal Ackermann (UAE Team Emirates) die Heimreise von der Vuelta a Espana an und sprach deshalb gegenüber radsport-

13.09.2022“Leute haben ein Erinnerungsvermögen von 48 Stunden“

(rsn) – Dass Remco Evenepoel (Quick-Step - Alpha Vinyl) am Sonntag in Madrid zum ersten belgischen Grand-Tour-Sieger seit 44 Jahren wurde, ist inzwischen hinlänglich bekannt. Doch der 22-Jährige h

12.09.2022Leitet Evenepoel die Grand-Tour-Trendwende ein?

(rsn) - Mit Remco Evenepoel (Quick-Step Alpha Vinyl) hat die Radsport-Nation Belgien nach sage und schreibe 44 Jahren Pause wieder einen Grand-Tour-Sieger. Zuletzt hatte Johan De Muynck 1978 den Giro

12.09.2022Mohoric kritisiert Roglic: “Wir alle wissen, dass Primoz oft stürzt“

(rsn) – Die Reaktionen des Teams Jumbo – Visma auf den für Primoz Roglic die Vuelta beendenden Sturz am Ende der 16. Etappe in Tomares am vergangenen Dienstag haben rund um das Peloton für Unver

12.09.2022Mas rettet Movistar im Abstiegskampf

(rsn) - Viel war vom Movistar Team in dieser Saison nicht zu sehen. Nur 15 Siege fuhr der spanische Traditionsrennstall ein, keiner davon auf WorldTour-Niveau. Bei der Heimatrundfahrt band das Team ab

12.09.2022Evenepoel fast ohne Schlaf hellwach zum Vuelta-Triumph

(rsn) – Schon in den Jugendjahren war ein rotes Trikot eines der großen Ziele von Remco Evenepoel (Quick-Step – Alpha Vinyl). Als Nachwuchsfußballer des RSC Anderlecht und vom PSV Eindhoven scha

12.09.2022Highlight-Video der Vuelta-Schlussetappe

(rsn) – Juan Sebastian Molano (UAE Team Emirates) hat zum Abschluss der 77. Vuelta a Espana die 21. Etappe für sich entschieden. Der Kolumbianer setzte sich nach 96,7 Kilometern von Las Rozas nach

11.09.2022Liste der ausgeschiedenen Fahrer / 21. Etappe

(rsn) - 183 Profis aus 23 Teams sind am 19. August im niederländischen Utrecht zur 77. Vuelta a Espana (2. UWT) angetreten. Hier listen wir auf, welche Fahrer wann und aus welchen Gründen die letzte

11.09.2022Molano siegt in Madrid vor Pedersen und Ackermann

(rsn) – Mit einer Überraschung endete die 21. Etappe der Spanien-Rundfahrt in Madrid. Juan Sebastian Molano (UAE Team Emirates) zog seinem Kapitän Pascal Ackermann den Sprint so stark an, dass nac

11.09.2022Il Lombardia wird Valverdes letztes Profirennen

(rsn) – Alejandro Valverde (Movistar) wird im Oktober beim italienischen Monument Il Lombardia das letzte Rennen seiner langen und erfolgreichen Profikarriere bestreiten. Das kündigte der 42-jähri

11.09.2022Vuelta-Dritter Ayuso: Eine Siegermentalität wie Pogacar

(rsn) - Juan Ayuso (UAE Team Emirates) und Carlos Rodriguez (Ineos Grenadiers) verblüfften bei dieser Vuelta a Espana. Beide Rundfahrtdebütanten kämpften lange um das Podium. Der 21-jährige Rodrig

Weitere Radsportnachrichten

23.10.2024Koerdt wird Profi bei dsm, U23-Europameisterin van Rooijen zu UAE

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

23.10.2024Wechsel zu Movistar: Für Reusser bricht eine neue Ära an

(rsn) - Marlen Reusser wird am Jahresende SD Worx – Protime verlassen und ihre Karriere beim Movistar Team fortsetzen. Wie der von Sebastian Unzué geleitete spanische Frauen-Rennstall mitteilte, h

23.10.2024WM-Dritte Pieterse steigt erst Mitte Dezember in Cross-Saison ein

(rsn) – Puck Pieterse (Fenix – Deceuninck) wird erst Mitte Dezember ihr erste Rennen des Cross-Winters 2024/35 bestreiten. Wie die diesjährige WM-Dritte mitteilte, sei der Saisoneinstieg beim X2O

23.10.2024Ineos krempelt Struktur und Sportliche Leitung um

(rsn) – Schon seit einigen Jahren haben UAE Team Emirates und Visma – Lease a Bike dem früheren Platzhirsch Ineos Grenadiers bei den großen Rundfahrten den Rang abgelaufen. Die Saison 2024 stell

23.10.2024Im Überblick: Die Transfers der Profiteams für 2025

(rsn) – Nachdem zahlreiche Transfergerüchte seit Monaten in der Radsportwelt zirkulieren, dürfen die Profimannschaften seit dem 1. August ihre Transfers offiziell bekanntgeben. Radsport-news.c

22.10.2024Giro d´Italia 2025 mit Ankunft in Sestriere und zwei Zeitfahren

(rsn) - Die Route des 108. Giro d’Italia (9. Mai – 1. Juni 2025) wird erst am 12. November bekanntgegeben. Aber auch diesmal kursieren schon vor der offiziellen Präsentation zahlreiche Meldungen

22.10.2024Iserbyts Sperre einen Tag kürzer als angenommen

(rsn) – Nach seinem Ausraster gegen Ryan Kamp beim Cross in Beringen wird Eli Iserbyt offenbar nur zwei statt wie zunächst angenommen drei Rennen aussetzen müssen. Wie sein Team Pauwels Sauzen - B

22.10.2024Corratec - Vini Fantini hat keine Chance auf Giro-Wildcard

(rsn) – Corratec - Vini Fantini hat keine Chance auf eine Teilnahme am Giro d´Italia 2025. In der aktuellen UCI-Team-Weltrangliste wird der italienische Zweitdivisionär nur auf Rang 41 geführt. N

22.10.2024Schnapka: “Sind sportlich wieder da, wo unser Anspruch liegt“

(rsn) – Bike Aid gehört auch international zu den dominierenden Kontinental-Mannschaften und war in der abgelaufenen Saison das im UCI-Ranking bestplatzierte deutsche Team. Im Interview mit RSN bl

21.10.2024Pogacar: “Grand-Tour-Triple ist machbar“

(rsn) – Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) blickt auf eine denkwürdige Saison zurück. Der 26-jährige Slowene gewann als erster Fahrer seit Marco Pantani 1998 – Pogacars Geburtsjahr – die Gesam

21.10.2024An der Sprachbarriere gescheitert: Cavagna verlässt Movistar

(rsn) - Trotz eines noch bis Ende 2026 gültigen Vertrags wird Rémi Cavagna das spanische Movistar-Team bereits zum Saisonende verlassen. Dies bestätigte der 29-jährige Franzose in einem Interview

21.10.2024Red Bull: Neues U23-Team mit elf Rookies und Konti-Lizenz

(rsn) – Angeführt von Juniorenweltmeister Lorenzo Finn und dem letztjährigen Silbermedaillengewinner Paul Fietzke wird das U23 Development Team von Red Bull – Bora – hansgrohe seine erste Sais

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine