Mein Radsport-Ereignis 2016: Greipels Sieg in Paris

Champs-Élysées-Triumph mit viel Kraft und Willen

Von Matthias Seng

Foto zu dem Text "Champs-Élysées-Triumph mit viel Kraft und Willen"
André Greipel gewinnt auf den Champs-Élysées die letzte Etappe der 103. Tour de France. | Foto: Cor Vos

28.12.2016  |  (rsn) – Die Vorzeichen standen gut für André Greipel, auch von seiner sechsten Tour de France en suite mit einem Etappensieg im Gepäck ins heimische Hürth zurückzukehren. Der Kapitän des Lotto Soudal-Teams hatte sich eine Woche vor dem Start der Frankreich-Rundfahrt in Erfurt in überlegener Manier seinen dritten deutschen Meistertitel gesichert und bereits im Frühjahr mit drei Tageserfolgen beim Giro d’Italia geglänzt. Zudem sprach das "Gesetz der Serie“ für Greipel, der in jedem seiner bisher fünf Tour-Teilnahmen mindestens einen Sieg hatte einfahren können – zehn waren es insgesamt.

Was konnte da noch schief gehen? Nun, einiges! Schon der Tour-Auftakt endete mit einem Dämpfer. Im Massensprint am Utah Beach Sainte-Marie-du-Mont musste Greipel sich im "Kampf der Giganten“ hinter Mark Cavendish, Marcel Kittel und Peter Sagan mit Rang vier zufrieden geben. Am dritten Tag – der die zweite Chance für die Sprinter bereithielt – jubelte erneut Cavendish, der bei dieser Tour wie "Phönix aus der Asche“ emporstieg. Der Brite verwies in einem "Millimeter-Krimi“ seinen ehemaligen Teamkollegen Greipel auf den zweiten Platz. Der haderte danach mit sich selbst und gestand einen entscheidenden Fehler ein. "Aus Reflex hatte ich den höchsten Gang reingelegt - der war am Ende zu dick", sagte der knapp Geschlagene nach dem packenden Finale in Angers.

Doch es kam noch dicker. In der Folge nämlich lief nicht mehr viel zusammen beim gebürtigen Rostocker, der in den raren (Sprint)-Entscheidungen der Frankreich-Rundfahrt 2017 keine große Rolle mehr spielte, wie die Plätze 15, acht, sechs und 44 belegen. Schließlich blieb Greipel nur noch eine Möglichkeit, den anvisierten Sieg einzufahren, und zwar zum großen Finale auf den Champs-Élysées. Auf dem legendären Pariser Boulevard hatte er bereits 2015 triumphiert und damit die "deutsche Serie“ fortgesetzt, die Marcel Kittel mit seinen Siegen in den beiden Jahren davor eingeleitet hatte.

Für Greipel sprach zwar, dass der viermalige Etappensieger Cavendish nach der 16. Etappe ausgestiegen war. Doch mit Sagan, Kittel und dem bis dahin ebenfalls noch sieglosen Alexander Kristoff (Katusha) waren zumindest drei große Namen noch im Rennen, die den für die Sprinter wohl prestigeträchtigsten Etappensieg fest im Visier hatten. Gegen den 34-Jährigen sprach dagegen, dass es bei dieser 103. Tour bisher immer einen Faktor gegeben hatte, der den Ausschlag gegen ihn gab – sei es, dass ihm das Team den Sprint nicht optimal vorbereitete, Greipel im entscheidenden Moment eingebaut war oder er selbst einen Fehler beging, siehe 3. Etappe.

Im letzten Sprint der Frankreich-Rundfahrt lief dann tatsächlich alles nach Plan. Greipel hielt dem – auch selbst auferlegten – Druck stand, wurde gut in Position gefahren, befand sich auf der Zielgarden im Windschatten von Kristoff, der den Sprint angezogen hatte, zog locker und leicht am Norweger vorbei und wehrte schließlich auch noch den stark aufkommenden Sagan ab.

Wie viele Steine Greipel dabei vom Herzen gefallen waren, konnte man danach im Sieger-Interview erleben, in dem es aus dem sonst oft eher wortkargen Deutschen geradezu heraussprudelte. "Ich kann es kaum beschreiben. Ich bin super stolz, dass es heute geklappt hat. Wir haben es immer wieder versucht,  waren aber nie erfolgreich. Das Team hat dennoch immer an mich geglaubt, es gibt für mich keinen besseren Platz, um zu gewinnen als hier“, erklärte ein vor Freude strahlender Greipel.

Seinen insgesamt elften Etappensieg bei einer Tour de France, mit dem er bis auf einen an den deutschen Rekordhalter Erik Zabel heranrückte, hatte sich der "Gorilla“ gegen alle Widrigkeiten erkämpft und damit bewiesen, dass er nicht nur in den Beinen über viel Kraft, sondern auch über einen unbezwingbaren Willen verfügt.

Mehr Informationen zu diesem Thema

29.12.2016Ein Berg. Ein Radprofi. Kein Rad!

(rsn) - Wann kann man sich sicher sein, dass ein Radsport-Ereignis wirklich ein Ereignis und nicht "nur" ein packendes Rennen, eine kuriose Szene oder ein bewegender Augenblick war? Ganz einfa

28.12.2016Peter Sagan: Back to the Roots

(Ra) - Peter Sagan in Rio auf dem Moutainbike - da hat sich so mancher doch gewundert... Aber Sagans Wurzeln im Radsport sind auf dem Bergrad gewachsen: Als Siebenjähriger startete er bei einem slowa

26.12.2016Drama am Colle dell´Agnello

(rsn) - Vor den letzten beiden Bergetappen des Giro d´Italia 2016 schienen die Trauben bereits verteilt. Kaum jemand hätte noch damit gerechnet, dass die Gesamtwertung einen derartig dramatischen Um

25.12.2016Noch immer der König der Zielgeraden

(rsn) - Man hatte ihn schon abgeschrieben. Ihn, den ehemaligen Straßenweltmeister, einen der besten Sprinter der Radsportgeschichte. "Er wird nicht mehr jünger“, sagten die einen. "Das Siegen hat

24.12.2016"Rambazamba“ im Konvoi

(rsn) – Nach dem gestrigen Ruhetag ging es in die entscheidende Phase der Vuelta. Heute führte die Strecke wieder in höllischem Tempo über die Autobahn aus Alajuela raus. Die Attacken zogen das

24.12.2016Denkwürdiger Sieg für einen toten Teamkollegen

(rsn) – In Sachen Rennverlauf war die 51. keine besonders bemerkenswerte Austragung des Amstel Gold Race. Wie bereits in den vergangenen Jahren wurde der erste der drei Ardennenklassiker erst auf de

23.12.2016Die große Contador/Quintana-Show

(rsn) - Der aufregendste Tag der Vuelta 2016 war der 4. September. Auf der 15. Etappe, dem 119 Kilometer langen Teilstück mit Bergankunft am Arámon Formigal, entschlossen sich zwei der besten Bergf

22.12.2016Imposante Strecke, gespenstische Kulisse

(rsn) – Die Redaktionsmitglieder von radsport-news.com und radsport-aktiv.de sowie ihre freien Mitarbeiter und Helferlein haben 2016 rund um das Thema Radrennen viel erlebt. Sie alle blicken zum Ab

Weitere Radsportnachrichten

28.04.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morg

28.04.2024Dorn in der Türkei am Berg und beim Zwischensprint der Stärkste

(rsn) - Vor allem für die Teams Bike Aid und rad-net - Oßwald verlief die zurückliegende Woche erfolgreich. Santic - Wibatech, MYVELO und Rembe Sauerland konnten gegen WorldTour-Konkurrenz zuminde

28.04.2024Famenne Classic: De Lie feiert seinen ersten Saisonsieg

(rsn) - Arnaud De Lie (Lotto - Dstny) hat bei der Famenne Ardeche Classic (1.1) seinen ersten Saisonsieg eingefahren. Der Belgier setzte sich nach hügeligen 195 Kilometern rund um Marche-en-Famenne

28.04.2024Lidl - Trek gewinnt trotz Stürzen Auftakt der Vuelta Femenina

(rsn) – Trotz eines Sturzes in der letzten Kurve hat Lidl – Trek das Teamzeitfahren zum Auftakt der 10. Vuelta Femenina (2.WWT) für sich entscheiden können. Obwohl Ellen van Dijk und Eleanor Bac

28.04.2024Highlight-Video der 5. Etappe der Tour de Romandie

(rsn) – Dorian Godon (Decathlon – AG2R La Mondiale) hat zum Abschluss der 77. Tour de Romandie (2.UWT) seinen zweiten Tagessieg eingefahren. Der Franzose entschied bei regnerischem Wetter die 5. E

28.04.2024Zangerle verpasst für sein Team nur knapp den Heimsieg

(rsn) –Lukas Kubis (Elkov – Kasper) hat in Österreich das 62. Kirschblütenrennen gewonnen, das erstmals als UCI-Rennen der Kategorie 1.2 ausgetragen wurde und zugleich der zweite Stopp der Road

28.04.2024Carlos Rodriguez feiert Gesamtsieg vor Vlasov und Lipowitz

(rsn) – Beinahe noch eine Spur deutlicher als auf der 1. Etappe ging es im Sprint der Schlussetappe der Tour de Romandie (2.UWT) zu. Der Sieger war dabei derselbe: Dorian Godon (Decathlon – AG2R L

28.04.2024Lechner lässt in Tschechien nichts mehr anbrennen

(rsn) – Am letzten Tag der Gracia-Rundfahrt (2.2) hat Corinna Lechner (Wheel Divas) nichts mehr anbrennen lassen und sich den Gesamtsieg der tschechischen Rundfahrt gesichert. Auf der 5. Etappe, di

28.04.2024Van den Broek gewinnt als erster Niederländer Türkei-Rundfahrt

(rsn) – Wegen Regen und Wind musste die Schlussetappe der 59. Türkei-Rundfahrt (2.Pro) abgesagt werden. Frank van den Broeck (dsm-firmenich – PostNL) verteidigte so kampflos sein Führungstrikot

28.04.2024Lipowitz mit seiner Giro-Generalprobe mehr als happy

(rsn) – Auch wenn er im Vorjahr bei der Czech Tour die Gesamtwertung gewann, so ist die diesjährige Tour de Romandie als Durchbruch in der Karriere von Florian Lipowitz (Bora – hansgrohe) zu bewe

27.04.2024Reusser zurück im Feld und auf dem Weg zu Olympia

(rsn) - Knapp ein Monat ist seit dem schweren Sturz bei der Flandern-Rundfahrt vergangen, der für die 32-jährige Marlen Reusser (SD Worx - Protime) schwere Folgen hatte. Ober- und Unterkiefer, die

27.04.2024Huys saust im Zeitfahren allen davon

(rsn) – So schnell wie Tabea Huys (Maxx Solar Rose Women Racing) war noch nie eine Athletin auf dem 13,5 Kilometer langen Zeitfahrparcours der Gracia-Rundfahrt in der Tschechischen Republik. Seit 20

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Tour de Romandie (2.UWT, SUI)
  • Radrennen Männer

  • Presidential Cycling Tour of (2.Pro, TUR)
  • Gracia Orlová (2.2, CZE)
  • Tour de Bretagne (2.2, FRA)
  • Tour of the Gila (2.2, USA)