Verfolgungs-Verantwortung hin- und hergeschoben

Favoritenteams spielen gefährlichen Taktikpoker bei Paris-Nizza

Von Felix Mattis

Foto zu dem Text "Favoritenteams spielen gefährlichen Taktikpoker bei Paris-Nizza"
Bora - hansgrohe (hier links mit Nico Denz) und das UAE Team Emirates führten das Peloton bei Paris-Nizza am Mittwoch am längsten an. | Foto: Cor Vos

07.03.2024  |  (rsn) – Nach dem Teamzeitfahren in Auxerre lag das UAE Team Emirates mit ganzen vier Mann, allesamt auch gute Kletterer, an der Spitze der Gesamtwertung des 82. Paris-Nizza (2.UWT). Der Rennstall aus den Vereinigten Arabischen Emiraten hatte souverän die Pole Position im Kampf um den Gesamtsieg der Fernfahrt inne.

24 Stunden später aber sieht das Bild für die Männer in Weiß nicht mehr so rosig aus: Auf der 4. Etappe zum Mont Brouilly musste Brandon McNulty das Gelbe Trikot an den Australier Luke Plapp (Jayco – AlUla) weiterreichen und liegt nun mit 27 Sekunden Rückstand nur noch auf Rang drei.

Teamkollege Joao Almeida folgt zwei Sekunden dahinter auf Platz vier, doch Jay Vine und Finn Fisher-Black werden im Kampf um den Gesamtsieg keine Rolle mehr spielen: Der Neuseeländer Fisher-Black verlor rund elf Minuten, Vine rutschte immerhin bis auf Gesamtrang 23 mit 2:13 Minuten Rückstand auf Gelb ab.

Selbst McNulty und Almeida konnten im Bergaufsprint der Favoriten zum Zielstrich am Mont Brouilly mit den Besten nicht mithalten. Sie verloren neun (McNulty) beziehungsweise elf (Almeida) Sekunden auf Mattias Skjelmose (Lidl – Trek) und Remco Evenepoel (Soudal – Quick-Step), die auf den letzten Metern am spritzigsten waren.

Evenepoel liegt in der Gesamtwertung jetzt nur noch drei Sekunden hinter McNulty, der wiedererstarkte Egan Benal (Ineos Grenadiers) 13, Chris Harper (Jayco – AlUla) 19. Matteo Jorgenson (Visma – Lease a Bike) folgt mit 25 Sekunden Rückstand. Felix Gall (Decathlon - AG2R) und Primoz Roglic (Bora – hansgrohe), die am Mont Brouilly ebenfalls stark waren, liegen 35 beziehungsweise 43 Sekunden hinter dem US-Amerikaner von UAE.

"Ich denke, niemand ist glücklich damit"

Doch ganz vorne liegen zwei Fahrer, die sich mehr als 20 Kilometer vor dem Etappenziel aus dem Feld absetzten und am Ende fast 40 Sekunden Vorsprung nach Hause brachten: Tagessieger Santiago Buitrago (Bahrain Victorious) ist 13 Sekunden hinter dem Etappenzweiten Plapp nun Gesamtzweiter. Das Duo profitierte am Mittwoch vom Taktikgeplänkel zwischen den Favoritenteams und ist angesichts seiner Kletterfähigkeiten auch in Sachen Gesamtsieg jetzt alles andere als irrelevant.

"Ich denke, niemand ist glücklich damit, dass zwei so starke Fahrer 40 Sekunden aus dem Nichts bekommen", sagte Evenepoel im Ziel dem britischen Sender ITV. "30 Sekunden Rückstand auf Luke sind kein schönes Geschenk fürs Wochenende. Es wird schwierig: Beide sind starke Kletterer und wahrscheinlich auch in sehr guter Form. Wir müssen jetzt gut über unsere Taktik nachdenken und hoffentlich wollen auch ein paar andere Teams sie nicht mehr wegfahren lassen."

Damit spielte der Belgier auf die Fahrweise des UAE Team Emirates am Mittwoch an. Denn in seinen Augen hätte die mit vier Mann an der Spitze der Gesamtwertung in die Etappe gestartete Mannschaft im Finale mehr Verantwortung in der Verfolgung der beiden Ausreißer übernehmen müssen.

Evenepoe: "Taktik von UAE war etwas komisch"

"Die Taktik von UAE war etwas komisch. Besonders wenn man vier Mann an der Spitze im Klassement hat, denke ich, dass man einen davon rausnehmen und arbeiten lassen kann", meinte der Zeitfahr-Weltmeister und Top-Favorit für Paris-Nizza. "Damit haben sie zwar auch angefangen, aber dann hat Vine aufgehört zu fahren. Das war für alle GC-Fahrer dann etwas unglücklich, dass mit Buitrago und Plapp zwei gefährliche Jungs vorne bleiben konnten."

Im Etappenverlauf hatten Bora – hansgrohe und UAE die meiste Führungsarbeit im Feld verrichtet. Als dann 25 Kilometer vor Schluss Plapp attackierte, reagierte das Team des Gelben Trikots aber nicht. Vielmehr waren es vor allem der deutsche WorldTour-Rennstall und Evenepoels Helfer, die an der Spitze des Feldes fuhren. Das UAE Team Emirates sprang erst ein, als die Konkurrenz drei Kilometer später die Beine kurz hochnahm, nachdem auch Buitrago noch zu Plapp nach vorn gesprungen war.

Nun kehrte sich die Situation um: Mit Fisher-Black war ein erster Fahrer des Gesamtwertungs-Quartetts von UAE bereits zurückgefallen und das zweite Viertel, Vine übernahm gezwungenermaßen die Führungsarbeit im Feld. "Wir haben versucht, Buitrago und Plapp zurückzuholen. Jay Vine hat angefangen zu fahren, aber von den anderen Teams haben wir nicht viel Hilfe bekommen", beschwerte sich McNulty im Ziel seinerseits über die Konkurrenz.

McNulty: "Wenn du gewinnen willst, musst du fahren"

"Wir hatten das Trikot, also haben sie uns alle angeschaut. Aber es nehmen noch mehr Teams hier teil. Wenn du die Etappe oder die Gesamtwertung gewinnen willst, musst du fahren", meinte er. Vine fuhr ziemlich genau zehn Kilometer allein von vorn, wurde nie von der Konkurrenz abgelöst und nahm dann die Beine hoch.

Zu diesem Zeitpunkt lag das Favoritenfeld nur 14 Sekunden hinter Buitrago und Plapp. Doch als Vine seinen Dienst quittierte, schauten sich die Teams im Feld gegenseitig an und es dauerte einen Moment, bis Ineos Grenadiers die Verantwortung übernahm und das Feld bis an den Fuß des Mont Brouilly führte, wo dann Ilan van Wilder für Evenepoel das Zepter übernahm. "Ilan war sehr stark, hat nochmal sehr gut angezogen im Finale", lobte Evenepoel seinen Landsmann nach dem Rennen. Stark genug, um Buitrago und Plapp einzuholen oder zumindest den Rückstand auf das Duo in der Schlussrampe zu verkürzen, war er aber dann doch nicht.

Das gegenseitige Zuschieben der Verantwortung in Sachen Führungsarbeit zwischen den großen Mannschaften, es war ein gefährlicher Poker. Ob man damit das Gelbe Trikot auch endgültig verspielt hat, das wird sich erst am Sonntag in Nizza zeigen.

Mehr Informationen zu diesem Thema

11.03.2024Bernal im Aufwind, spürt aber “noch Luft nach oben“

(rsn) – Die Anzeichen verdichten sich. Und zwar darauf, dass Egan Bernal (Ineos Grenadiers) gut zwei Jahre nach seinem lebensbedrohlichen Trainingssturz tatsächlich wieder annähernd an seine frü

11.03.2024Sturz in letzter Kurve: Schlüsselbeinbruch bei Kelderman

(rsn) – Wilco Kelderman (Visma – Lease a Bike) hatte am Sonntagabend in Nizza zwar einerseits Grund zur Freude über den Gesamtsieg seines neuen Teamkollegen Matteo Jorgenson und beendete Paris-Ni

11.03.2024Jorgenson auf neuem Level: “Alles hat sich verändert, jedes Detail“

(rsn) – In den vergangenen Jahren hat Matteo Jorgenson sein großes Potential als Rundfahrer und Kletterer, aber auch bei den schwereren unter den flämischen Klassikern bereits angedeutet. 2023 gel

10.03.2024Boras Podiumshoffnungen frieren in den Bergen um Nizza ein

(rsn) - Bora - hansgrohe holte am Schlusstag von Paris – Nizza (2.UWT) nicht die erhofften Resultate. Aleksandr Vlasov verpasste nach starker Vorstellung das Bergtrikot und einen Platz auf dem Podiu

10.03.2024Jorgenson fährt seinen Kumpel McNulty aus dem Gelben Trikot

(rsn) - Mit einer makellosen Vorstellung hat Matteo Jorgenson (Visma – Lease a Bike) am letzten Tag von Paris-Nizza (2.UWT) seinem Landsmann Brandon McNulty (UAE Team Emirates) noch das Gelbe Trikot

10.03.2024Paris-Nizza: Evenepoel will “keine zu verrückten Sachen machen“

(rsn) – Beim 82. Paris-Nizza hatte Remco Evenepoel (Soudal – Quick-Step) noch keinen großen Auftritt. Rang vier im Teamzeitfahren folgte dieselbe Platzierung am darauf folgenden Tag bei der Ankun

09.03.2024Nur Teamzeitfahren trübt starke Woche von Bora - hansgrohe

(rsn) – Auch am Tag vor dem Finale bei Paris-Nizza (2.UWT) wirkt das Teamzeitfahren vom Dienstag in Auxerre für Bora – hansgrohe noch nach. Denn dass sich die Männer in Dunkelgrün dort selbst a

09.03.2024Jorgenson und McNulty: Zwei Kumpels im Duell um Gelb

(rsn) - Zwei Jugendfreunde bestimmen das 82. Paris–Nizza. Brandon McNulty (UAE Team Emirates) fährt nun schon den dritten Tag im Gelben Trikot des Gesamtführenden. Matteo Jorgenson (Visma – Leas

09.03.2024Vlasov kontert Evenepoels Attacke und lässt Bora jubeln

(rsn) – Nachdem die Fernfahrt Paris-Nizza (2.UWT) bisher nicht nach Wunsch von Bora – hansgrohe verlaufen war, schlug das deutsche Team am vorletzten Tag erstmals zu. Auf der wegen der Witterungsb

09.03.2024Jorgenson will das Weiße gegen das Gelbe Trikot tauschen

(rsn) – Nachdem Jonas Vingegaard (Visma – Lease a Bike) in Italien auf der 5. Etappe von Tirreno-Adriatico 29 Kilometer vor dem Ziel im Anstieg nach San Giacomo zu seiner letztlich siegbringenden

09.03.2024Ist für Paris-Nizza-Debütant Gall mehr drin als Platz acht?

(rsn) – Als Siebter der gestrigen 6. Etappe von Paris-Nizza rückte Felix Gall (Decathlon – AG2R La Monidale) auf den achten Platz der Gesamtwertung vor, womit der Österreicher sowohl bester deut

08.03.2024Weder Roglic noch Evenepoel hatten den richtigen Riecher

(rsn) - Während Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) und Jonas Vingegaard (Visma – Lease a Bike) bei ihren ersten Saisonrennen die Konkurrenz fast nach Belieben beherrschen, tanzen bei Paris – Nizza

Weitere Radsportnachrichten

29.04.2024Eschborn - Frankfurt: Die letzten zehn Jahre im Rückblick

(rsn) – Über Jahrzehnte hin als Rund um den Henninger Turm ausgetragen, wurde der hessische Frühjahrsklassiker nach dem Rückzug des Sponsors zum 1. Mai 2009 zunächst in Eschborn Frankfurt City L

29.04.2024Lipowitz voller Selbstbewusstsein zum Giro-Debüt

(rsn) – Das Gelbe Trikot von Carlos Rodriguez (Ineos Grenadiers) konnten Aleksandr Vlasov und Florian Lipowitz auf der Schlussetappe der Tour de Romandie nicht mehr gefährden. Doch das Duo von Bora

29.04.2024In der Übersicht: Die Aufgebote für den 107. Giro d´Italia

(rsn) – Am 4. Mai beginnt in Venaria Reale nördlich von Turin mit dem Giro d’Italia (2.UWT) die erste Grand Tour des Jahres. Insgesamt 176 Fahrer aus 22 Teams nehmen die 107. Ausgabe der Italien-

29.04.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morg

28.04.2024Highlight-Video der 1. Etappe der Vuelta Femenina

(rsn) – Mit einer beeindruckenden Vorstellung hat Lidl – Trek das Teamzeitfahren zum Auftakt der 10. Vuelta Femenina (2.WWT) für sich entscheiden können. Das von der Italienerin Elisa Longo Borg

28.04.2024Dorn in der Türkei am Berg und beim Zwischensprint der Stärkste

(rsn) - Vor allem für die Teams Bike Aid und rad-net - Oßwald verlief die zurückliegende Woche erfolgreich. Santic - Wibatech, MYVELO und Rembe Sauerland konnten gegen WorldTour-Konkurrenz zuminde

28.04.2024Famenne Classic: De Lie feiert seinen ersten Saisonsieg

(rsn) - Arnaud De Lie (Lotto - Dstny) hat bei der Famenne Ardeche Classic (1.1) seinen ersten Saisonsieg eingefahren. Der Belgier setzte sich nach hügeligen 195 Kilometern rund um Marche-en-Famenne

28.04.2024Lidl - Trek gewinnt trotz Stürzen Auftakt der Vuelta Femenina

(rsn) – Trotz eines Sturzes in der letzten Kurve hat Lidl – Trek das Teamzeitfahren zum Auftakt der 10. Vuelta Femenina (2.WWT) für sich entscheiden können. Obwohl Ellen van Dijk und Eleanor Bac

28.04.2024Highlight-Video der 5. Etappe der Tour de Romandie

(rsn) – Dorian Godon (Decathlon – AG2R La Mondiale) hat zum Abschluss der 77. Tour de Romandie (2.UWT) seinen zweiten Tagessieg eingefahren. Der Franzose entschied bei regnerischem Wetter die 5. E

28.04.2024Zangerle verpasst für sein Team nur knapp den Heimsieg

(rsn) –Lukas Kubis (Elkov – Kasper) hat in Österreich das 62. Kirschblütenrennen gewonnen, das erstmals als UCI-Rennen der Kategorie 1.2 ausgetragen wurde und zugleich der zweite Stopp der Road

28.04.2024Carlos Rodriguez feiert Gesamtsieg vor Vlasov und Lipowitz

(rsn) – Beinahe noch eine Spur deutlicher als auf der 1. Etappe ging es im Sprint der Schlussetappe der Tour de Romandie (2.UWT) zu. Der Sieger war dabei derselbe: Dorian Godon (Decathlon – AG2R L

28.04.2024Lechner lässt in Tschechien nichts mehr anbrennen

(rsn) – Am letzten Tag der Gracia-Rundfahrt (2.2) hat Corinna Lechner (Wheel Divas) nichts mehr anbrennen lassen und sich den Gesamtsieg der tschechischen Rundfahrt gesichert. Auf der 5. Etappe, di

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Tour de Bretagne (2.2, FRA)